Warum Selfcare immer wichtiger wird |
Laura Rudolph |
05.09.2025 16:20 Uhr |
Selfcare bezeichnet alle Maßnahmen, die Menschen eigenverantwortlich ergreifen, um ihre körperliche, geistige und emotionale Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern – darunter auch gesunde Ernährung und Sport. / © Adobe Stock/New Africa
Selfcare umfasst alle Maßnahmen, die Menschen eigenverantwortlich ergreifen, um ihre Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern – von der Prävention über die Selbstbehandlung bis hin zur Gesundheitskompetenz. Ihre Bedeutung für die globale Gesundheitsversorgung wächst rasant, etwa weil es zunehmend an Ärzten mangelt und die Inzidenz nicht übertragbarer Krankheiten (Non-communicable Diseases, NCD) weltweit steigt.
Dass Selfcare zukünftig einen noch höheren Stellenwert erhalten werde und das Potenzial habe, weltweit Milliarden an Gesundheitskosten einzusparen, erklärte Greg Perry, Generaldirektor der Global Self-Care Federation (GSCF), in seinem Vortrag beim Jahreskongress des Weltapothekerverbands FIP in Kopenhagen.
Die GSCF vertritt Hersteller und Verbände der Selfcare-Branche und setzt sich für evidenzbasierte Lösungen ein, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und Gesundheitssysteme effizienter zu machen. Seit 1977 pflegt die Organisation Beziehungen zur WHO und ist beratend im UN-Wirtschafts- und Sozialrat tätig. Sie engagiert sich international für politische Rahmenbedingungen, um Selfcare als festen Bestandteil in der Gesundheitsversorgung zu verankern.
Laut dem Experten könne Selfcare aktuell jährlich bis zu 119 Milliarden US-Dollar (102 Milliarden Euro) an den globalen Gesundheitskosten einsparen – und bis zum Jahr 2030 sogar bis zu 179 Milliarden US-Dollar (153 Milliarden Euro). Ärzte würden aktuell durch die Selbstfürsorge der Patienten um 1,8 Milliarden Arbeitsstunden entlastet, künftig könnte es sogar eine Ersparnis von 2,8 Milliarden Stunden sein.
Greg Perry, Generaldirektor der Global Self-Care Federation (GSCF) / © fipcongress
Zudem steige die globale Produktivität von 40,8 auf 72 Milliarden Arbeitstage pro Jahr, und der gesellschaftliche Wohlstand wachse von 1,9 auf 2,8 Billionen US-Dollar, also von 1,6 auf 2,4 Billionen Euro. Ebenso verbessere sich die Lebensqualität, gemessen an »Quality-Adjusted Life Years« (QALYs) – eine in der Gesundheitsökonomie verwendete Kennzahl für die Bewertung von Behandlungen, die die Lebensdauer und die Lebensqualität kombiniert – von 22 auf 39 Millionen Jahre. Diese Zahlen verdeutlichten, dass Selfcare nicht nur ein gesundheitspolitisches, sondern auch ein volkswirtschaftliches Schlüsselthema ist, so Perry.
Nicht übertragbare Krankheiten sind weltweit die häufigste Todesursache. Neben bekannten Präventionsmaßnahmen wie gesunder Ernährung, ausreichend Bewegung und gegebenenfalls Rauchentwöhnung spielten Selfcare-Tools eine entscheidende Rolle, so Perry, darunter etwa die Blutzuckermessung und der verantwortungsvolle Einsatz rezeptfreier Arzneimittel. Die aktuelle UN-Deklaration zu NCD fordere die Integration von Selfcare in nationale Gesundheitspläne – ein Ziel, das die GSCF aktiv unterstütze.
Selfcare sei direkt anwendbar auf alle prioritären Bereiche der NCD-Deklaration: von Tabakentwöhnung über Adipositasprävention und Mundgesundheit bis hin zu digitaler Gesundheitskompetenz und dem Zugang zu essenziellen Arzneimitteln.
Die Zusammenarbeit zwischen der GSCF und dem Weltapothekerverband hat eine lange Tradition: Bereits 1998 wurde eine gemeinsame Erklärung zur Rolle der Apotheke im Bereich der Selbstmedikation veröffentlicht. In den letzten Jahren folgten weitere Initiativen. Die FIP hat zudem ein globales Programm ins Leben gerufen, das sich gezielt mit Selfcare beschäftigt und mit dem FIP-Entwicklungsziel 18 (Zugang zu Arzneimitteln, Geräten und Dienstleistungen) verknüpft ist.
Damit Selfcare ihr volles Potenzial entfalten kann, brauche es gezielte Investitionen: in digitale Tools, Bildung und gerechte Zugangsstrukturen, erklärte der Referent. Auch Apotheker spielten eine entscheidende Rolle als niedrigschwellige Ansprechpartner, Vermittler evidenzbasierter Informationen und als Brückenbauer zwischen Industrie, Politik und Patient.
Der Weltapothekerverband hat eine aktualisierte Grundsatzerklärung vorgestellt, die Apotheker dazu aufruft, den Menschen konsequent in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen. Die Erklärung ersetzt das ursprüngliche Dokument von 1998 zur pharmazeutischen Betreuung. Der Fokus liegt auf Prävention, rationalem Arzneimitteleinsatz und der Rolle der Apotheker im gesamten Medikationsprozess.
»Apothekerinnen und Apotheker übernehmen heute eine zunehmend komplexe und wichtige Rolle in der Primärversorgung«, sagte Sherif Guorgui, Präsident der FIP-Sektion für öffentliche Apotheken und Co-Vorsitzender des Policy-Komitees. »In vielen Ländern stehen sie an vorderster Front bei der Behandlung chronischer Erkrankungen, der Einschätzung und Verschreibung bei geringfügigen Beschwerden, der Durchführung von Impfungen, der Anwendung von Point-of-Care-Tests und dem Einsatz digitaler Werkzeuge zur Verbesserung der Patientenversorgung. Diese erweiterten Aufgabenbereiche und verbesserten Dienstleistungen haben nachweislich die Gesundheitsergebnisse verbessert und die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme erhöht.«
Die Erklärung richtet sich an Regierungen, Berufsorganisationen, Bildungseinrichtungen und Apotheker selbst. Sie betont, wie wichtig Empathie, eine gemeinsame Entscheidungsfindung, individuelle Therapiepläne sowie Datenschutz und interprofessionelle Zusammenarbeit seien.
»Die FIP ruft Regierungen, Gesundheitspartner und die globale Apothekengemeinschaft dazu auf, diesen Ansatz zu übernehmen und umzusetzen, damit Apothekerinnen und Apotheker in allen Versorgungsbereichen ihre Gemeinschaften besser unterstützen und die Gesundheitsergebnisse für alle verbessern können«, sagte Robert Moss, FIP-Vizepräsident und Co-Vorsitzender des Policy-Komitees.