Was Apothekerinnen zum Protesttag sagen |
Brigitte M. Gensthaler |
16.06.2023 11:45 Uhr |
Isolde Meyer, Chefin der Wittelsbacher-Apotheke in München, ist sauer und protestierte in München gemeinsam mit vielen anderen Apothekenteams. / Foto: Wittelsbacher-Apotheke München
Kundgebungen in München, Würzburg, Augsburg und weiteren Städten Bayerns, verschlossene Apothekentüren und mit Plakaten beklebte Schaufenster, geschlossene Apotheken und solche, die die Patienten durch die Notdienstklappe bedienten: Die Kolleginnen und Kollegen in Bayern beteiligten sich mit hoher Solidarität am Protesttag und unterstrichen damit die dringlichen Forderungen des Berufsstands.
»Der Apothekenprotest war absolut wichtig und richtig, denn die aktuelle Situation ist ganz, ganz kritisch«, sagt Isolde Meyer aus München gegenüber der PZ. Die Apothekerin, die seit 40 Jahren die Wittelsbacher-Apotheke in der Münchner Innenstadt leitet, setzt sich mit Herzblut für ihre Patienten ein. Diese wissen es zu schätzen. »Alle Kunden waren verständnisvoll, als wir ihnen die Situation und den Protest erklärt haben«, sagt Meyer. Sie habe die Apotheke geschlossen und sei bei der Demo am Gärtnerplatz mitmarschiert, vor allem um der Forderung nach mehr Honorar Nachdruck zu verleihen.
»Wir haben seit fast 20 Jahren nicht einmal einen Inflationsausgleich bekommen, und mit einem Fixum von 8,25 Euro bleibt nichts für die Apotheke übrig. So können wir nicht weitermachen.« Die Situation sei »ernst und drastisch«. Welche Ergebnisse erwartet Meyer vom Protesttag? »Vermutlich werden wir nochmal streiken müssen, damit sich in der Politik was bewegt.«
Volle Zustimmung zum Protest signalisiert auch Alexandra Enter, Filialleiterin der Stachus-Apotheke am Goetheplatz in München, die mit ihrem Team in Trauerkleidung bei der Kundgebung und vor der geschlossenen Apotheke war. »Ich finde es fantastisch, dass sich die Apotheken so einheitlich am heutigen Protesttag beteiligt haben. Wir müssen endlich deutlich machen, dass wir Wertschätzung und eine angemessene Vergütung verdienen.« Nur dann sei die wohnortnahe und qualitativ hochwertige Versorgung weiterhin gesichert, sagt die Apothekerin, die mit ihrem Team auch viele HIV- und Hepatitis-Patienten in der Münchner Innenstadt betreut.
Das Team der Stachus-Apotheke in Trauerkleidung / Foto: privat
Unter den jetzigen Bedingungen mache die Apotheke »keinen Spaß« mehr. Enter blickt mit Sorgen in die Zukunft. »Wir haben exzellent ausgebildetes Personal und wollen unsere Patienten mit unserem Wissen auch weiterhin bestens betreuen. Dafür muss sich aber dringend etwas ändern!«
Auch in Dachau und im Dachauer Landkreis gab es eine überwältigende Beteiligung am Apothekenprotesttag. In Dachau selbst hätten alle Apotheken bis auf die diensthabende geschlossen, berichtet Kirsten Dahse, Leiterin der Frühlings-Apotheke im Ort, der PZ. »Es tut wirklich gut, sich in der aktuell schwierigen Lage zu solidarisieren; unsere Patienten haben dafür großes Verständnis, denn auch sie spüren die Auswirkungen in allen Bereichen.«
Dass kurzfristig gedachte Sparmaßnahmen viel größere Probleme nach sich ziehen, zeige sich sehr deutlich: in Apotheken, Arztpraxen, Altenheimen, Kliniken und deren Notaufnahmen. Angesichts des demografischen Wandels treffe es alle, wenn Strukturen der grundlegenden flächendeckenden Versorgung zerstört werden, mahnt die Apothekerin. »Für die Zukunft unseres wunderbaren Berufes lohnt es sich, laut und sehr deutlich die berechtigten Forderungen der Apotheken und aller Angestellten zu artikulieren und durchzusetzen. Mehr noch: Jetzt ist die Zeit, sich übergreifend mit den Ärzten und den Pflegeberufen zu solidarisieren.«
Kittel-Protest in Dachau. / Foto: Kirsten Dahse
Als Blickfang stand am Protesttag ein großes Holzkamel vor der verschlossenen Markt-Apotheke im fränkischen Iphofen. Mit Stricken und Plakaten um den Hals: »Abgewürgt von der Bürokratie« steht darauf. Von »Selbstausbeutung« spricht Inhaberin Birgit Rothaug, die seit mehr als 25 Jahren die Markt-Apotheke, die einzige Apotheke im Ort, leitet. Aber wie lange noch, fragt sie sich und ist mit ihrem Team zur Demo nach Würzburg gefahren, um zu protestieren. »Wir hier sind einstimmig der Meinung, dass Bürokratie unser größter Feind ist. Wir sind DIN-EN-ISO zertifiziert, präqualifiziert, auditiert, E-gecheckt, Labor-durchgesehen, BAD-kontrolliert, feuerlöschgeübt, ZL-Ringversuch-geprüft, Testverkauf-bewährt, im Liefervertragsklauselverstehen erprobt und vieles mehr.« Als »Belohnung« für all den Aufwand werde man von den Krankenkassen wegen lächerlicher Formfehler retaxiert, sagt sie erbost.
Protest mit Kamel – gut gehts dem Holztier sichtlich nicht. / Foto: Birgit Rothaug
Apothekerin Rothaug kennt viele ihrer Patienten seit Jahrzehnten. Sie habe ihnen die Misere erklärt. »Die Resonanz unserer Kunden war einstimmig positiv, es haben uns alle unterstützt. Das habe ich so noch nie erlebt, sogar Personal aus Arztpraxen war auf unserer Seite.« Dass die Patienten sie unterstützen, mache ihr und ihrem Team Mut; kleine »Einzelkämpferapotheken« hätten große Aufgaben.
Was wäre, wenn die Markt-Apotheke im historischen Ortskern schließen müsste? »Abgesehen davon, dass es für kleine Städte immer ein großer Verlust ist, wenn ein Geschäft schließt, bedeutet es bei uns den Ausfall der einzigen barrierefrei zugänglichen Apotheke im Umkreis von etwa 10 Kilometern«, erklärt die Apothekenleiterin gegenüber der PZ. Im Interesse ihrer Kunden habe sie »in einem wirklich langwierigen Entwicklungsprozess« eine barrierefreie Zugangsmöglichkeit geschaffen. »Wir sind jetzt ein im wahrsten Sinne des Wortes niederschwellig zugänglicher Ansprechpartner für alle Gesundheitsfragen und für Angehörige ein leicht erreichbarer Anlaufpunkt in der Beratung zur Pflege. Wir sind eben mittendrin. Wenn wir schließen, müssen die Patienten immer fahren.«