Weniger Zucker, gesünderes Herz |
| Laura Rudolph |
| 24.10.2025 18:00 Uhr |
Menschen, die während der Zuckerrationierung in der Nachkriegszeit im Vereinigten Königreich auf die Welt kamen, haben davon gesundheitlich profitiert. / © Adobe Stock/Valerii Dekhtiarenko
13 Jahre lang – von 1940 bis 1953 – konnten Menschen im Vereinigten Königreich (UK) nur sehr wenig Zucker kaufen. Pro Woche erhielten sie gegen eine Rationierungsmarke etwa 230 g pro Person. Die staatliche Maßnahme diente dazu, die Lebensmittelversorgung während und nach dem Zweiten Weltkrieg sicherzustellen. Auch zuckerhaltige Fertigprodukte wie Schokolade waren sehr rar. Als die Zuckerrationierung aufgehoben wurde, erlebte das UK einen regelrechten Zuckerboom und der Pro-Kopf-Verbrauch stieg innerhalb eines Jahres auf etwa das Doppelte an.
Diesen Umstand machten sich Forschende zu Nutze, um die Inzidenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen zu vergleichen, die während beziehungsweise kurz nach der Zuckerrationierung geboren wurden. Damit untersuchten sie indirekt den Zusammenhang zwischen dem Zuckerkonsum im Mutterleib und in den ersten Lebensjahren sowie der Herz-Kreislauf-Gesundheit im Erwachsenenalter.
Für seine Beobachtungsstudie, die kürzlich im Fachjournal »The BMJ« publiziert wurde, nutzte das Team um Jiazhen Zheng von der Hong Kong University of Science and Technology in Guangzhou, China, die Gesundheitsdaten von 63.433 Menschen aus der UK Biobank, die zwischen Oktober 1951 und März 1956 im UK geboren wurden. 40.063 von ihnen waren als Ungeborene und bis zu zwei Jahre nach der Geburt der Zuckerrationierung ausgesetzt, die restlichen 23.370 nie. Da die Hauptrekrutierung für die UK Biobank von 2006 bis 2010 lief, waren die beobachteten Personen bei Einschluss durchschnittlich 55 Jahre alt.
Analysiert wurden nur die Daten von Menschen, die vor Studienbeginn keine Herzerkrankungen hatten. Die Nachbeobachtungszeit betrug bis zu 17 Jahre. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beziehungsweise schweren kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulärer Tod. Dabei rechneten die Forschenden genetische, umweltbedingte und lebensstilbezogene Störfaktoren statistisch heraus.
Um sicherzugehen, dass die Einflüsse auf die Herzgesundheit durch die Zuckerrationierung und nicht durch andere Faktoren wie allgemeine Geburtsjahr- oder Zeittrends zurückzuführen sind, gab es eine externe Validierung mit Kontrollgruppen, die rund um 1953 geboren wurden und keine Zuckerrationierung erlebt hatten. Dazu zählten rund 2600 UK-Biobank-Teilnehmer, die außerhalb des Vereinigten Königreichs geboren wurden, sowie je etwa 1700 Teilnehmer zweier großer Altersstudien aus den USA und England (HRS- und ELSA-Studie).
Die beobachteten Personen, die im Mutterleib und bis zu zwei Jahre nach der Geburt der Zuckerrationierung ausgesetzt waren, hatten als Erwachsene ein wesentlich niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als diejenigen, die nie eine Restriktion erlebt hatten. Das Gesamtrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen war um 20 Prozent niedriger. Herzinfarkte traten um 25 Prozent und Herzinsuffizienz um 26 Prozent seltener auf. Die Risiko für Herzrhythmusstörungen war um 24 Prozent erniedrigt, für Schlaganfälle um 31 Prozent und für kardiovaskulären Tod um 27 Prozent. Dies sei insbesondere auf positive Auswirkungen des geringen Zuckerkonsums auf den Blutzucker und den Blutdruck zurückzuführen, schreibt das Team.
Je länger die Teilnehmer der Rationierung ausgesetzt waren, desto größer war der schützende Effekt. Die Zuckerrationierung führte außerdem dazu, dass kardiovaskuläre Erkrankungen – wenn sie auftraten – bis zu zweieinhalb Jahre länger auf sich warten ließen als in der Vergleichsgruppe.
»Unsere Ergebnisse unterstreichen den Nutzen einer frühen Zuckerrationierung für das Herz«, fassen die Studienautoren zusammen. Sie sprechen sich außerdem für Folgestudien aus, die gezielt auch den Einfluss von Genen sowie Umwelt- und Lebensstilfaktoren untersuchten sollten, um personalisierte Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.