Was sagt der Allergietest? |
Christina Hohmann-Jeddi |
02.09.2021 09:00 Uhr |
Eine echte Erdnussallergie ist bei Kindern deutlich seltener als eine Sensibilisierung gegen Erdnuss-Allergene. / Foto: Getty Images/michellegibson
»Eine Allergiediagnose erfolgt in mehreren Schritten«, berichtete Dr. Lars Lange vom St. Marien-Hospital in Bonn beim Online-Allergietag des Deutschen Allergie- und Asthmabunds (DAAB). Am Anfang steht dabei die Anamnese. Gibt es hier einen Verdacht auf eine Allergie, schließt sich ein Blut- oder Pricktest an. Bei positiven Testergebnissen kann in bestimmten Fällen noch eine Provokation erfolgen, um sicher zu gehen, erklärte Lange.
Eine Lebensmittelallergie bestehe, wenn man nach Verzehr eines Nahrungsmittels regelmäßig Beschwerden aufgrund von allergischen Reaktionen bekomme. Welche Lebensmittel hier bei den jeweiligen Patienten eine Rolle spielen, wird bei der Anamnese abgefragt. Bei der Soforttyp-Allergie muss ein klarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Verzehr und dem Auftreten von Symptomen zu erkennen sein, sagte Lange. »Ich esse etwas und es passiert etwas.« Typisch sind Reaktionen an der Haut wie Nesseln, aber auch ein Zuschwellen der Atemwege mit Luftnot und pfeifenden Atemgeräuschen, Kreislaufbeschwerden sowie gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Alleinige Bauschmerzen oder Durchfälle wiesen dagegen nicht auf eine Allergie, sondern eventuell auf eine Unverträglichkeit hin, reine Atemwegssymptome eher auf eine Rhinosinusitis, erklärte der Mediziner.
Deutlich seltener als die Soforttyp-Allergie ist die Spättyp-Allergie. Bei dieser müsse auch ein klarer zeitlicher Zusammenhang bestehen – aber mit einem größeren Abstand von ein bis zwei Tagen zwischen Konsum der Lebensmittel und Auftreten von Symptomen.
Was sind häufige Auslöser von Nahrungsmittelallergien? Das hängt vom Alter ab, berichtete Lange. So sind bei Säuglingen und Kleinkindern am häufigsten Kuhmilch, Hühnerei, Erdnuss, Walnuss und Weizen Auslöser von Allergien. Im Vorschulalter nähme die Häufigkeit von Allergien gegen Kuhmilch und Weizen wieder ab, hinzu kämen Allergien gegen Krustentiere, pollenassoziierte Allergene (etwa in Haselnuss, Apfel oder Karotten) und Fisch. Ausschließen könne man bei Kindern Allergien gegen Konservierungs- oder Farbstoffe, Gewürze und Zucker, sagte der Mediziner.
Wird eine Allergie auf ein Lebensmittel vermutet, kann dies mit Prick- oder Bluttests überprüft werden. Beim Pricktest werden dem Patienten allergenhaltige Lösungen auf die Haut getröpfelt, die Haut angeritzt und dann beobachtet, ob eine Hautreaktion auftritt. Pricktests würden von Ärztinnen und Ärzten häufig zuerst angeboten, da sie schnell durchzuführen, preiswert und gut verfügbar sind. Genauer als der Bluttest seien sie aber nicht, beide seien in der Aussagekraft vergleichbar, so Lange. Bei Letzterem werden im Blut IgE-Antikörper gegen bestimmte Allergene nachgewiesen. Dieser zeigt aber, wie der Pricktest auch, ausschließlich eine Sensibilisierung gegen ein Allergen und keine Allergie an, betonte der Mediziner.
Pricktests zeigen eine Sensibilisierung auf bestimmte Antigene wie Kuhmilcheiweiß an. / Foto: Shutterstock/Alexander Raths
Häufig würden die Ergebnisse der Allergietests falsch interpretiert und alle Lebensmittel gemieden, bei denen das Ergebnis positiv war, berichtete der Mediziner. Doch ein positiver Test bedeute nicht, dass tatsächlich eine Allergie besteht. So zeigen etwa 10,8 Prozent der Kinder in Deutschland in Studien eine Sensibilisierung auf Erdnüsse, doch nur 0,2 bis 0,5 Prozent der Kinder sind wirklich allergisch, reagieren also mit Symptomen auf den Konsum von Erdnüssen. »Weniger als eins von 20 Kindern mit positivem Allergietest ist wirklich allergisch auf Erdnüsse«, sagte Lange. Bei Weizen falle dies noch deutlicher aus: Trotz einer Positivrate von fast 10 Prozent in Allergietests, seien nur etwa 0,01 Prozent allergisch auf Weizen. »Ein positiver Allergietest sagt noch nicht viel«, so Lange.
Die molekulare Allergiediagnostik erlaube einen etwas genaueren Blick. Mit diesem Bluttest lassen sich IgE-Antikörper gegen spezifische Epitope von Proteinen aus Nahrungsmitteln detektieren. Damit lasse sich erkennen, ob eine Sensibilisierung gegen pollenassoziierte Allergene oder gegen typische Nahrungsmittelallergene vorliegt. Aber auch dieser Test zeige nur eine Sensibilisierung und keine Allergie an.
Klarheit schaffen, ob wirklich eine Allergie besteht, könne dann ein oraler Provokationstest, erklärte Lange. Bei diesem nimmt der Patient kleine Mengen des fraglichen Allergens in zeitlichen Abständen und aufsteigender Dosierung zu sich. Treten Symptome auf, ist eine Allergie belegt. Auf diese Weise ließen sich an verschiedenen Tagen unterschiedliche Allergene testen, erklärte Lange. Bei Erwachsenen sollte dies placebokontrolliert erfolgen, um eine psychische Beteiligung auszuschließen, bei Kindern sei das nicht nötig. Die letzte Dosis bei den Provokationstests seien dann etwa eine Handvoll Erdnüsse oder ein ganzes Ei. Mit diesen Tests ließe sich auch die Toleranzschwelle ermitteln, so Lange. »Ob ich auf einen Krümel oder eine ganze Handvoll eines Lebensmittels allergisch reagiere, macht einen deutlichen Unterschied für die Meidung.«
Da orale Provokationstest aufwendig und nicht risikolos sind, setzte man sie nicht regelhaft zur Diagnose ein. So würden etwa Allergien auf leicht zu meidende Lebensmittel wie Kiwi oder Sternfrucht nicht auf diese Art getestet. Eine orale Provokation sollte zudem in spezialisierten Kliniken durchgeführt werden, die beim Kinderarzt erfragt oder zum Beispiel beim Deutschen Allergie- und Asthmabund im »Allergie-Wegweiser« gesucht werden können.
Nicht zur Allergie-Diagnostik eingesetzt werden sollten alternative Hauttests wie Scratch-, Reibe-Tests oder Pflaster. Diese seien nicht zuverlässig, so der Referent. Er riet zudem stark von IgG-Tests ab. Diese seien sehr teuer und ohne Aussagekraft.