Was Patienten im EU-Ausland für Arzneimittel zuzahlen |
Jennifer Evans |
14.08.2023 11:00 Uhr |
In Frankreich ist die Eigenbeteiligung für ein Arzneimittel abhängig von dessen medizinischem Nutzen. In jedem Fall müssen Patienten 50 Cent pro Packung zahlen. / Foto: Adobe Stock/AUFORT Jérome
Wie wird eigentlich das Gesundheitssystem bei unseren europäischen Nachbarn finanziert, welche Leistungen bekommen Patienten dort erstattet und wo gelten welche Zuzahlungspflichten? Mit diesem Thema hat sich der Wissenschaftliche Dienst (WD) des Bundetags in einem Sachstandsbericht befasst. Exemplarisch stellt er darin die Länder Frankreich, Italien, Polen und Spanien gegenüber.
In Frankreich besteht eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht. Die Zuzahlung bei Arzneimitteln ist nach deren medizinischem Nutzen gestaffelt. Demnach zahlen Patienten 85 Prozent für Präparate, die nur wenig Nutzen haben; 70 Prozent der Kosten eines Mittels müssen die Versicherten bei »bedingt erforderlichem Nutzen« tragen und 35 Prozent sind es bei Medikamenten mit »hohem medizinischen Nutzen«. Kostenfrei sind lediglich jene Arzneimittel, die als »unabdinglich« eingestuft sind.
In jedem Fall müssen die Franzosen 50 Cent pro Arzneimittelpackung zahlen. Aber: Pro Person maximal 50 Euro im Jahr. Einzige Ausnahmen sind Minderjährige und Schwangere. Bei den Hilfsmitteln kann es passieren, dass die französischen Patienten sich bis zu 40 Prozent beteiligen müssen. Keine Eigenbeteiligung ist lediglich bei bestimmten Prothesen vorgesehen – sofern die Krankenkasse vorab zugestimmt hat. Wegen der hohen Eigenbeteiligungen spielen laut dem WD Zusatzversicherungen in Frankreich eine große Rolle. Demnach haben rund 95 Prozent eine Zusatzversicherung abgeschlossen.
Um beim staatlichen Gesundheitsdienst in Italien Leistungen in Anspruch nehmen zu können, ist zunächst eine kostenlose Registrierung erforderlich. Die Basisversorgung ist inklusive. Allerdings bestimmt die Regierung in Rom den Leistungsumfang. Die einzelnen Regionen des Landes können aber aufstocken. Attraktiv sind demnach private ambulante »low-cost«-Behandlungszentren, weil dort die Wartezeiten kürzer sind. Allerdings müssen die Italiener bei diesen Zentren selber zahlen.
Nicht enthalten im italienischen Basispaket sind die Kosten für Hilfs- und Heilmittel sowie OTC-Präparate. Kostenfrei gibt es dagegen Arzneimittel, die auf der nationalen Positivliste auftauchen und für den Einsatz sehr ernster oder chronischer Erkrankungen gedacht sind. Jedoch legen die Regionen stets feste Rezeptgebühren fest – mit Ausnahmen für bestimmte Bevölkerungsgruppen.
In Polen sind alle bei derselben Krankenkasse versichert. Eine private Zusatzkrankenversicherung haben nur rund 6 Prozent der Bevölkerung. Zuzahlungen für hausärztliche und fachärztliche Behandlungen beziehungsweise Krankenhaus- oder Notfallversorgung gibt es nicht.
Bei einem Klinikaufenthalt sind die Arzneimittel inklusive. Bei ambulant verordneten Präparaten fällt dagegen eine Zuzahlung von 3,20 Polnische Zloty (rund 70 Cent) für Grundmedikamente beziehungsweise 15,10 Zloty (etwa 3,40 Euro) an. Bei einigen Arzneimitteln kommt auf die Patienten eine Eigenbeteiligung in Höhe von 30 bis 50 Prozent zu; andere Präparate müssen die Polen vollständig aus eigener Tasche finanzieren. Manche Personengruppen wie Menschen ab 75 Jahre, Kriegs- oder Militärinvaliden sind oft von den Zuzahlungen für Arzneimittel und Hilfsmittel befreit.
Regionalisiert ist auch der öffentliche Gesundheitsdienst in Spanien. Der Leistungskatalog fällt in die Verantwortung des dortigen Gesundheitsministeriums. Im Rahmen der festgelegten Leistungen wird die ambulante und stationäre Versorgung zunächst ohne Eigenbeteiligungen erbracht. Etwa ein Fünftel der Spanier verfügt aber nach Angaben des WD über eine private Zusatzversicherung, um Behandlungen abzufedern, die nicht zu diesem Katalog gehören.
Je nach Jahreseinkommen müssen Patienten zwischen 40 und 60 Prozent Arzneimittelkosten übernehmen. Für spezielle Arzneimittel etwa bei chronischen Erkrankungen gibt es aber Höchstbeträge. Für Menschen mit Behinderungen oder Opfer von Arbeitsunfällen gelten zum Teil andere Regeln. Und Rentner zahlen demnach aktuell 10 Prozent des Arzneimittelpreises, maximal aber bis zu 8 Euro pro Packung. Allerdings nur dann, wenn ihr Jahreseinkommen unter 100.000 Euro liegt. Wer mehr Geld hat, muss bis maximal 18 Euro drauflegen. Auch Hilfsmittel sind im ambulanten Bereich in Spanien nach Verdienst gestaffelt. Die Eigenbeteiligung bewegt sich ebenfalls zwischen 40 und 60 Prozent. Auch dabei existieren Ausnahmen für bestimmte Personengruppen.