Warum lügen Kinder? |
Jennifer Evans |
07.01.2025 14:00 Uhr |
Kleine Schwindelkünstler: Mitverantwortlich für das Verhalten der Kinder ist laut einer Studie das Elternhaus und der Erziehungsstil. / © Adobe Stock/Denis
Um zu lügen, müssen Kinder drei Dinge tun. Erstens müssen sie über genügend Selbstbeherrschung verfügen, um ihre innere Neigung zu überwinden, nicht doch lieber die Wahrheit zu sagen. In der Psychologie nennt man dies kognitive Hemmung, wie Gadda Salhab von der Universität Portsmouth vor einiger Zeit in einem Beitrag auf der Wissenschaftsplattform »The Conversation« schrieb. Zweitens müssen die Kleinen auf ihr Kurzzeitgedächtnis zugreifen und dabei gleichzeitig alternative Szenarien entwerfen. Und drittens muss es ihnen gelingen, zwischen wahr und falsch hin und her zu wechseln, was als kognitive Flexibilität bezeichnet wird.
Salhab, die zu Befragungsstrategien forscht, mit denen es Ermittlern besser gelingt, die Ehrlichkeit von Kinderzeugen zu fördern, hat schon viele (Not-)Lügen beobachtet. Sie weist darauf hin, dass Kinder eher darauf zurückgreifen, wenn sie über hohe emotionale Kompetenz verfügen. Wenn sie also die Ursachen und Folgen von Gefühlen in Bezug auf sich selbst und andere verstanden haben.
Generell entwickelt sich das Flunkern etwa im Alter von zwei Jahren. Die ersten Lügen sind demnach nur ein paar Worte lang. Mit der Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten werden die Täuschungen aber immer komplexer. Und zwar umfassen die Schummeleien der Kleinen dann nicht mehr bloß Worte, sondern sie können die erfundenen Geschichten auch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten.
Gesellschaftlich gelte das Verhalten zwar als problematisch, sei aber auch ein Zeichen für eine gesunde Gehirnentwicklung bei Kindern, berichtete Salhab. Die Forschung zeige, dass Heranwachsende oft erst die Grenzen eines neuen Konzepts austesten müssten, bevor sie es verstehen würden.
Insbesondere bei Notlügen hat auch der Erziehungsstil der Eltern Einfluss. Kinder, die mit ihrer Lüge die Gefühle anderer schützen wollen, hätten meist fürsorgliche, verständnisvolle und unterstützende Eltern. Wer in einem strafenden Umfeld aufwache, bleibe langfristig bei der Lüge, womöglich aus Selbstschutz, heißt es.
Das Gute: Erwachsene können eingreifen, indem sie mit gutem Beispiel vorangehen. Denn Kinder achten nicht nur auf Worte, sondern auch auf Taten. Beobachtet ein Kind nämlich die Folgen, die einer anderen Person beim Lügen widerfahren, sagen sie laut der Forscherin mit größerer Wahrscheinlichkeit die Wahrheit. Dasselbe gilt für Situationen, in denen Gleichaltrige eine Belohnung erhalten, wenn sie ihr Fehlverhalten zugeben. Das animiere die Kleinen dazu, in Zukunft ehrlich zu sein.
Eine Studie von Ökonomen aus Würzburg, Bonn und Oxford hat vor Kurzem ebenfalls gezeigt, dass ein vertrauens- und verständnisvoller Erziehungsstil in Zusammenhang mit Ehrlichkeit stehen. Zudem zeigte das Autorenteam, dass Kinder aus Haushalten mit hohem sozioökonomischem Status tendenziell ehrlicher sind als jene, die unter eher schwierigen Bedingungen in sozial schwachen oder bildungsfernen Familien aufwachsen.