| Caroline Wendt |
| 20.11.2025 12:00 Uhr |
Ein kleiner Ausweis mit großer Wirkung: Die Entscheidung zur Organspende sollte dokumentiert sein. / © Adobe Stock/Alexander Raths
»Die Organisation der Organspende ist in Deutschland strikt dreigeteilt«, erklärte Dr. Ana Paula Barreiros, Geschäftsführende Ärztin der Region Mitte der Deutschen Stiftung Organtransplantation, die für die Koordination verantwortlich ist. Die Transplantationszentren übernehmen hingegen die Wartelistenführung, die Organentnahme und die Transplantation. »Die Stiftung Eurotransplant ist separat für die Vermittlung zuständig«, so die Ärztin. Damit soll sichergestellt werden, dass ein gespendetes Organ immer den bestmöglichen Empfänger erhält.
Doch die Wartezeiten für ein Organ sind in Deutschland nach wie vor lang, berichtet Barreiros. Auf ein Herz oder eine Lunge wartet man durchschnittlich sechs bis zwölf Monate, auf eine Leber etwa zwei Jahre und auf eine Niere sogar bis zu zehn Jahre. »Wir haben einen deutlichen Organmangel«, betonte die Ärztin. Im Jahr 2024 gab es 2.855 gespendete Organe, während 8.400 Patienten auf der Warteliste standen.
Viele Menschen fürchten, dass sie als Spender direkt vom Unfallort zur Organentnahme kämen und das »nicht genug für die getan würde«. Doch genau das Gegenteil sei der Fall. »Kein Land ist so durchreglementiert wie Deutschland«, betonte Barreiros. Potenzielle Spender befinden sich immer auf der Intensivstation, und eine Spende ist nur möglich, wenn die Gesamtfunktion von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm irreversibel erloschen ist. Dies muss durch zwei voneinander unabhängige Fachärzte (Neurologe oder Neurochirurg) ohne Verbindung zur Transplantation und mit mehrjähriger Erfahrung in Intensivmedizin festgestellt werden.
In anderen Ländern ist die Regelung zum Teil anders. Im Vereinigten Königreich (UK) genügt es beispielsweise, wenn allein der Hirnstamm keine Aktivität mehr zeigt. Zudem kommen dort auch Spender infrage, die durch einen Kreislaufstillstand verstorben sind.
In Deutschland gilt derzeit die sogenannte Entscheidungslösung – das heißt, man muss sich aktiv für oder gegen eine Organspende entscheiden. Barreiros appellierte: »Ein Organspendeausweis, in dem ein Ja oder Nein dokumentiert ist, verhindert, dass die Angehörigen diese schwierige Entscheidung treffen müssen.« Andernfalls fällt es Ehepartnern, eingetragenen Lebenspartnern, volljährigen Kindern oder Eltern zu, diesen außerordentlich schweren Entschluss zu fassen.
Patienten mit HIV-Infektion, stark eingeschränkter Organfunktion oder aktiver Krebserkrankung kommen als Spender nicht infrage“, informierte die Medizinerin. Kein Ausschlusskriterium ist hingegen ein hohes Lebensalter: »Die älteste Spenderin Hessens war 96 Jahre«, betonte Barreiros.
Für viele Patienten und Angehörige ist es zudem extrem wichtig zu wissen, dass die Entnahme der Organe nach allen Regeln der medizinischen Kunst erfolgt – unter Fortführung der Intensivmedizin, steril und würdevoll.
Die Daten des Spenders – wie Gewebeeigenschaften, Blutgruppe oder mögliche Infektionen – werden bereits vor der Entnahme an Eurotransplant übermittelt, um den bestmöglichen Empfänger zu ermitteln. Neben Dringlichkeit, Alter, Blutgruppe, Gewebeeigenschaften, Ischämiezeit und Wartezeit spielen auch Größe und Gewicht eine Rolle, informierte die Ärztin.
Ist eine Transplantation geglückt, ist die Einnahme von Immunsuppressiva unabdingbar. Zentrale Bedeutung haben dabei Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus oder Cyclosporin A. »Zu Beginn kombinieren wir verschiedene Immunsuppressiva, um eine optimale Wirkung zu erzielen«, erklärte die Ärztin. Die Therapie ist immer eine Einzelfallentscheidung und wird auf den Gesamtzustand des Patienten abgestimmt. »Das erste Jahr ist immer das kritischste Jahr«, so Barreiros. In vielen Fällen beginne dann bereits eine Autoimmunität und die Medikation könne gesenkt werden. »Bei Lebertranplantierten können wir mitunter nach einem Jahr bereits einen Calcineurin-Inhibitoren in Monotherpie geben«, hob die Medizinerin hervor. Bei Herz- oder Nierentransplantation sei das hingegen undenkbar.
Neben einer zu befürchtenden Organabstoßung seien Neuro- oder Nephrotoxizität, eine erhöhte Infektanfälligkeit sowie metabolische Komplikationen mögliche Probleme. »Hirsutismus und Gingivahyperplasie treten seltener auf«, ergänzte Barreiros.
Unter einer immunsuppressiven Therapie haben Transplantierte ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko. Zehn Jahre nach der Transplantation ist die Häufigkeit bestimmter Tumoren deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Dazu zählen unter anderem Veränderungen des Knochenmarks sowie Tumoren des Darms, der Prostata, der Haut und des gynäkologischen Bereichs. »Darüber müssen wir die Patienten unbedingt aufklären«, betonte die Expertin.