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Politik muss handeln

Was folgt den Apothekenprotesten?

Mehr als 3000 Teilnehmende, Unterstützung von der Landespolitik und ein neutrales bis positives Medienecho: Die Organisatoren des norddeutschen Apothekenprotesttags ziehen ein positives Fazit. Fraglich bleibt, ob sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach davon beeindrucken lässt.
PZ
09.11.2023  12:00 Uhr

»Dass wir heute hier in Hannover so zahlreich vertreten waren, zeigt deutlich, dass die Bundesregierung endlich die Apotheken vor Ort finanziell stärken muss«, meint Berend Groeneveld, der als Vorsitzender des Landesapothekerverbands Niedersachsen für die Apothekerschaft gesprochen und durch das Programm geleitet hatte. Er bedankte sich aber nicht nur bei den rund 3000 Teilnehmenden, die zum Teil weite Anfahrten auf sich genommen hatten, sondern auch bei den Daheimgebliebenen, die den Notdienst gewährleistet haben, denn das sei gerade heute kein einfacher Job gewesen.

»Die Stimmung, die auf dem Bahnhofsvorplatz in Hannover herrschte, war phänomenal! Dank der Motivation der Apothekerinnen und Apotheker sowie ihren Teams, ihres Einsatzes und ihrer Kreativität, die sich in den mitgebrachten Plakaten, Bannern und Flaggen zeigte, ist es uns gelungen, dass unser Apothekenprotest und unsere damit verbundenen Forderungen auf ein starkes Medieninteresse gestoßen ist.«

»Sehr viele Apotheken sind am Mittwoch unseren Aufrufen gefolgt und haben sich an dem Protesttag der norddeutschen Apotheken durch Schließung ihrer Offizinen beteiligt«, berichtet Georg Zwenke, Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein und des Hamburger Apothekervereins, gegenüber der PZ. Auch die Apothekenteams aus seinen Kammerbereichen waren bei der Kundgebung in Hannover lautstark vertreten.

»Die Teams der notdiensthabenden Apotheken haben wieder alles gegeben, um die eingeschränkte Versorgung irgendwie aufrecht zu erhalten«, bestätigt auch Zwenke. In Hamburg sollen die Patienten und Kunden teilweise auf der Straße gestanden haben. »Dies ist ein lauer Vorgeschmack dafür, wie eine Arzneimittelversorgung aussieht, wenn das Apothekensterben so weitergeht.«

Medienvertreter und vor allem die Mitbürger hätten erneut großes Verständnis für die protestbedingten Schließungen gezeigt. »Auch sie können diese Gesundheitspolitik der Bundesregierung und namentlich die von Herrn Lauterbach nicht mehr nachvollziehen«, glaubt Zwenke. »Vor allem sind sie erstaunt und schütteln nur noch mit dem Kopf, dass nach unseren Protestaktionen im Juni und September, vor der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein und bereits im Oktober letzten Jahres immer noch nichts passiert ist.« 

Zusagen jetzt in konkrete Hilfen für die Apotheken umsetzen

Besonders gefreut habe Zwenke das Statement des niedersächsischen Gesundheitsministers Andreas Philippi, der sich klar hinter die Apotheken gestellt hat und ebenfalls für eine Honorarerhöhung eintritt. Leider habe er im späteren Fernsehinterview allerdings auf frühere Zeiten guter Umsätze hingewiesen. »Selbstständige Apotheker können sich nichts von Umsätzen kaufen, sondern nur von Gewinnen«, erinnerte Zwenke. Insgesamt sei es wieder ein sehr erfolgreicher Protesttag gewesen, den es nun gelte, in politische Münze umzusetzen.

Doch es war auch am gestrigen Mittwoch nicht nur alles eitel Sonnenschein: »Wieder ärgerlich, unverschämt und vollkommen daneben der volksverdummende Kommentar der Krankenkassen zur Protestaktion beim NDR auf. Kein Wort etwa zu den hohen Vorfinanzierungskosten, die Apotheken letztlich für die Krankenkassen genauso gratis übernehmen müssen wie das kostenlose Einziehen der Zuzahlungen (inklusive Kartenzahlungsgebühr) und des Herstellerrabatts.« Auch umsatzstarke Apotheken, deren hohe Umsätze praktisch nur durch die Abgabepflicht von Hochpreisern entstehen, seien akut bedroht.

»Wenn es dem zuständigen Bundesminister und Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen nicht gelingt, einfachste betriebswirtschaftliche Zusammenhänge in deren versorgungspolitische Entscheidungsfindung einfließen zu lassen, dann haben sie in ihren Ämtern aufgrund horrender Inkompetenz nichts zu suchen und gehören schnellstens abgelöst«, findet Zwenke.

Verstößt die Unterfinanzierung der Apotheken gegen das Grundgesetz?

Der Apotheker und Volljurist erklärt: »Nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz ist die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Am Dienstag habe ich auf der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins auf die öffentliche Aufgabe der Apotheken, wie sie in § 1 Apothekengesetz exklusiv den öffentlichen Apotheken zugewiesen und vorgeschrieben ist, hingewiesen. Das Apothekengesetz gehört zum öffentlichen und nicht zum Privatrecht. Es ist von allen zu beachten. Die unverändert gültige und fast 60 Jahre alte klare Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts, des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.1964, Az. 1 BvL 17/61, 1 BvR 494/60, 12/61, habe ich vorgestellt.«

»Wenn der Bundesgesundheitsminister und gesetzliche Krankenkassen, letztere als Körperschaften öffentlichen Rechts und zur vollziehenden Gewalt gehörend, permanent bereits die Erfüllung der allein den öffentlichen Apotheken zugewiesenen Aufgaben durch bewusste grobe finanzielle Unterdeckung untergraben, dann verstoßen sie zumindest meiner Meinung nach gegen diesen Kernsatz des Grundgesetzes.«

Ob es mit Blick auf den sehr weiten politischen Beurteilungsspielraum der Bundesminister schon für ein eigenständiges Klageverfahren gegen Bundesminister Lauterbach reiche, könne geprüft werden, glaubt Zwenke. »Es ist vor allem aber politisch ein Skandal erster Güte, den wir noch stärker in die Bevölkerung hineintragen sollten – vor allem dort, wo bald Wahlen anstehen.«

»Es kann nicht angehen, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln immer schlechter wird, weil der zuständige Minister Lauterbach seinen Aufgaben nicht nachkommt, diesen offensichtlich auch nicht gewachsen ist, der Bundeskanzler durch Passivität seinerseits nicht für Abhilfe sorgt und gesetzliche Krankenkassen durch Halbwahrheiten die politischen Entscheidungsträger und Versicherte belügen.«

Die Apothekenteams sind am Limit

Das betonte auch Niedersachsens LAV-Vorsitzender Groeneveld noch einmal in einem Fazit gegenüber der PZ: »Der Staat hat uns den Versorgungsauftrag erteilt. Er hat deshalb dafür zu sorgen, dass wir Apothekerinnen und Apotheker davon leben können!« Und dies sei selbstverständlich nicht nur auf die Inhaberinnen und Inhaber, sondern auf alle Angestellten zu beziehen. Doch angemessene Löhne können nur mit einem angemessen Apothekenhonorar gezahlt werden.

»Die breite Öffentlichkeit und die Bevölkerung stehen auf unserer Seite«, ist sich Groeneveld sicher. »Es wird wahrgenommen, dass wir Apothekerinnen und Apotheker zusammen mit unseren Teams am Limit sind und wir die Qualität der Arzneimittelversorgung, so, wie die Patientinnen und Patienten es gewohnt sind, bei diesen untragbaren Rahmenbedingungen nicht mehr aufrechterhalten können. Wir brauchen eine finanzielle Stärkung und deutlich weniger Bürokratie! Wir brauchen eine Anpassung des Apothekenhonorars, eine Dynamisierung und regelmäßige Überprüfung des Honorars und deutlich mehr Handlungsfreiheiten bei der Arzneimittelabgabe!«

Der Protesttag gab ihm und vielen Teilnehmenden einen Hoffnungsschimmer: »Unser SOS-Zeichen findet bei der Politik auf Landesebene schon lange Gehör. Der Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi kritisierte die Pläne Lauterbachs, eine Apotheke ohne Apothekerinnen und Apotheker einführen zu wollen, und sicherte uns Unterstützung zu. Auch Volker Meyer, niedersächsischer Landtagsabgeordneter und Mitglied des Gesundheitsausschusses im niedersächsischen Landtag, war beeindruckt von unserer Protestbereitschaft und steht auf unserer Seite.«

Der Protest geht weiter

Doch braucht die Apothekerschaft einen langen Atem und muss weiter für ihre Sache kämpfen. »Der Protesttag der norddeutschen Apotheken war erfolgreich und ist erst der Anfang. Wir dürfen uns nicht auf diesen Erfolg ausruhen«, so Groeneveld. Jetzt gelte es, die geschaffene positive Aufmerksamkeit zu nutzen und mit der Politik auf allen Ebenen ins Gespräch zu gehen.

»Wir seitens des LAV werden nach dem Protestmonat die Reaktion der Politik sehr genau verfolgen und – wenn es wieder erforderlich ist – mit neuen Protesten auf die Situation der Apotheken vor Ort hinweisen. Wir dürfen nicht aufhören, unsere Kontakte zu nutzen und unseren Schlachtruf des gestrigen Apothekenprotestes weiter an die Politik, Öffentlichkeit und in die Bevölkerung zu tragen: Alle Apotheken stärken. Jetzt!«

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