Was bedeutet das Wahlergebnis für die Apotheken? |
Melanie Höhn |
13.03.2025 15:00 Uhr |
Auf dem Podium diskutierten von links nach rechts: PZ-Chefredakteur Alexander Müller, ABDA-Stabsstellenleiter Politik Ralf Denda, ABDA-Stabsstellenleiter Kommunikation Benjamin Rohrer, die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege des Landes Berlin Ina Czyborra sowie die Moderatorin und Präsidentin der Apothekerkammer Berlin Ina Lucas. / © Sandra Schneider (Spreekind-Fotografie)
Die Auswirkungen der Bundestagswahlergebnisse auf die Apothekenbranche und den Berufsstand wurden gestern in der Diskussionsveranstaltung »Kammer aktiv«, der ersten ihrer Art, in den Räumen der Apothekerkammer Berlin diskutiert. Ina Czyborra, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege des Landes Berlin tauschte sich zusammen mit ABDA-Stabsstellenleiter Politik Ralf Denda, ABDA-Stabsstellenleiter Kommunikation Benjamin Rohrer und PZ-Chefredakteur Alexander Müller über die Chancen und Herausforderungen für Apothekerinnen und Apotheker in der kommenden Legislaturperiode sowie gesundheitspolitische Perspektiven aus. Moderiert wurde die Veranstaltung von Ina Lucas, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin.
Laut Czyborra erfordert die Fragestellung »hohe hellseherische Fähigkeiten«; das Wahlergebnis biete jedoch Chancen. Die Berufsgruppe der Apothekerinnen und Apotheker genieße ein hohes Ansehen in der Bevölkerung und sei eine wichtige Stimme in der Gesellschaft. Derzeit stehe das Gesundheitssystem in Deutschland vor großen Herausforderungen und es gebe strukturelle Probleme in vielen Bereichen. »Wir müssen uns enorm zusammenraufen«, sagte sie.
Wohnortnahe Ansprechpartner, vor allem im ländlichen Raum, seien enorm wichtig. »Wir brauchen sehr mutige und strukturelle Veränderungen und das hat immer mit Geld zutun.« Es gebe nun die Chance, Reformen nicht mehr zu verschleppen, sondern endlich anzugehen. Wichtig sei, dass Apotheken erhalten bleiben und das Personal gut ausgebildet ist. Die wohnortnahe Arzneimittelversorgung sei eine »unverzichtbare Säule« des Gesundheitswesens. »Apotheken sind keine Süßwarenläden, wo man die Ware über den Tresen schiebt«, erklärte sie unter Beifall der Kammermitglieder. »Sie sind die erste Anlaufstelle, bei der ich nicht auf einen Termin warte und mich niedrigschwellig hinwenden kann und kompetent beraten werde«, so die Senatorin.
Zudem forderte Czyborra, dass die Apotheken in der Telemedizin stärker angebunden werden. Des Weiteren müsse stärker über Fort- und Weiterbildung nachgedacht werden. Auch das Thema Prävention werde derzeit im Gesundheitssystem »nicht ordentlich abgebildet«. Zudem sprach sie von regionalen Netzwerken zwischen Apotheken und der Ärzteschaft: »Wir fördern Maßnahmen zur besseren Vernetzung von Apotheken mit anderen Akteuren der Gesundheitsversorgung. In unterversorgten Gebieten prüfen wir Modelle, wie wir die Apothekenstandorte stabilisieren können – zum Beispiel durch gezielte Unterstützung bei der Niederlassung oder durch Kooperationen mit kommunalen Gesundheitszentren.«
Es bereite ihr Sorgen, dass in den vergangenen Jahren auch in Berlin immer mehr Apotheken schließen mussten. »Als Land haben wir zwar begrenzte direkte Steuerungsmöglichkeiten, aber wir setzen uns in den entsprechenden Gremien, wie der Gesundheitsministerkonferenz dafür ein, dass der Bund die Rahmenbedingungen verbessert. Gleichzeitig haben wir unterstützend die Schulgeldfreiheit für Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten (PTA) in Berlin eingeführt.«
Laut ABDA-Kommunikationschef Rohrer gibt es parteiübergreifende Übereinstimmungen, dass die Apotheken den höchstmöglichen Stellenwert in der Versorgung haben. Die Wahl-Initiative der ABDA »Whats’s Apo« habe »deutlich und eindrucksvoll« gezeigt, dass die Abgeordneten des neuen Bundestags starke Apotheken wollen, um die Versorgung der Menschen wohnortnah und kompetent sicherzustellen. »Wir werden die Abgeordneten an ihre eindeutigen Aussagen aus dem Wahlkampf erinnern«, so Rohrer.
Die wichtigste Forderung der ABDA sei die wirtschaftliche Stabilisierung der Apotheken: »10 bis 11 Prozent der Apotheken sind wirtschaftlich so bedroht, dass weitere Schließungen drohen«, sagte der Kommunikationschef. Apotheken seien chronisch unterfinanziert und »unsere Aufgabe ist es, dies deutlich zu kommunizieren«. Zudem glaubt er, dass die Apothekerschaft mehr Verantwortung im Gesundheitswesen übernehmen könne. Auch das Thema Novellierung der Approbationsordnung sei auf der Agenda und es werde sich um eine Wiederaufnahme der Gespräche hinsichtlich dieses Themas beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bemüht.
ABDA-Politikchef Ralf Denda hob hervor, dass alle Parteien vor der Wahl die Apotheken in ihren Wahlprogrammen im Blick hatten. »Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind angekommen«, sagte er. Sowohl von der Union als auch seitens der SPD habe es »sehr positive Aussagen« bezüglich der Apotheken gegeben. Eine Zweierkonstellation der beiden Parteien bedeute für ihn, dass es nun leichter werde, Dinge durchzusetzen. Die mögliche neue Bundesregierung wecke die Hoffnung, »dass wir wieder gemeinsam, im Dialog gute Gesundheitspolitik für die Apotheken machen können«.
Derzeit sei man mit der Politik im Gespräch und habe die Kernforderungen der Apothekerschaft kommuniziert. »Ohne die entsprechende Honorierung fällt es den Apotheken unglaublich schwer, neue Aufgaben zu übernehmen«, so Denda. »Wir müssen auf ein Niveau kommen, das uns handlungsfähig macht«.
PZ-Chefredakteur Müller sprach von einer »diffusen Symptomlage«, was die Einordnung des Wahlergebnisses und dessen Bedeutung für die Apotheken betrifft. Er betonte, dass die Wahlversprechen der Parteien mit Vorsicht zu genießen seien. Essenziell seien nun die Personalien – derzeit stehe noch nicht fest, welche Partei das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bekomme. Müller prophezeite, dass die neue Regierung »unter erheblichem Druck« starten werde und das Thema Gesundheitspolitik nicht zum Randthema werden dürfe. »Es ist fahrlässig, dass das Thema Gesundheitsversorgung so wenig mitgedacht wird und eine untergeordnete Rolle spielt«, so der Journalist. Umso wichtiger sei es, dass die Apothekerschaft mit konkreten Vorschlägen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf die Politik zugeht.