Welche Medikamente brauchen Menschen im All? |
Brigitte M. Gensthaler |
16.04.2024 11:00 Uhr |
Das pharmaziehistorische Museum in Lissabon präsentiert in seiner Weltraumabteilung eine Original-Bordapotheke des Space Shuttles. Jedes Kunststoffmehrdosenbehältnis zeigt eine Abbildung der darin enthaltenen Oralia. Der Deckel ist mit einer kleinen Schnur gegen das Davonschweben nach dem Öffnen gesichert. / Foto: Christiane Staiger
Starke Beschleunigungskräfte, Schwerelosigkeit und Strahlung: Ein Weltraumflug beeinflusst die Gesundheit auf vielfältige Weise. Dabei änderten sich die Anforderungen an die Bordapotheken mit der Länge der Flüge und der Zahl der an Bord befindlichen Menschen stetig.
Für die Apollo-Missionen gab es eine Empfehlungsliste mit einer Risikobewertung für Arzneimittel. »An erster Stelle stand ASS, gefolgt von Nasenspray.« Bei der Apollo-8-Mission enthielt die Bordapotheke Injektoren und verschiedene Oralia in angepasster Menge für den längeren Flug und die drei Astronauten, die erstmals das schützende Magnetfeld der Erde verließen. Die NASA wählte dafür laut Staiger altbewährte Arzneistoffe; der einzige Newcomer war Oxymetazolin. Neben der Bordapotheke gab es bei Apollo noch eine kleinere Arzneitasche im Luna-Landemodul, falls während des Aufenthalts auf dem Mond etwas passieren sollte.
Deutlich mehr Arzneistoffe wurden im Space Shuttle mitgeführt. Es gab sogar mehrere Arzneistoffe für eine Indikation sowie drei Versionen des Medical Kit, je nach Flugdauer. Sicherheitshalber war immer ein Handbuch für medizinische Notfälle an Bord, falls sich Astronauten ohne Kontakt zur Erde helfen müssten, berichtete Staiger.
Die ISS Biomedical Kits berücksichtigten dann längere Aufenthalte im All und vielfältigere Indikationen. Indikationsbezogene Arzneitaschen wurden farblich gekennzeichnet. Einige Kits waren für die Selbstmedikation bestimmt, andere durften nur auf ärztlichen Rat geöffnet werden. »Inzwischen sind 191 Arzneimittel an Bord, die russisch und englisch beschriftet sind«, informierte die Apothekerin.
Braucht man so aufwendige Medikamentenvorräte für an sich gesunde Menschen? Eine Auswertung von 33 Space-Shuttle-Flügen ergab, dass 78 Prozent der Crew-Mitglieder Medikamente einnahmen, vor allem gegen Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Rückenschmerzen. »Die Pharmazie war und ist ein wesentlicher Beitrag zur Raumfahrt«, folgerte Staiger. Häufig eingenommen wurden Z-Substanzen, Analgetika wie Paracetamol, Ibuprofen und NSAR, Glucocorticoide oder Antihistaminika plus Fungizide gegen Hautsymptome sowie Promethazin gegen das Weltraum-Adaptions-Syndrom.
Untersucht wurde auch die Stabilität von Arzneimitteln im Weltraum. »Man fand eine reduzierte Stabilität, vor allem wegen des Umpackens der Medikamente.« Für Marsmissionen müsse eine Stabilität von mindestens drei Jahren garantiert sein.