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Protest in Hamburg

Welche Art von Apotheke will die Politik sich leisten?

In Hamburg gab es gestern zwar keine zentrale Protestaktion gegen das geplante Lieferengpassgesetz. Je nach Stadtteil beteiligten sich jedoch alle oder einzelne Apotheken an den Schließungen. Die PZ hat sich umgeschaut.
Wiebke Gaaz
15.06.2023  13:00 Uhr

Bei bestem Sommerwetter steht Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, mit seinen Mitarbeiterinnen Sara Rezai und Nazire Matiloglu in Warnwesten vor seiner geschlossenen Apotheke im Stadtteil Eilbek. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Apotheker schon einmal in dieser Form gestreikt hätten. Da muss vorher schon viel passieren.« Die Politiker müssten endlich verstehen, wie dramatisch die wirtschaftliche Situation zahlreicher Offizinen sei.

In Hamburg gibt es 377 Betriebsstätten – 66 weniger als noch vor zehn Jahren. »Es ist gut, dass wir lauter werden. Der erste Schritt dahin, gehört zu werden, ist gemacht, und weitere Maßnahmen wären möglich«, so Siemsen weiter. Hoffnung setzt er in Wirtschaftsminister Robert Habeck, der die Forderungen der Apotheker unterstützt.

Dennoch befürchtet Siemsen, dass das geplante Lieferengpassgesetz die Situation nicht spürbar verbessern wird. Im Gegenteil: die Engpässe werden den Apothekern wahrscheinlich noch länger Sorgen bereiten und sich zum Winter wieder verschärfen. Eine Entlastung beim bürokratischen Aufwand und eine Erhöhung des Beratungshonorars sind zwei Punkte des Forderungskatalogs, die ihm besonders wichtig sind. Wobei er gleich nachschob: »Alle Punkte des Forderungskatalogs sind wichtig.«

»Welche Art von Unternehmen möchte die Politik fördern?«

Ähnlich war die Lage vor einer der größten Apotheken in der Hansestadt, der Privilegierten Adler Apotheke Wandsbek. Auch sie, die normalerweise an 365 Tagen im Jahr bis Mitternacht geöffnet hat, wurde ausnahmsweise von Mitinhaberin Heike Gnekow zugesperrt. Die Mitarbeiter wechselten sich ab, um Passanten zu informieren.

Gegenüber der PZ sprudelte es aus ihr heraus: Das Honorar und der Zwangsrabatt sei auch für ihre Apotheke ein dringendes Anliegen. Sie bedauert sehr, dass die exzellente Versorgung und Beratung durch hochqualifizierte Mitarbeiter nicht gesehen werden. Die Politik müsse verstehen, wie wichtig die wohnortnahen Apotheken, die ihren Stadtteil kennen und aktiv mitgestalten, für die Gesundheitsversorgung sind. Die dürfen nicht kaputtgespart werden.

»Welche Art von Unternehmen möchte die Politik fördern?«, fragt sie. Man dürfe nicht vergessen, dass Apotheken mittelständische Einzelunternehmen sind, deren Inhaber mit ihrem Privatvermögen für das unternehmerische Risiko haften. Anders als etwa Großkonzerne oder eben auch die Krankenkassen, die den Apotheken viel diktieren. Das sei eine unfaire Verschiebung der Machtverhältnisse, beklagt Gnekow.

Sie erklärte, wie auch Apotheker Siemsen, dass die Zeit der Pandemie eine große Herausforderung gewesen sei. Die Einnahmen durch die Masken konnten den erheblichen Rückgang der Kundenzahlen nur teilweise kompensieren, zudem wurde das Geld in Impfräumlichkeiten und Personal für Coronatestungen reinvestiert. Also von Bereicherung, wie es öfters dargestellt werde, keine Spur.

Unüberschaubare Risiken durch Nullretaxationen

Nullretaxationen gehören unbedingt abgeschafft, forderte sie weiter. Sie bedeuten für die Apotheke ein unüberschaubares Risiko. Sie können auch noch nach zwei Jahren nach Belieferung in der Apotheke in Form eines Briefes von der Prüfungsstelle eintrudeln. Bei Hochpreismedikamenten könne dies existenzgefährdend sein. In den allermeisten Fällen sei der Patient ordnungsgemäß versorgt worden. Der Grund der Retaxation sei meist ein kleiner Formfehler.

Die Lieferengpässe sind auch für Gnekows Team eine große Herausforderung und ein erheblicher Zeitfresser. Die Probleme, die damit einhergehen, blieben nicht in der Apotheke, sondern setzen sich fort, etwa in Pflegeeinrichtungen. Als Beispiel nannte sie den Wirkstoff Melperon, der phasenweise gar nicht oder nur als Saft verfügbar war. Da Saft sich nicht verblistern lässt, musste das Pflegepersonal die Dosierung übernehmen. Sie wünscht sich unbürokratische Austauschfreiheiten. Man habe schon festgestellt, dass dies nicht zu Mehrkosten führt und Apotheker diese Freiheiten verantwortungsvoll anwenden und nicht ausnutzen.

Notdienst stärker frequentiert als sonst

Die Alte Lokstedter Apotheke war am Protesttag zum Notdienst eingeteilt. Inhaber Balal Looden erklärte gegenüber der PZ, dass er sich andernfalls am Protest beteiligt hätte. Er hat dennoch ein kleines Zeichen gesetzt, indem er den Zugang in seine Apotheke mit einem Aufsteller versperrt hat. Bedient wurde an dem Tag ausschließlich durch die Notdienstklappe.

Sein Angestellter konnte berichten, dass die Kundenfrequenz an dem Tag spürbar höher war als sonst. Kunden steuerten gezielt diese Apotheke an, weil sie andernorts vor verschlossenen Türen mit Verweis auf die nächstgelegene Notdienstapotheke standen. Auch er berichtete von der großen nervlichen Belastung, die das Management der Lieferengpässe bedeuten.

Die Reaktionen der Kunden und Patienten waren in Hamburg durchweg positiv. Sie wurden durch die mediale Berichterstattung gut vorbereitet und hatten viel Verständnis für die Protestaktion der Apotheker.

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