Pharmazeutische Zeitung online
EPSCO-Rat

Warken will entschlossenes Handeln für »Critical Medicines Act«

Die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union kamen am Freitag in Luxemburg im Rat für Beschäftigung, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) zusammen – darunter auch Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU).
Alexandra Amanatidou
23.06.2025  15:30 Uhr

Im Rahmen des Ratstreffens der Gesundheitsminister der EU-Mitgliedsstaaten wurde unter anderem über die Resilienz Europas bei der Arzneimittelversorgung sowie über die Verbesserung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaindustrie in Europa diskutiert. Beim Treffen ging es darum, die kritische Arzneimittelversorgung in diesen Krisenzeiten zu gewährleisten, die Bedingungen und finanziellen Anreize für die EU-Pharmaindustrie zu verbessern und die Zusammenarbeit auf internationaler sowie auf EU-Ebene zu erhöhen. Zentrale Themen waren der »Critical Medicines Act« (CMA), das EU-Pharmapaket und die Kommunalabwasserrichtlinie (KARL).

Die Ministerinnen und Minister identifizierten die Teile des CMA, die ihrer Ansicht nach besonders wirksam zur Sicherung der Versorgung mit kritischen Arzneimitteln in der EU beitragen, sowie mögliche Verbesserungsbereiche. Sie legten außerdem die Prioritäten und Bedenken ihrer Mitgliedstaaten in Bezug auf die vorgeschlagene Verordnung dar.

Die Gesundheitsminister äußerten sich insgesamt positiv zum CMA. Viele stimmten darin überein, dass Arzneimittelengpässe, insbesondere im Kontext des umfassenderen Sicherheitsrahmens, angegangen werden müssen. Zu den hervorgehobenen Elementen gehörten die Einführung strategischer Projekte und die gemeinsame Beschaffung kritischer Arzneimittel und Medikamente von gemeinsamem Interesse. Einige Mitgliedstaaten betonten die Notwendigkeit einer weiteren Analyse der Notfallbestände im Vorschlag, während andere Zweifel an der Finanzierung der neuen Maßnahmen äußerten und viele eine Finanzierung auf EU-Ebene forderten. Zu den weiteren angesprochenen Faktoren zählten die Notwendigkeit einer Feinabstimmung der Kriterien für die öffentliche Auftragsvergabe sowie die Notwendigkeit, dass die Maßnahmen verhältnismäßig sein müssten, ohne in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten einzugreifen.

Warken: EU braucht kohärentes und entschlossenes Handeln

Nina Warken äußerte sich positiv zum CMA, hatte aber auch einige kritische Anmerkungen. Die Europäische Kommission hatte diesen im März vorgelegt. »Die EU-Mitgliedstaaten kümmern sich gleich dreifach darum, die Arzneimittel-Versorgung der Bevölkerung sicherer zu machen«, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) im Nachgang des Treffens. »Mit dem Pharmapaket und dem Critical Medicines Act werden wir dafür sorgen, dass Innovationen schneller auf den europäischen Markt kommen und die Herstellung von Arzneimitteln nach Europa geholt wird. Und dann wird die Kommunal-Abwasserrichtlinie besprochen«, so Warken. Bei allen drei Initiativen gehe es darum, Europa unabhängiger und resilienter zu machen. Denn die Patientinnen und Patienten in Europa müssten sich auch in Krisenzeiten darauf verlassen können, schnell und gut mit Arzneimitteln versorgt zu werden.

»Wir brauchen ein kohärentes und entschlossenes Handeln in der EU auch beim Thema der Versorgungssicherheit mit kritischen Arzneimitteln«, sagte Warken. Der vorgelegte Vorschlag des CMA schaffe eine gute Grundlage, um die Ursachen für Schwachstellen in den Lieferketten zu identifizieren und perspektivisch Zugangsprobleme für neue Arzneimittel zu überwinden.

Europa brauche Anreize für die Produktion kritischer Arzneimittel und ihrer Wirkstoffe. Die Verbesserung des Zugangs zu neuen Arzneimitteln sei ein wichtiges politisches Ziel. Die Bestimmungen zur kollaborativen Beschaffung könnten dabei helfen, »solange es auf freiwilliger Basis geschieht, wie es der Vorschlag vorsieht«, so Warken.

»Strategische Bedeutung des Sektors nicht angemessen berücksichtigt«

Gesundheitsministerin Warken hatte jedoch auch einige kritische Anmerkungen zum CMA. »Ich bedauere, dass der Vorschlag die strategische Bedeutung des Sektors kritischer – meist generischer Arzneimittel – nicht angemessen berücksichtigt«, sagte die CDU-Politikerin. »Der Anwendungsbereich der Arzneimittel von gemeinsamem Interesse sollte stärker auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten zugeschnitten sein und konkretisiert werden«, fügte sie hinzu. Für die rechtssichere Umsetzung des CMA sieht sie Präzisierungsbedarf.

Es sei wichtig, dass keine zusätzliche Bürokratie entstehe. »Daher sehe ich insbesondere die Etablierung von gleich drei verschiedenen, kollaborativen Beschaffungsverfahren kritisch«, so Warken. Auch Doppelstrukturen auf EU-Ebene bei der Bevorratung von kritischen Arzneimitteln sollten laut Warken vermieden werden. Sie plädierte stattdessen für gemeinsame Grundsätze für die Bevorratung. 

»Die Zeit drängt, deshalb müssen wir unsere Diskussion über den Vorschlag fortsetzen und beschleunigen.«
Nina Warken, Gesundheitsministerin (CDU)

Warken fügte hinzu, dass auch die Versorgung und die Wettbewerbsfähigkeit von Medizinprodukten im Blick behalten werden müssten. Hinsichtlich der Finanzierung sei es wichtig, dass diese aus den bestehenden Mittelansätzen des laufenden mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027 erfolgt.

Insbesondere die kleinen Mitgliedstaaten haben explizit darauf hingewiesen, dass bei der Arzneimittelversorgung die gesamte EU im Blick behalten werden muss, da sie meist stärker von Engpässen betroffen sind. »Wir brauchen einen Rahmen, der für alle da ist«, sagte der maltesische Gesundheitsminister Jo Etienne Abela. 

Die österreichische Gesundheitsministerin Korinna Schumann (Sozialdemokratische Partei Österreichs) plädierte für den Erhalt beziehungsweise den Ausbau bestehender Produktionsstäten sowie für eine gemeinsame EU-Finanzierung. Für Österreich stehe die Vergabe von Fördermitteln für essentielle Produktionsstätten im Vordergrund. Ohne Sandoz namentlich zu nennen, erwähnte Schumann den Penicillin-Hersteller aus in Tirol als Beispiel, da er zwei Jahre auf eine staatliche Förderung warten musste.

Aus Luxemburg kam der Vorschlag, dass die Kriterien der öffentlichen Auftragsvergabe sich nicht auf den Preis, sondern auf die Diversifizierung der gesamten Lieferkette beziehen sollten. Diese soll zu einem strategischen Ziel der EU werden, da Länder wie Luxemburg unter der fehlenden Diversifizierung leiden, so die luxemburgische Gesundheitsministerin Martine Deprez.

Warken: »Einen ausgereiften, ausbalancierten und kohärenten Rechtstakt«

Am Freitag wurde zudem das EU-Pharmapaket diskutiert. »Die Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts ist zentral für die Versorgungssicherheit und die Innovationskraft in der EU«, sagte dazu Nina Warken.

Sie mahnte, dass das Dossier solle zügig, aber auch mit genauem Blick auf die technischen Punkte verhandelt werden. »Wir benötigen im Ergebnis einen ausgereiften, ausbalancierten und kohärenten Rechtsakt«, sagte die Bundesgesundheitsministerin.

Patent- und Schutzrechte seien entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der EU und den Zugang zu neuen Arzneimitteln. Das gelte insbesondere im neuen geopolitischen Umfeld. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen sei dringend darauf zu achten, ein vorhersehbares und verlässliches Anreizsystem zu erhalten. Zudem bedürfe es eines rechtssicheren, ausbalancierten Ansatzes bei der Bolar-Regelung. Die Bolar-Regelung, auch Bolar-Ausnahme genannt, ist eine Ausnahme vom Patentschutz. Sie erlaubt es Unternehmen, während der Laufzeit eines Patents bereits mit der Entwicklung und Zulassung von Generika oder Biosimilars zu beginnen.

Kleinere Mitgliedsstaaten wie Slowenien warnten davor, die Preisstabilität zu gefährden. »Vorschriften sollen für einen leichten Einstieg von Generika und Biosimilars sorgen«, sagte die slowenische Gesundheitsministerin Valentina Prevolnik Rupel.

Auch der tschechische Gesundheitsminister plädierte für mehr Investitionsanreize. Er nannte als Beispiel, dass viele Pharmaunternehmen ihre Produktion in den USA verlegt haben, als die Rede von Zöllen war.

»Die Industrie braucht Planungssicherheit«

Auch über die Kommunalabwasserrichtlinie wurde diskutiert. Die Richtlinie ist Anfang dieses Jahres in Kraft getreten und sieht den Ausbau kommunaler Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe vor. Die Kosten für den Ausbau sind anteilig von der pharmazeutischen und kosmetischen Industrie zu tragen. Ziel der Richtlinie sei es, die Wasserverunreinigung zu verringern und die Gesundheit der EU-Bürger zu schützen, so die polnische Gesundheitsministerin Izabela Leszczyna.    

Warken sagte, dass Deutschland diese wichtige Maßnahme für einen verbesserten Schutz der Gewässer unterstütze, mahnte jedoch, die Auswirkungen der erweiterten Herstellerverantwortung auf die Arzneimittelversorgung im Blick zu behalten. »Vor allem die absehbaren Auswirkungen auf die Versorgung, mit wichtigen, generischen Arzneimitteln machen uns Sorgen«, so die Ministerin. Die Industrie brauche Planungssicherheit.

»Wir begrüßen daher ausführlich die Ankündigung der Europäischen Kommission, eine aktualisierte Studie über die Kosten und die möglichen Auswirkungen der erweiterten Herstellerverantwortung durchzuführen«, sagte Warken. Sie fügte hinzu: »Wir werden der Europäischen Kommission dabei bestmöglich unterstützen, insbesondere wenn es darum geht, erforderliche Daten aus dem Bereich der Arzneimittelversorgung zur Verfügung zu stellen.«

Seit Vorstellung der Richtlinie hätten sich die Ängste der Mitgliedstaaten noch intensiviert, sagte die polnische Gesundheitsministerin. »Wir hören jetzt die Kostenprognosen, die wohl viel höher, als ursprünglich angenommen, ausfallen«, so Leszczyna. Die Kommission wolle eine aktualisierte Kostenstudie durchführen, die auch die potentiellen Auswirkungen auf die betroffenen Sektoren beleuchtet, sagte die polnische Gesundheitsministerin, die derzeit den Vorsitz bei EPSCO hat. »Wir können es uns nicht leisten, dass die europäischen Hersteller sich aus den Markt zurückziehen und damit unsere Exposition zurückziehen«, so ihr Fazit.

Der tschechische Gesundheitsminister bezeichnete die Kommunalabwasserrichtlinie als widersprüchlich, da diese dazu führen könne, dass weniger Medikamente in der Europäischen Union hergestellt werden, was am Ende die Gesundheit der Patienten gefährden könnte. »Wenn wir uns für die Sicherheit der EU-Patienten entscheiden, müssen wir uns überlegen, wie die Verpflichtungen bei den Herstellern sein werden«, sagte er und mahnte, dass die Schwächsten darunter leiden werden.

Auch Litauen mahnte, dass die Verfügbarkeit von Arzneimitteln und deren Preise davon beeinflusst werden könnten. »Natürlich sind wir damit einverstanden, dass die Umwelt geschützt werden muss und dass die Hersteller daran beteiligt werden müssen. Aber die Umweltschutzmaßnahmen müssen mit den anderen politischen Zielen Hand in Hand gehen, wie mit dem Zugang zu Arzneimitteln«, sagte der ungarische Gesundheitsminister.  

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa