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Indigene Wissenschaften

Wenn das Forschen eine Lebenseinstellung ist

Die Zusammenarbeit von westlichen und indigenen Wissenschaften kann gewinnbringend sein. Am Beispiel von Lakota berichtet das Fachmagazin »Science«, wie es mit Teamwork und gegenseitigem Respekt gelingen kann.
Jennifer Evans
18.11.2024  07:00 Uhr

Die wissenschaftlichen Systeme – das westliche und das indigene – haben sich über Jahrtausende hinweg getrennt voneinander entwickelt, unterlagen anderen Erfahrungen und Zwängen. Yvette Running Horse Collin ist sowohl im westlichen Wissenschaftssystem als auch im Lakota-System ausgebildet. Im Interview mit dem Fachmagazin »Science« zeigt sie die Unterschiede auf.

Zunächst weist sie darauf hin, dass indigene Wissenschaft ein Sammelbegriff ist und sie selbst lediglich über das Lakota-System des indianischen Volksstamms reden kann. »In unserer Kultur sprechen wir über das, was wir als teilnehmende Beobachter gelernt und erfahren haben.« Eine organisierte, institutionalisierte Religion etwa habe nie die Entwicklung der wissenschaftlichen Systeme der Lakota überwacht.

Grundsätzlich lerne ein Lakota-Wissenschaftler permanent, weil das Leben eben ständig in Bewegung sei und sich unaufhörlich verändere. Und an diesem System des ständigen Wachstums und der Veränderung nehme er auch selbst teil.

Charakter des Wissenschaftlers entscheidet mit

Entsprechend unterscheiden sich zum Beispiel Peer-Reviews im Lakota-System stark von den westlichen Vorstellungen. Demnach müssen Lakota-Wissenschaftler den älteren Wissensbewahrern zunächst beweisen, dass sie eine bestimmte Ebene des Verständnisses erreicht haben, bevor sie den Zugang zur nächsten Ebene erhalten. Das schließe eine Rechenschaftspflicht innerhalb des wissenschaftlich-ethischen Konstrukts ein, die stark charakter- und beweisbasiert sei, so Running Horse Collin.

Hinterfragt wird unter anderem, ob der Wissenschaftler über sich selbst als Individuum hinausgehen und über das gesamte Leben nachdenken kann sowie die Verflechtung zwischen verschiedenen Lebensformen versteht. Wer den Anforderungen nicht genüge, komme mit seiner Ausbildung nicht voran oder werde direkt von den Kollegen sanktioniert.

»Unsere traditionell ausgebildeten Wissenschaftler werden nach ihrer Fähigkeit und Entschlossenheit ausgewählt, unsere Wissenschaften zu leben und sie zu praktizieren. Das ist keine Berufung, sondern eine Lebenseinstellung«, stellte sie klar. Als Nachteil verstehen die Mitglieder des Lakota-Systems dies aber nicht. Im Gegenteil: Sie seien präziser und bewusster, wie ihre Erkenntnisse sich auf das Leben um sie herum auswirkten.

Jede Lebensform gleich viel wert

Generell gebe es bei Lakota keine Lebensform, die bei Forschungen oder Experimenten einen höheren oder niedrigeren Stellenwert besitze, so die Wissenschaftlerin. »Wir sind nicht von der Luft, dem Wasser und dem Boden getrennt.« Dabei spiegele diese Einstellung nicht nur intellektuelle Ideen oder Theorien wider, sondern es gehöre zur wissenschaftlichen Ausbildung, sie zu leben sowie das gewonnene Verständnis sofort anzuwenden. Ein Wissenschaftler könne also jeden Tag einen positiven Wandel bewirken, betonte sie.

»Wir wissen aber auch, dass wir nicht alles wissen können.« Im Gegenteil zur westlichen Wissenschaft könnten Vertreter des Lakota-Systems jedoch ganz gut mit dieser Tatsache leben, meint Running Horse Collin. Stattdessen frage man sich in ihrer Kultur eher, mithilfe welcher Zusammenarbeit sich Wissenslücken schließen ließen und wie sich sicherstellen lasse, dass die Wissenschaft die richtigen Fragen stelle und ihre Antworten effektiv kommuniziere.

»Wir dienen dem Leben. Das ist unser Auftrag und unsere Verantwortung«, machte sie deutlich. Wer sich nicht authentisch präsentiert, erweist der wissenschaftlichen Gemeinschaft also einen schlechten Dienst – und widerspricht damit der wissenschaftlichen Methode der Lakota.

Die Welt hört kaum zu

Ziel der Lakota-Vertreter ist es ebenfalls, auf eine solche Art und Weise zu kommunizieren, die andere Menschen verstehen. Doch obwohl sie immer Konzepte etwa in puncto Nachhaltigkeit oder Naturschutz gehabt hätten, habe die Kolonialpolitik sie meist gehindert, diese entsprechend zu präsentieren, sagte sie. Die Situation hat sich in ihren Augen zwar bereits verbessert, aber es gibt noch Luft nach oben.

Die indigenen Völker haben laut Running Horse Collin zwar gesprochen, aber der Rest der Welt hat ihnen bislang noch nicht sehr gut zugehört. »Wir wollen dazu beitragen, dass der notwendige Wandel schnell und auf eine gute Art und Weise erfolgt, die das Lehr- und Lernsystem der Menschen respektiert.«

Sie wisse, dass viele westlich ausgebildete Wissenschaftler das Gefühl hätten, nicht genug tun zu können. Sie berichten ihren Angaben zufolge davon, zwar Experimente und Daten produzieren und in ein etabliertes Narrativ einfügen zu können, aber damit keine wirkliche Richtungsänderung herbeizuführen. Running Horse Collin fordert daher einen neuen Rahmen, »der es uns allen ermöglicht, zusammenzuarbeiten und auf offene Weise zu reagieren«. Ein Wandel also, von dem alle profitieren, weil sie sich gegenseitig respektieren.

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