Was hat sich beim Cannabiskonsum verändert? |
| Brigitte M. Gensthaler |
| 11.04.2025 10:30 Uhr |
Der Besitz und Konsum von Cannabis ist seit rund einem Jahr unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Über Cannabis als Genussmittel wird nach wie vor gestritten. / © Getty Images/Mayara Klingner/EyeEm
Zuverlässige Zahlen zum aktuellen Cannabis-Konsumverhalten und den Veränderungen in der Folge des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz, KCanG) liegen noch nicht vor, konstatiert die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS), die das Online-Suchtforum gemeinsam mit der Bayerischen Landesärzte- und der Landesapothekerkammer sowie der Psychotherapeutenkammer am 2. April veranstaltet hat. Gemäß der Polizeilichen Kriminalstatistik 2024, die am gleichen Tag vorgelegt wurde, ist die Rauschgiftkriminalität um 34,2 Prozent zurückgegangen – vor allem wegen der Cannabis-Legalisierung. Bei anderen Drogen, zum Beispiel bei Kokain, seien die Zahlen dagegen zum Teil deutlich gestiegen.
Was sich sagen lässt: Der Cannabiskonsum ist seit 2012 deutlich angestiegen – vor allem bei älteren Erwachsenen. »Im Jahr 2021 waren 65 Prozent der Konsumenten 25 Jahre und älter, 25 Prozent waren 40 bis 59 Jahre alt«, berichtete Dr. Jakob Manthey vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, beim Suchtforum. Parallel zum Anstieg des Konsums hätten seitdem auch konsumnahe Delikte und Konsumprobleme zugenommen; dies sei in fast allen Altersgruppen zu beobachten. Es gebe aber keine Korrelation zwischen Konsumprävalenz und registrierten Delikten.
Die Teillegalisierung hat offenbar keinen großen Schub bewirkt, wie Daten aus der DEBRA-Studie (Deutsche Befragung zum Rauchverhalten) zeigen. »Seit 1. April 2024 ist keine kurzfristige Änderung des Konsums beobachtbar«, so der Experte. Auch in einer Studie mit mehr als 20.000 Personen in Deutschland und Österreich habe sich kein signifikant unterschiedlicher Konsum in den beiden Staaten gezeigt. Deutlich gestiegen, nämlich um 160 Prozent, sei jedoch der Import von Medizinalcannabis.
Wie decken Konsumierende ihren Bedarf? Dies erklärte Dr. Stephani Klosterhalfen, Institut für Allgemeinmedizin, Schwerpunkt Suchtforschung, Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf, anhand von Daten aus der DEBRA-Studie. In dieser Querschnittsstudie werden alle zwei Monate 2000 neue Personen zum Rauchen befragt; aktuell habe man mehr als 100.000 Menschen in mehr als 50 Befragungswellen erreicht. Nach dem Cannabiskonsum werde seit April/Mai 2022, nach Bezugsquellen seit März/April 2024 gefragt.
»4,9 Prozent (477 von 9700 Befragten) gaben Cannabiskonsum an. Davon 44 Prozent besorgten es nach eigenen Angaben von Freunden und Bekannten, 7 Prozent bauten es selbst an. Etwa ein Viertel besorgte es sich nicht, sondern konsumierte nur bei Anderen«, so Klosterhalfen. Die Apotheken hätten in dieser Befragung eine untergeordnete Rolle als Bezugsquelle gespielt.
Seit Inkrafttreten des KCanG gehe der Straßenkonsum zurück und der Eigenanbau nehme zu, resümierte die Forscherin. Anbauvereinigungen profitierten bislang nur wenig. Die wenigsten Konsumenten sind Mitglied in solchen Vereinen.
Dass die allermeisten Konsumenten Cannabis rauchen, bereitet der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) Sorgen. »In Westeuropa rauchen etwa 80 Prozent der Cannabis-Konsumenten den Stoff mit Tabak; viele sehen sich aber nicht als Raucher«, berichtete Christina Rummel von der DHS-Geschäftsführung. Dadurch werde der Einstieg in den Konsum von Tabak/Nikotin befördert und der Ausstieg erschwert; »dies ist bei der Raucherentwöhnung zu beachten«. Die DHS befürchte eine »Re-Etablierung des Rauchens«.
Der Co-Konsum berge vielfältige Gesundheitsrisiken, da Rauchende Cannabis in deutlich höherem Maß schädlich oder abhängig konsumieren, warnte sie. Es gebe Wechselwirkungen zwischen THC und Nikotin und die THC-Bioverfügbarkeit steige an. Auch körperliche Belastungen seien bei Co-Konsum höher, zum Beispiel für den Respirationstrakt und das Herz-Kreislauf-System; zudem steige das Krebsrisiko.
Der Konsum von Tabak und Cannabis erhöhe das Abhängigkeitsrisiko, erschwere die Reduktion beider Stoffe und berge alle Risiken des Tabakkonsums, zitierte Rummel aus dem DKFZ-Factsheet »Cannabis und Rauchen – eine schädliche Verbindung« (2023). Auf das Rauchen sollte vollständig verzichtet werden. E-Zigaretten sind keine Alternative, zumal THC-haltige Liquids in Deutschland verboten sind. »Aber was wird auf dem Schwarzmarkt angeboten?«
Die DHS wirbt für ein tabakfreies Deutschland bis 2040. Ziel sei es, dass weniger als 5 Prozent der Erwachsenen und weniger als 2 Prozent der Jugendlichen Tabakprodukte konsumieren.
Rummel verwies auf eine Broschüre der DHS zum bewussten Umgang mit Cannabis mit zwölf Hinweisen, was Konsumenten beachten müssen. »Das Optimum ist der Nichtkonsum, aber wenn konsumiert wird, geben wir Hinweise, wie dies möglichst risikoarm geschehen kann.« Alternativen sind das Verdampfen oder essbare Produkte. Der Flyer kann bei der DHS in mehreren Sprachen heruntergeladen werden.