Was Schwangere jetzt zum Impfen wissen sollten |
Daniela Hüttemann |
12.10.2020 09:00 Uhr |
In welchem Trimenon sich Schwangere impfen lassen sollten, hängt vom Erreger und von der Jahreszeit ab. / Foto: Adobe Stock/New Africa
PZ: Haben Schwangere ein erhöhtes Infektrisiko für Erkältungen, Grippe und Covid-19?
Albring: Das Immunsystem verändert sich in der Schwangerschaft, damit das ungeborene Baby nicht als Fremdkörper erkannt und abgestoßen wird. Trotzdem bleibt die Abwehr gegen Krankheitserreger normalerweise intakt; man sieht jedenfalls bei Schwangeren nicht häufiger Atemwegsinfekte als bei gleichaltrigen nicht schwangeren Frauen.
PZ: Wie sieht es aus mit einem schwereren Verlauf einer Influenza- oder Coronavirus-Infektion?
Albring: Man weiß von der Influenza-Infektion, dass sie während der Schwangerschaft häufiger schwer verlaufen, zu hohem Fieber und zu Lungenentzündungen führen kann und dass häufiger stationäre Behandlungen auch auf der Intensivstation notwendig werden. Solche schweren, fieberhaften Infekte erhöhen immer auch die Gefahr für Frühgeburten. Bei Covid-19 wurden keine gehäuften Infektionen bei Schwangeren beobachtet. In vielen Fällen sind die Symptome leichter, weil die Immunreaktion in der Schwangerschaft auf anderen Wegen erfolgt. Aber genau das führt dann dazu, dass die Balance zwischen Virus und Abwehr bei manchen Schwangeren kippen kann, sodass schwere Verläufe von Influenza und Covid-19 in der Schwangerschaft häufiger sind als außerhalb. Das US-amerikanische CDC sagt dazu, dass Schwangere schon mit leichten Symptomen sicherheitshalber in der Klinik untersucht und aufgenommen werden sollen, um rechtzeitig eingreifen zu können, wenn sich die Krankheit zum schweren Verlauf – statt Heilung – entwickelt. In Deutschland gibt es bisher keine solche Empfehlung.
PZ: Gelten Schwangere offiziell als Risikogruppe für Covid-19?
Albring: Die Einstufung von Risikogruppen führt für Deutschland das Robert-Koch-Institut (RKI) durch. Schwangere gelten hier bisher nicht als Risikogruppe. Ob und wann sich das ändern wird, entscheidet das RKI. Als Risikogruppen gelten zum Menschen mit Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atemsystems, der Leber, der Niere, Krebserkrankungen oder Risikofaktoren wie Adipositas und Rauchen. Diese Faktoren scheinen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu erhöhen. Das RKI empfiehlt für diese Risikogruppen eine größtmögliche Minderung des Risikos einer Infektion, zum Beispiel durch allgemeine Verhaltensregeln.
PZ: Wie können sich Schwangere vor Erkrankungen der Atemwege schützen?
Albring: Zunächst einmal mit einem gesunden Immunsystem, also mit einer guten allgemeinen Gesundheit, und dann durch Vermeiden der üblichen Ansteckungsrisiken. Schwangere sollten niemals rauchen und keinen Tropfen Alkohol zu sich nehmen. Durch Untersuchungen von Familien mit Covid-19-Infizierten weiß man, dass das Infektionsrisiko sogar innerhalb eines Haushalts deutlich vermindert werden kann, wenn man während der Krankheit möglichst getrennte Räume benutzt, Flächen und benutzte Gegenstände häufig reinigt, die Gesichtsmaske auch zu Hause trägt und sehr viel und gründlich lüftet. Das gilt sicherlich auch für all die normalen Erkältungsviren wie die Influenza.
PZ: Welche Impfungen können für Schwangere sinnvoll sein, um Atemwegserkrankungen vorzubeugen?
Dr. Christian Albring ist praktizierender Gynäkologe und Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF). / Foto: BVF
Albring: Unbedingt die Grippeimpfung, entweder vor der Schwangerschaft oder nach der 14. Woche. Bei Schwangeren, die ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben, zum Beispiel durch eine Herz- oder Lungenerkrankung, ist eine Impfung auch zu Beginn der Schwangerschaft sinnvoll. Alle Kontaktpersonen, zum Beispiel in der Familie, sollten ebenfalls geimpft werden, um einen Nestschutz aufzubauen. Zusätzlich sollten sich alle Schwangeren im letzten Drittel der Schwangerschaft gegen Keuchhusten impfen lassen. Auch mit dieser Impfung wird ein Immunschutz für das Baby aufgebaut, das dann in den ersten Lebenswochen vor dem Keuchhusten, auch Pertussis genannt, geschützt ist. Denn Säuglinge können bei dieser Infektion nicht nur Hustenattacken bekommen, sondern einen Atemstillstand, der lebensbedrohlich ist.
PZ: Sind die Impfungen sicher für Schwangere und das Ungeborene?
Albring: Die Impfungen, die vom Robert-Koch-Institut für eine Anwendung in der Schwangerschaft zugelassen sind, sind absolut unbedenklich für Mutter und Kind.
PZ: Sollen sich Schwangere gegen Covid-19 impfen lassen, sobald ein Impfstoff zur Verfügung steht?
Albring: Das ist wahrscheinlich, hängt aber von der Art des Impfstoffs ab. Zur Zeit kann man daher noch keine Empfehlung abgeben. Alle Schwangeren sollten sich aber gegen Influenza impfen lassen. Treten beide Infektionen gemeinsam auf, ist das fatal.
PZ: Werden Covid-19-Impfstoffe überhaupt an Schwangeren getestet?
Albring: In Phase II und Phase III einer Impfstoff-Entwicklung werden Schwangere nicht mit einbezogen.
PZ: Sollten sich werdende Mütter kurz vor der Geburt isolieren, damit sie sich nicht noch mit SARS-CoV2 anstecken?
Albring: Schwangere sollten dringend die Abstands- und Hygieneregeln sorgfältig einhalten. Das gilt auch für alle Mitbewohner und nahen Verwandten und Bekannten. Zusätzliche Maßnahmen sind derzeit nicht im Gespräch.
PZ: Sollten Schwangere ihr Immunsystem stärken und falls ja, wie?
Albring: Eine gute Grundgesundheit wird erreicht durch ausreichende körperliche Bewegung, viel frische Luft, hochwertige und vielfältige Ernährung, ausreichenden Schlaf und das Vermeiden von Über- und Untergewicht sowie das Weglassen von Nikotin, Alkohol und anderen Suchtmitteln. Eine weitere Allgemeinmaßnahme ist es, Unterkühlungen zu vermeiden. Die allgemeinen Hygienemaßnahmen, die in jeder Grippesaison empfohlen werden, sind durch Corona inzwischen Alltag geworden – also Abstand halten, Hände waschen und auch Mund und Nase bedecken.
PZ: Welche Gefahren drohen dem Fetus oder dem Baby, wenn Schwangere sich einen Atemwegsinfekt zuziehen?
Albring: Für die Schwangere selbst kann insbesondere in den späteren Schwangerschaftsmonaten die Erkältung und vor allem der Husten sehr anstrengend werden. Dem Baby drohen bei banalen Atemwegsinfekten (Common Cold Disease) keine Gefahren. Erst wenn hohes Fieber über mehrere Tage auftritt, steigt die Gefahr von vorzeitigen Wehen und von Frühgeburten.
PZ: Eine Schwangere erleidet einen grippalen Infekt mit Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber – darf sie die Symptome medikamentös behandeln und wenn ja, wie?
Albring: Acetylsalicylsäure, also Aspirin® und Generika, sollte in den letzten sechs Wochen der Schwangerschaft nicht mehr verwendet werden, weil es das kindliche Herz schädigen kann und die Gefahr von Blutungen unter der Geburt erhöht. Embryotox rät dringend auch von Ibuprofen im letzten Schwangerschaftsdrittel ab.
Eine kurzfristige Anwendung von abschwellenden Nasentropfen mit Wirkstoffen wie Xylometazolin oder Oxymetazolin ist prinzipiell möglich, sollte aber auf maximal acht bis zehn Tage begrenzt bleiben. Auch durch die nasale Anwendung von Kochsalzlösung kann eine Verbesserung der Symptomatik erreicht werden. Medikamente, die die Nasenschleimhäute abschwellen sollen und Ephedrin oder Pseudoephedrin enthalten, dürfen in der Schwangerschaft und Stillzeit dagegen nicht verwendet werden.
Auch Codein-haltige Hustenblocker sind in der Schwangerschaft problematisch. Nur in ganz seltenen Fällen kann bei sehr starkem und nicht stillbarem Reizhusten für kurze Zeit eine Ausnahme gemacht werden. Schmerzen und Fieber können kurzzeitig mit Paracetamol bekämpft werden.
Allgemein gilt: Medikamente so wenig wie möglich – so viel wie nötig. Erlaubt sind auch pflanzliche Mittel; nur Huflattich und Echinacea (Sonnenhut) dürfen in der Schwangerschaft nicht verwendet werden sowie Lakritz-haltige Hustenbonbons: Das Glycyrrhizin, das in Lakritze enthalten ist, kann Kreislaufstörungen hervorrufen und möglicherweise dauerhafte Schäden beim Baby verursachen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.