Warum wir der Technik Fehler verzeihen |
16.10.2025 07:00 Uhr |
Wut und Vergebung: Eine Studie hat nun untersucht, warum Apps und digitale Geräte oft eine zweite Chance von uns bekommen. / © Adobe Stock/peopleimages.com
Wenn die Technik versagt, reagieren wir meist mit Ärger. Ein Computer, der im entscheidenden Moment abstürzt, eine App, die uns in den Stau leitet, oder eine Waschmaschine, die mitten im Waschgang stehen bleibt – solche Situationen frustrieren. Eine Studie zweier israelischer Forscherinnen zeigt jedoch, dass Menschen den Maschinen gegenüber ähnliche Vergebungsmechanismen anwenden wie in zwischenmenschlichen Beziehungen. Das wirft neue Perspektiven auf unser Verhältnis zur Technologie. Offenbar greifen emotionale Prozesse nämlich auch dort.
Inbal Holtzman und Professor Galit Nimrod vom Fachbereich Kommunikationswissenschaften der Ben-Gurion-Universität im Negev untersuchten in ihrer in der Fachzeitschrift »Frontiers in Computer Science« veröffentlichten Studie, was Vergebung in der Mensch-Maschine-Interaktion bedeutet. Sie wollten verstehen, warum Menschen Technologien selbst nach einer Fehlfunktion weiternutzen – und welche Rolle Emotionen dabei spielen.
Dafür baten sie 27 junge Erwachsene von ihren technischen Problemen zu berichten. Schnell zeigte sich, dass die Gespräche nicht nur um das Problem an sich kreisten, sondern auch um die zugehörigen Gefühle. Dabei fielen Sätze wie: »Der Computer hat mich betrogen«, »Die App hat mich im Stich gelassen« und »Das Telefon versteht mich nicht«.
Für Vergebung gibt es bekanntlich viele Wege. Die Forschenden beobachteten bei den Teilnehmenden vier Schemata, die Nutzerinnen und Nutzer anwenden, wenn sie mit einer fehlerhaften Technologie konfrontiert sind. Kosten-Nutzen-Rechnung: Überwogen die Vorteile der Technologie die Ärgernisse, nutzten sie die Technik weiter. Schuldige benennen: Einige suchten einen verantwortlichen Menschen für den Schaden – etwa den Programmierer, Ingenieure oder sich selbst. Damit erleichterten sie sich laut der Wissenschaftlerinnen das Vergeben. Kommunikation: Andere Teilnehmende versuchten über Kundendienst oder den Support des Unternehmens mit dem Entwickler in Kontakt zu treten. Akzeptanz: Und viele nahmen das Versagen der Technologie einfach als Teil des modernen Lebens hin.
Wie die Forscherinnen betonen, hängt die Bewertung von Fehlern stark vom technologischen Verständnis des Einzelnen ab. Wer Technikkompetenz besitzt, reagiert gelassener. Vermutlich, weil er die Komplexität der Systeme kenne, heißt es. Skeptisch eingestellte Nutzerinnen und Nutzer hingegen verlieren demzufolge schneller das Vertrauen und sind nicht so nachsichtig mit der Technik.
Holtzman und Galit heben hervor, dass unsere Beziehung zu Maschinen emotional geworden ist und wir sie wie Begleiter behandeln. Daher zeigten wir Wut und Enttäuschung, aber auch Vergebung. Diese Erkenntnis muss den Wissenschaftlerinnen zufolge künftig in die Gestaltung neuer Technologien einfließen. Studien hätten nämlich gezeigt, dass unerfüllte Erwartungen in einer Beziehung den Vergebungsprozess erschweren können, da Ego und Vertrauen beschädigt seien. Und dieses Prinzip gelte ebenso für die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine, heißt es.
Wenn Unternehmen also ihren Mitarbeitenden Frust ersparen wollen, können sie zum Beispiel transparent Fehlermeldungen ausspielen oder Pop-up-Fenster zeigen, über die Computer & Co. den Ärger anerkennen oder sich sogar bei den Nutzerinnen und Nutzern entschuldigen.
In einer zunehmend vernetzten Welt könnte dies den entscheidenden Unterschied machen, meinen die beiden Forscherinnen. Immerhin sei Arbeitgebern nicht damit geholfen, wenn ihre Teams der fehlerhaften Technologie den Rücken kehrten. Sie plädieren daher für Lösungen, die es ermöglichen, Technik trotz ihrer Pannen ohne Groll weiterzunutzen.