Warum Alzheimer bei Frauen häufiger ist |
Eine große Rolle spielen bei Frauen die Hormone beziehungsweise deren starke Veränderung in und nach den Wechseljahren. / © Getty Images/Alican Lazutti
Die höhere Lebenserwartung von Frauen – wie meist vermutet – sei es nicht, so die AFI gleich vorab. Lange Zeit galt das als Grund, warum sie häufiger erkranken als Männer. Inzwischen wisse man jedoch: Die Erkrankungswahrscheinlichkeit hängt nicht mit der jeweiligen Lebenserwartung zusammen. Heute stehen andere Gründe im Fokus.
Wie so oft spielt der weibliche Hormonhaushalt auch beim Alzheimer-Risiko eine Rolle. Im Fokus: Estradiol, ein Hormon aus der Gruppe der Östrogene, dessen Spiegel vor, während und nach Menopause sinkt. Studien deuteten darauf hin, dass dieser Vorgang das Alzheimer-Risiko erhöhen könne, so die AFI.
Das erkläre auch einen möglichen schützenden Effekt durch eine Hormonersatztherapie. Studien hätten gezeigt, dass eine Therapie mit Estradiol-Präparaten gegen Wechseljahresbeschwerden einen Alzheimer-vorbeugenden Effekt haben kann. Frauen, die Hormonersatzpräparate genommen hatten, zeigten weniger Tau-Fibrillen im Gehirn auf – jene Ablagerungen, die mit der Entstehung von Alzheimer in Verbindung stehen.
Von Bedeutung ist dabei jedoch der Einnahmezeitpunkt der Hormonpräparate. Denn der Schutzeffekt trete nur bei Frauen auf, die früh – während des Übergangs in die Menopause oder in der frühen Postmenopause – mit der Hormoneinnahme beginnen. Eine klare Handlungsempfehlung ergibt sich daraus aus Sicht der AFI dennoch nicht, denn mögliche Zusammenhänge mit anderen Risiken durch die Hormonersatztherapie – zum Beispiel Brustkrebs bei gleichzeitiger Einnahme von Gestagenen – müssten erst weiter erforscht werden.
Auch typische Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen eine wichtige Rolle hinsichtlich des Alzheimer-Risikos. Frauen haben nach der Menopause ein erhöhtes Risiko dafür, wie die AFI erklärt. Wieder sei der Östrogenmangel ursächlich, durch den Gefäße schneller verkalken und sich die Cholesterin- und Blutdruckwerte verschlechtern können. Das erhöhe auch bei Frauen die Risiken für Herzinfarkt oder Schlaganfall – und damit auch für Alzheimer. Die AFI empfiehlt Frauen mittleren Alters daher dringend, Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch gesunde Ernährung, Bewegung und Gesundheitschecks vorzubeugen. Das beuge auch Alzheimer vor.
Generell sieht die AFI jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede rund um die Alzheimer-Erkrankung noch nicht ausreichend erforscht. Beispielsweise, welche Rolle die weiblichen Hormone und genetische Faktoren beim Abbau der Nervenzellen spielen. Diagnoseverfahren orientierten sich meist noch an typischen Männer-Symptomen. Alzheimer würde bei Frauen daher möglicherweise falsch oder erst später diagnostiziert.
Auch wenn es bei klinischen Studien zu neuen Medikamenten inzwischen eine gewisse Gleichberechtigung gebe, würden die Daten häufig nicht getrennt ausgewertet. Ob sich Wirksamkeit oder Nebenwirkungen bei den Geschlechtern unterscheiden, könne man so nicht feststellen. Als Beispiel nennt die AFI Leqembi™ (Wirkstoff Lecanemab), ein neues Alzheimer-Medikament, das möglicherweise bald in Deutschland zugelassen wird. Studien legten nahe, dass der Antikörper bei Frauen weniger wirksam ist als bei Männern – das werde jedoch nicht weiter erforscht und spiele in der Zulassungsdiskussion keine Rolle.