Warum sind Blasen- und Darmkrebs bei Männern aggressiver? |
Theo Dingermann |
27.06.2023 07:00 Uhr |
Das Y-Chromosom kann im Verlauf von Zellteilungen spontan verloren gehen. Mit zunehmendem Alter steigt daher die Zahl der Zellen ohne Y-Chromosom bei Männern. / Foto: Getty Images/SciePro
Es ist allgemein bekannt, dass Männer im Vergleich zu Frauen eine insgesamt kürzere Lebenserwartung haben. Lange bekannt ist auch, dass der vielfach beobachtete Verlust des Y-Chromosoms in Blutzellen vor allem bei älteren Männern, der als mosaic Loss of Y Chromosome (mLOY) bezeichnet wird, mit einer kürzeren Lebensspanne korreliert, wohl auch, weil aus dem Chromosomenverlust ein höheres Krebssterblichkeitsrisiko für Männer resultiert.
Nun beschäftigen sich zwei Studien, die aktuell im Journal »Nature« erschienen sind, weitergehend mit dem Thema. Die Autoren dieser beiden Studien konzentrieren sich auf zwei Krebsarten, die bei Männern besonders aggressiv verlaufen können: Kolorektal-Karzinome und Blasenkrebs.
Das Ergebnis der ersten Studie, die von Dr. Hany A. Abdel-Hafiz vom Department of Urology am Cedars–Sinai Medical Center in Los Angeles und Kollegen durchgeführt wurde, kann knapp so zusammengefasst werden, dass der partielle Verlust des gesamten Y-Chromosoms das Risiko für eine besonders aggressive Form von Blasenkrebs erhöht, wohl auch, weil der Chromosomenverlust es einem Blasentumor ermöglichen könnte, sich der Erkennung durch das Immunsystem zu entziehen. Dies zeigen die Forschenden anhand genomischer und transkriptomischer Daten.
Die Forschenden untersuchten die Effekte eines Verlusts des Y-Chromosoms sowohl an authentischen LOY-mutierten Blasenkrebszellen als auch an solchen Zellen, in denen das Y-Chromosom gezielt mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie deletiert wurde. Es zeigte sich, dass Y-positive (Y+) und Y-negative (Y-) Tumore in der Zellkultur ähnliche Wachstumscharakteristika aufwiesen. Wurden die Tumorzellen jedoch in immunkompetente Wirte implantiert, zeigten die Y--Tumore ein aggressiveres Wachstumsverhalten als die Y+-Tumore. Die Y--Tumore wiesen eine etwa zweifach erhöhte Wachstumsrate im Vergleich zu Y+-Tumoren auf.