»Warum nicht HPV-Impfung auch in der Apotheke?« |
Alexandra Amanatidou |
05.06.2025 16:10 Uhr |
Die Podiumsdiskussion des Forums zu Frauengesundheit by Hologic. / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Aus dem Fenster ist die Spree und der mal bewölkte, mal klare Himmel Berlins zu sehen. An diesem Juninachmittag findet das Forum zu Frauengesundheitsstrategien in der D-A-CH-Region, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, statt. »Impulse, Innovation, Initiative« so lautet das Motto der vom Hersteller medizinischer Geräte Hologic organisierten Veranstaltung.
Die Mehrheit im Publikum sind Frauen. Es sind auch einige Männer anwesend, aber die Mehrheit sind Frauen. Ist Frauengesundheit also nur ein Frauenthema? Eigentlich nicht, denn wie im Laufe der Veranstaltung deutlich wird, hat Frauengesundheit auch wirtschaftliche Auswirkungen.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Gesundheitsministeriums, Georg Kippels (CDU), richtete ein kurzes Grußwort an die Veranstaltung, das von der Moderatorin Sybille Seitz vorgetragen wurde. Zu den Zielen der 21. Legislaturperiode gehört auch, »die geschlechterspezifische Gesundheit zu verbessern«.
»Warum nicht HPV-Impfung auch in der Apotheke?«, erwiderte Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik der Universitätsklinik der TU München und ehemalige CSU-Politikerin, auf die Frage, was Apotheken bei der Gesundheitsversorgung von Frauen leisten könnten. »Es ist einfacher, als ein Termin beim Facharzt«.
»Apotheken können ein Ort sein, an den sich Frauen wenden können«, so die Soziologin Sylvia Gaiswinkler, die in der Abteilung Gesundheit, Gesellschaft und Chancengerechtigkeit des Instituts für Public Health der »Gesundheit Österreich GmbH« (GÖG) arbeitet. Apotheken könnten beispielsweise Beratung und Informationen zum Thema Verhütung anbieten.
Auch Christiane Bigler, vom Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern, meinte, dass in Gesprächen mit Stakeholdern darauf aufmerksam gemacht wird, welche Rolle Apotheken bei der Frauengesundheit spielen können.
Das Thema Frauengesundheit sei mittlerweile präsenter in der Gesellschaft. Es werde zumindest im Koalitionsvertrag erwähnt, so Kiechle. »Wenn ich mit Endometriose vor zehn Jahren gekommen wäre, hätte mir niemand zugehört. Jetzt aber ändert sich etwas, es wird zugehört«, sagte die Medizinerin.
Obwohl das Thema auch medial immer wieder aufgegriffen wird, hat der österreichische Menstruationsbericht 2024 gezeigt, dass 31 Prozent der Frauen, noch nie etwas über Endometriose gehört haben.
Die Stadt Freiburg in der Schweiz hat einen bezahlten Menstruationsurlaub für Mitarbeiterinnen eingeführt, ähnlich wie in Spanien. Auch die Stadt Zürich hat ein Pilotprojekt gestartet, dennoch wird dieser laut einer Umfrage der Stadt Zürich von 61 Prozent der Befragten nicht in Anspruch genommen. Menstruationsschmerzen seien in der Schweiz immer noch auf der Arbeit stigmatisiert, so Bigler. »Jede siebte Frau hat Diskriminierung im Arbeitsalltag zu diesem Thema erfahren«, sagte sie mit Blick auf die Umfrage.
Ob ein Menstruationsurlaub auch in Deutschland eingeführt werden könnte? Laut Kiechle werden sich Frauen nicht trauen, solche Tage zu nehmen, solange es respektlose Bemerkungen wie »Stell dich nicht so an« oder »Hast du deine Tage?« gibt. Es fängt bei der Erziehung und bei den Eltern an, sagte Kiechle. Auch Jungs sollten unterrichtet und sensibilisiert werden, so die Medizinerin.
Unterrichtet werden soll aber nicht nur in den Schulen, sondern auch an den Universitäten. In der Schweiz wurde »Gender Health«, also »Gendermedizin« oder »geschlechtsspezifische Gesundheit«, in Studiengängen der Medizin und Pflege eingeführt.
Um Ungleichheiten im Gesundheitswesen zwischen Frauen und Männern entgegenzuwirken, sollten mehr Frauen in Entscheidungsgremien sitzen, die die Probleme der verschiedenen Lebensphasen kennen. »14-jährige Mädchen haben andere Bedürfnisse als Frauen in der Menopause«, so Gaiswinkler. Denn die Menopause sei mit verschiedenen Gesundheitsrisiken verbunden und ein Drittel der Frauen habe extreme Beschwerden. »Frauen bekommen mit 50 die Menopause. Das ist auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, weil sie sich dann mitten im Arbeitsleben befinden«, argumentierte Kiechle.
Kiechle führt aus, dass viele Entscheidungen auch anhand der Kosten getroffen werden. Als Beispiel nennt sie die Brustkrebsvorsorge: »Frauen zwischen 50 und 75 haben das höchste Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, aber es gibt auch andere Faktoren, auf die gar nicht geschaut wird.«
Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik der Universitätsklinik der TU München und ehemalige CSU-Politikerin bei dem Forum Frauengesundheit. / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch die Besonderheiten der Frauengesundheitspolitik in den drei Ländern präsentiert. So gibt es beispielsweise in Österreich ein Frauenministerium. Im Jahr 2015 startete das Land mit dem Aktionsplan Frauengesundheit einen umfassenden Prozess zur Verbesserung der Gesundheit von Frauen. Dieser Aktionsplan, der in Zusammenarbeit mit interdisziplinären Expertinnen und Experten entwickelt wurde, zielt darauf ab, Gesundheitsrisiken bei Frauen zu reduzieren und die Ziele der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Frauengesundheit zu erreichen.
Laurence Fehlmann Rielle, Politikerin und Mitglied des Schweizer Nationalrats, wurde aus der Schweiz zu der Veranstaltung zugeschaltet. Sie sprach auf Deutsch über die Ungleichheiten, die Frauen im Gesundheitsbereich erleben. Das Geschlecht sei eine soziale Determinante der Gesundheit, sagte sie. In der Schweiz dauere die Diagnostizierung von Endometriose zwischen sechs und neun Jahren, während Frauen mit Brustschmerzen seltener und später behandelt würden. »Gender Health und Medicine sollen global als integraler Bestandteil des Gesundheitssystems verstanden werden«, forderte Fehlmann Rielle.
Moderatorin Sybille Seitz stellt die Politikerin und Mitglied des Schweizer Nationalrats Laurence Fehlmann Rielle vor. / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Kiechle stellte die Entwicklungen im Bereich Brustkrebs in Deutschland vor. »Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Europa«, sagte die Direktorin der Frauenklinik des Universitätsklinikums der TU München. Sie erklärte, dass ein Früherkennungsmammographie-Screening die Prognose verbessere. Dabei stellte Kiechle die Frage, wie die Politik die Effizienz der Screenings, aber auch die Teilnahme der Frauen daran steigern kann. Sie thematisierte auch Gebärmutterhalskrebs und das Ziel der WHO, diesen zu eliminieren, sowie Endometriose und die Menopause.