Warum positives Denken nicht immer hilfreich ist |
#GoodVibesOnly – ein beliebter Hashtag in den sozialen Medien, doch kein guter Rat. Auch negative Gefühle sollte ihren Platz im Leben haben. / Foto: Adobe Stock/Stock Vector One
«Sieh es positiv», «Konzentriere dich auf die guten Seiten», «Du musst da optimistisch rangehen»: Solche Ratschläge hatjeder wahrscheinlich schon unzählige Male gehört. Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, ist vermutlich auch schon über den Hashtag #goodvibesonly gestolpert. Er bedeutet «Nur gute Laune» beziehungsweise «Nur gute Gefühle». Für dieses überzeichnete positive Denken gibt es auch einen Begriff: Toxic Positivity. Das ist Englisch und heißt so viel wie schädliche oder giftige Positivität oder Optimismus.
Gute Gefühle gibt es viele, sagt Dorothee Salchow. Sie ist Coach in Hamburg und Dozentin der Gesellschaft für Positive Psychologie.« Über positive Emotionen und den Umgang mit ihnen haben die meisten ein gutes Wissen», erklärt sie. Die negativen Gefühle kommen dabei oft zu kurz. «Es ist aber wichtig, die ganze Bandbreite an Gefühlen zuzulassen», sagt die Expertin.
Salchow nutzt gern ein Bild, um das zu verdeutlichen: «Wenn man die negativen Gefühle unterdrückt, gehen sie in den Keller und machen dort Krafttraining. Irgendwann kommen sie stärker zurück.» Ein anderer sehr anschaulicher Vergleich: Unterdrückte negative Gefühle sind wie ein Ball, den man unter Wasser drückt – irgendwann kommen sie mit Wucht an die Oberfläche.
Wer weiter versucht, die negativen Gefühle zu unterdrücken, läuft Gefahr, dass daraus ein Teufelskreis entsteht, in dem sie immer stärker werden. Ähnlich sieht es Professor Dr. Astrid Schütz. Sie leitet den Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg. Fachleute sprechen im Zusammenhang mit Toxic Positivity auch vom Rebound- oder White-Bear-Effect. «Wenn man jemandem sagt, denk nicht an einen rosa Elefanten, wird er oder sie an nichts anderes mehr denken», erklärt sie. «So ist es auch mit den negativen Emotionen.» Hinzu kommt: Das ständige Unterdrücken bedeutet auch ständigen Stress. «Man steht kognitiv total unter Strom. Im Extremfall kann man sich so in ein Burn-out manövrieren.»