Was Apotheken brauchen – und was ihnen droht |
Cornelia Dölger |
12.09.2024 16:20 Uhr |
»Wenn kein Gesetz kommt, haben wir keinen Hebel mehr, mehr Geld zu erzielen«, warnte Hubmann. / Foto: PZ/Dölger
Seinen Bericht über die aktuelle standespolitische Lage leitete Hubmann mit einer traurigen Entwicklung ein. Die Apothekendichte im EU-Durchschnitt sei eher gewachsen, in Deutschland dagegen gesunken und liege inzwischen auf dem niedrigsten Stand seit 1979, nämlich bei 17.571 Apotheken – »ein trauriger Tiefpunkt«, so Hubmann. Allein im ersten Quartal 2024 mussten demnach 142 Apotheken schließen. Der Trend werde anhalten, und zwar wohl mit steigender Dynamik, so seine Prognose.
Auch was die wirtschaftliche Situation der Apotheken angeht, zeichnete Hubmann ein düsteres Bild. Die Apotheken seien inzwischen bei 4,3 Prozent Umsatzrendite angekommen. Das Betriebsergebnis einer durchschnittlichen Apotheke liege bei 99.549 Euro – »inflationskorrigiert » seit 2002, fügte er hinzu. Gemäß den ABDA-Statistiken beträgt das Betriebsergebnis 148.000 Euro (2023) für eine durchschnittliche Apotheke.
2021 schrieben 4 Prozent der Apotheken rote Zahlen, also: »kleiner 0 Euro«, verdeutlichte Hubmann. 2022 verdoppelte sich dieser Anteil demnach auf 8 Prozent, 2023 lag er bereits bei 10 Prozent.
Dass die Apotheken ein großer Kostenfaktor für die Kassen seien, sei falsch. Vielmehr sollten die Kassen auf unnötige Ausgaben in anderen Bereichen verzichten und etwa von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden. Um 12 bis 13 Milliarden Euro könnten die Krankenkassen etwa entlastet werden, wenn das Bürgergeld in die Verantwortung des Bundesarbeitsministeriums geschoben würde.
Großes Thema in Hubmanns Überblick war natürlich die geplante Reform. Der ApoRG-Entwurf stelle die Apothekenstruktur komplett auf den Kopf. Das sei keine »imaginäre Bedrohung«, sondern leider eine reale. »Das müssen wir mit aller Macht bekämpfen«, forderte der DAV-Chef. Eine Blockade in allem sei aber nicht hilfreich. »Wenn kein Gesetz kommt, haben wir keinen Hebel mehr, mehr Geld zu erzielen«, warnte Hubmann. Es gelte, sehr genau abzuwägen.
Kritik übte er an zentralen Inhalten des Entwurfs. Die Umverteilung beim Honorar – Fixum hoch, prozentuale Vergütung runter sowie Nacht- und Notdienstgebühr hoch, dafür Kürzung beim Zufluss für die pharmazeutischen Dienstleistungen – sei ein »trojanisches Pferd« und bringe kein frisches Geld.
Auch der Wegfall des erhöhten Apothekenabschlags von 2 Euro zurück auf 1,77 sei kein Gewinn, da ohnehin geplant; dieser Schritt ist bekanntlich bereits im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verankert, das seit zwei Jahren in Kraft ist. Auch die geplante Verhandlungslösung zum Packungsfixum sei so nicht sinnvoll. Es brauche eine »echte Dynamisierung«. Das Problem: Eine automatische Anpassung lehnten alle Parteien ab.
Auch gegen die geplante PTA-Vertretung sprach Hubmann sich scharf aus. PTA-Berufe seien Assistenzberufe mit häufigem der Beratungsbedarf durch Approbierte. »Apotheken ohne Apotheker ist wie Autofahren ohne Gurt, Politik ohne Politiker, das gibt es in keinem anderen europäischen Land«, so Hubmann.
Telepharmazie im echten Sinn, nämlich Beratung von Patienten zuhause sei in Ordnung, aber nicht so, wie es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorsehe, nämlich als Beaufsichtigung einer PTA durch einen zugeschalteten Approbierten.
Aus dem Plenum kam anschließend die Frage, warum die Forderungen erst jetzt auf dem Tisch lägen. Zudem stelle sich die Frage, wie durchschlagskräftig Maßnahmen wie Postkartenaktionen seien, hieß es kritisch. Die Politik könne eben nicht gezwungen werden, so Hubmann. Anders als die Ärzteschaft hätten die Apothekerinnen und Apotheker kein Druckmittel, sie seien lange keine Leistungsauslöser gewesen, würden zudem packungsbezogen bezahlt und nicht per Budget. Hubmann unterstrich, wie wichtig Geschlossenheit innerhalb der Apothekerschaft sei, um die Forderungen durchzusetzen.
Aktuell sei wichtig, zielgenau argumentieren zu können. So lange der Entwurf nicht auf dem Kabinettstisch liege, sei schlicht nicht bekannt, um welche zentralen Inhalte es am Ende gehe. Das ApoRG könnte am 17. oder 25. September auf die Tagesordnung kommen – ohne Gewähr.
Was Apotheken brauchten, sei eine wirtschaftliche Verbesserung in Höhe von 2,8 Milliarden Euro, dies sei die Konsequenz aus 11 Jahren fehlender Anpassung, schloss Hubmann. Zudem brauche es eine verlässliche Dynamisierung des Fixums, einen einheitlichen Apothekenabgabepreis sowie eine geschützte Preisbindung, mehr Beinfreiheit für Apotheken beim Austausch nicht verfügbarer Arzneimittel und die sofortige Rücknahme des Skonto-Urteils. All das trage zu einer Stabilisierung der flächendeckenden Versorgung bei.