Welche Auswirkungen haben Investorenübernahmen? |
| Lukas Brockfeld |
| 11.03.2024 18:08 Uhr |
Professor Frank-Ullrich Fricke (3. von rechts) bei der Vorstellung der Studie. / Foto: PZ / Brockfeld
Der Einstig von nicht-ärztlichen Kapitalgebern in Medizinische Versorgungszentren ist umstritten. Kritiker befürchten, dass die Behandlungsqualität unter dem Gewinnstreben der Investoren leiden könnte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fand im Dezember 2022 deutliche Worte: »Es gibt den fatalen Trend, dass Investoren medizinische Versorgungszentren mit unterschiedlichen Facharztpraxen aufkaufen, um sie anschließend mit maximalem Gewinn zu betreiben.« Der Minister versprach für das erste Quartal 2023 einen Gesetzesentwurf, »der den Einstieg dieser Heuschrecken in Arztpraxen unterbindet«. Zwar lässt ein entsprechendes Gesetz noch immer auf sich warten, doch die Debatte ist nicht abgeebbt.
Dr. Kristian Koch vom »Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren« (BBMV) wünscht sich mehr Sachlichkeit in der Diskussion: »Es werden aus unserer Sicht regelmäßig Argumente angeführt, die sich nicht mit Fakten belegen lassen. Die Debatte wird sehr emotional und nicht unbedingt evidenzbasiert geführt.« Der BBMV gab daher gemeinsam mit dem »Verband Akkreditierte Labore in der Medizin e.V.« (ALM) eine Studie in Auftrag, deren Ergebnisse am Montag der Öffentlichkeit präsentiert wurden.
Für die Studie wurden die Abrechnungsdaten und Honorarbescheide von 17 MVZ analysiert, die Mitglieder des BBMV und des ALM sind. Professor Frank-Ullrich Fricke, Ökonom an der Technischen Hochschule Nürnberg, untersuchte mithilfe der Daten, ob sich das Abrechnungsverhalten von MVZ nach der Übernahme durch nicht-ärztliche Kapitalgeber verändert hat. Deutliche Veränderungen könnten beispielsweise darauf hindeuten, dass bestimmte Behandlungen unnötigerweise durchgeführt werden, da sie für die Investoren besonders profitabel sind. Hierzu wurden in der Studie die vier Quartale vor und nach der Investorenübernahm analysiert.
Die Studie arbeitet mit einer kleinen und nicht repräsentativen Stichprobe. Daher ist sie nicht geeignet, um die Auswirkungen der Investorenübernahmen quantitativ zu beurteilen. Professor Fricke will vielmehr grundsätzlich herausfinden, ob auf Basis der Abrechnungsdaten und Honorarbescheide, die den Kassenärztlichen Vereinigungen regelhaft zur Verfügung stehen, Auffälligkeiten im Abrechnungsverhalten der MVZ feststellbar sind. Hierfür wurde die Entwicklung von Fallwerten betrachtet und Unterschiede zwischen den Veränderungen in eingereichten Abrechnungen und erlassenen Honorarbescheiden sowie die relativen Honoraranteile der Gebührenordnungspositionen in den Abrechnungen untersucht.
Tatsächlich ließen sich in den Daten vereinzelte Auffälligkeiten feststellen, deren Ursachen in einer Einzelfallprüfung abgeklärt werden müssten. »Das ist ein Weg, wie man Evidenz erzeugen kann, um sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie sich Abrechnungsverhalten der MVZ verändert hat«, freute sich Professor Fricke am Montag bei der Vorstellung der Studienergebnisse.
Mit einer regelmäßigen flächendeckenden Durchführung solcher Auffälligkeitsprüfungen könne laut Fricke gezeigt werden, ob eine weitere Regulierung der MVZ nötig sei. Ohne entsprechende Untersuchungen seien Forderungen wie die von Gesundheitsminister Lauterbach jedoch »evidenzfrei«. Den bisherigen Studien sei es nicht gelungen, entsprechende Belege vorzulegen.
»Mit der vorliegenden explorativen Studie wird ein praktikabler Ansatz vorgestellt, der vergleichende Untersuchungen des Abrechnungsverhaltens von ambulanten Einrichtungen auf Basis vorhandener Daten ermöglicht«, erklärt Fricke. Regelmäßige Auffälligkeitsprüfungen ließen sich weitgehend automatisch durchführen. Die ärztliche Selbstverwaltung könne mit ihren Daten also nachweisen, ob MVZ ihrem Versorgungsauftrag gerecht würden. Bisher werde diese Möglichkeit allerdings nicht genutzt.
Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann lobt die Studie von Professor Fricke: »Die Ergebnisse sind ein klarer Weckruf für alle Beteiligten im Gesundheitswesen. Es ist essentiell, dass wir unsere Diskussionen und Entscheidungen auf Evidenz und Empirie stützen«, erklärte der Liberale am Montag. Die Studie demonstriere eindrucksvoll, wie die Nutzung von Routinedaten zur Kontrolle von MVZ dabei helfen kann, potenzielle Abrechnungsunstimmigkeiten frühzeitig zu erkennen und Schaden von den Patienten sowie dem gesamten Gesundheitssystem abzuwenden.
»Den Kassenärztlichen Vereinigungen ist es möglich, Verdachtsfälle objektiv in den Blick zunehmen und so für Transparenz zu sorgen. Wir dürfen uns gerade in dieser Debatte nicht weiter von den eigenen Vorurteilen treiben lassen und Patienten mit Spekulationen über mögliche Heuschrecken-Investoren verunsichern«, so Ullmann.