Was kann der Bluttest auf alle Krebsformen? |
Christina Hohmann-Jeddi |
10.08.2023 18:00 Uhr |
Die Versicherungsgruppe HanseMerkur bietet einen Bluttest als Früherkennung einer ganzen Reihe von Krebsarten an. / Foto: Getty Images/Olga Efimova/EyeEm
In den Medien wird der Krebstest Pantum Detect seit einiger Zeit stark beworben. Der Test wird als Teil der Zusatzversicherung »Krebs-Scan« von der Versicherungsgruppe Hanse-Merkur mit Sitz in Hamburg angeboten. Wer diese abschließt, kann zur Krebsfrüherkennung jährlich den Bluttest Pantum Detect durchführen lassen. Liefert er ein auffälliges Ergebnis, schließen sich bildgebende Verfahren an, die den Verdacht bestätigen oder entkräften sollen. Die entstehenden Kosten sind durch die Zusatzversicherung ebenso wie die für potenzielle weitere Leistungen zur Behandlung der Krebserkrankung abgedeckt. Hersteller des Krebstests ist das Biotechnologieunternehmen Zyagnum mit Sitz in Darmstadt. Die Versicherung kostet pro Jahr etwa 238 Euro für einen 50-jährigen Mann oder eine 50-jährige Frau.
Der Test könne eine Reihe von Krebsarten erkennen, da er nicht tumorspezifisch sei, heißt es von der Herstellerfirma. Doch wie funktioniert der Test? Er basiere auf der EDIM®-Technologie und sei eine Art »Immunologische Biopsie«. EDIM steht dabei für Epitope detection in monocytes, was bedeutet, dass Krebs-Epitope in Zellen des Immunsystems, den Monozyten, nachgewiesen werden.
Das Prinzip: Aktivierte Monozyten werden zu Fresszellen (Makrophagen), die Tumorzellen phagozytieren und Tumorproteine intrazellulär speichern können. Für den Test werden die Blutzellen in Blutproben kurz durchlässig gemacht, um spezifische Antikörper gegen die Tumorproteine ins Zellinnere zu lassen, die dann in der sogenannten Durchflusszytometrie detektiert werden.
Der Bluttest weist dabei die beiden Tumormarker Apo10 (DNaseX) und Transketolase-like 1 Protein (TKTL1) in CD14+/CD16+-Makrophagen nach. Apo10 ist für die Zellteilung und die Resistenz der Tumorzellen gegen den programmierten Zelltod (Apoptose) verantwortlich. TKTL1 spielt eine wichtige Rolle bei der anaeroben Glykolyse von Tumorzellen, die zur Zerstörung der Basalmembran und zur Metastasierung führt. TKTL1 ist ein Enzym, das häufig bei Krebszellen hochreguliert ist, jedoch exprimieren nicht alle Tumorzellen TKTL1. Laut Hersteller von Pantum Detect sind die nachgewiesenen Enzyme bei vielen Tumoren bereits in frühen symptomlosen Phasen in höherer Konzentration vorhanden.
Wie leistungsstark der Test ist, wurde in einer Studie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), die Mitte 2022 publiziert wurde, untersucht. Mehr als 5000 symptomlose Personen zwischen 50 und 70 Jahren nahmen daran teil. Von den 5064 gültigen Blutproben der Studienteilnehmer wurden 151 Verdachtsfälle nach einem auffälligen Testergebnis mit bildgebenden Verfahren weiter untersucht. Von diesen sei in 124 Fällen der Verdacht auf einen potenziell gefährlichen Tumor bestätigt worden, heißt es vom Hersteller. Damit liefere ein auffälliger Bluttest in über 82 Prozent einen korrekten Hinweis auf Krebs oder eine Krebsvorstufe mit hohem Entartungsrisiko. Von 151 Verdachtsfällen waren 27 falsch-positiv. Dem Hersteller zufolge könne der Bluttest, jährlich eingesetzt, die Chancen erhöhen, potenziell gefährliche Tumore frühzeitig zu erkennen und damit die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern.
Experten der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) sehen das anders. Laut Professor Dr. Jutta Hübner, Professorin für Integrative Onkologie an der Universität Jena, erfülle die UKE-Studie grundlegende wissenschaftliche Anforderungen nicht und könne auch nicht zeigen, dass Menschen, die im Krebs-Scan positive Ergebnisse aufwiesen, durch den Test bessere Heilungschancen hätten, als ohne. Sie halte das Konzept für »Scharlatanerie«, sagte sie gegenüber dem »NDR«. Hübner leitet die Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie (PRIO) der DKG. Diese hatte im Juli eine Stellungnahme zu Pantum Detect herausgebracht. Darin heißt es: »Aus Sicht von Experten der Deutschen Krebsgesellschaft ist der EDIM-TKTL1-oder der EDIM-Apo10-Test weder zur Früherkennung oder zur Diagnose von Tumorerkrankungen, noch zur Bestimmung der Prognose, noch als Anhaltspunkt für die Entscheidung für oder gegen eine Therapie geeignet.«
In der Stellungnahme wird auch die Kritik an der UKE-Studie näher ausgeführt. So enthalte sie zum einen keine Interessenkonflikterklärung der Autoren, obwohl es Hinweise gebe, dass die gesamte Studie von der Herstellerfirma finanziert wurde. Einige Autoren hätten eine Bezahlung bereits eingeräumt. Zudem sei die an positive Ergebnisse angeschlossene Bildgebung und welcher Patient welches Verfahren erhalten habe, nicht genau beschrieben.
Der Hauptkritikpunkt sei aber, dass obwohl die Autoren von Tumorboardbesprechungen schreiben, keine einzige Histologie präsentiert werde. »Das heißt, für keinen der 5114 Teilnehmer der Studie und für keinen der 151 positiv getesteten wird der entscheidende Parameter für den Nachweis einer malignen Erkrankung nachgewiesen.« In der Summe berichte die Studie also nicht über einen Nutzen der Untersuchung im Sinne einer Früherkennung und besseren Heilung, sondern zeige allenfalls wissenschaftliche Hinweise auf das Schadenspotenzial durch eine Verunsicherung bei positiven und unklaren Laborbefunden oder bei unklaren Ergebnissen der Bildgebung und die Strahlenbelastung durch die Untersuchungen.
Das Fazit der Stellungnahme: Bei diesem Bluttest handele es sich nach aktuellem Wissensstand um kein validiertes Verfahren der In-vitro-Diagnostik, das prospektiv in einer für das beworbene Einsatzgebiet adäquaten kontrollierten Studie geprüft wurde. Die Krebsgesellschaft könne die Tests nicht empfehlen.