Wann dürfen Cannabisrezepte abgelehnt werden? |
Daniela Hüttemann |
18.02.2025 16:20 Uhr |
Die meisten telemedizinischen Verordnungen betreffen die unverarbeitete Abgabe von Cannabis Ein Abfüllen in ein geeignetes Gefäß (luft- und lichtdicht) ist jedoch immer nötig. / © Getty Images/ ArtistGNDphotography
Das Thema stieß auf großes Interesse beim Fortbildungstag zum Thema Cannabis der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 7. Februar in Neumünster: Wie gehe ich mit telemedizinischen Verordnungen für Cannabisblüten um? Grundsätzlich bestehe für Medizinalcannabis wie für andere rezeptpflichtige Arzneimittel auch ein Kontrahierungszwang, betonte Grit Spading, angestellte Apothekerin und Pharmazierätin aus Kappeln.
Aber ebenso gelte wie für alle Rx-Arzneimittel auch hier: Gemäß § 17 Absatz 8 Apothekenbetriebsordnung muss die Apotheke bei begründetem Verdacht auf Missbrauch die Abgabe eines Arzneimittels verweigern. »Wie dies im Einzelnen zu bewerten ist, liegt in der Verantwortung des Apothekers«, sagte Spading. Eine Indikation muss nicht auf dem Rezept stehen und muss auch nicht vom Apotheker geprüft werden. Ebenso wenig eine Genehmigung, wenn zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet wird.
Vor allem bei Privatrezepten für jüngere, auf den ersten Blick fitte, gesunde Männer taucht solch ein Verdacht schnell auf. »Rechnen Sie bei Privatrezepten den Preis doch einmal strikt nach Arzneimittelpreisverordnung aus und teilen Sie ihn dem Patienten mit – manchmal hat sich die Sache dann schon erledigt, wenn es nur um Freizeitkonsum geht«, schlug Spading vor. Umgekehrt könne man überlegen, ob man gut bekannten Patienten mit hohem Medical Need, aber ohne Genehmigung der Krankenkasse, preislich entgegenkommen kann, wenn sich diese die Therapie als Selbstzahler nicht leisten können.
Die Verordnung muss plausibel und eindeutig sein. »Alle Angaben, die ein klassisches Rezept enthalten muss, brauchen wir hier auch«, erklärte Finn Clausen, Mitbetreiber der Godske Hansens Apotheke Niebüll und einer Plattform für den Versandhandel mit Medizinalcannabis-Zubereitungen.
Zunächst einmal ist da die exakte Bezeichnung des zugrunde liegenden Rezepturarzneimittels, denn bis auf die wenigen Fertigarzneimittelpräparate ist Medizinalcannabis in der Regel ein Rezepturarzneimittel – auch wenn Blüten oder Vollspektrumextrakte unverarbeitet abgefüllt werden. Bei Blüten muss die Sorte eindeutig benannt werden. Probleme ergeben sich häufig bei der Lieferfähigkeit der verordneten Sorte. »Sie dürfen Sorten mit gleichem THC- und CBD-Gehalt austauschen, das ist aber nicht ganz einfach«, sagte Spading. Auch das Terpenspektrum sollte berücksichtigt werden. »Bei Änderungen ist fast immer eine neue Verordnung nötig«, berichtete Clausen.
Zudem muss eine Dosier- und Handhabungsanweisung vorliegen, zum Beispiel »250 mg – 0 – 250 mg verdampfen und inhalieren« oder »0,2 ml – 0 – 0,2 ml / d oral einnehmen«. Die Angabe »DJ« oder »gemäß schriftlicher Anweisung« reicht dagegen nicht. Das benötigt die Apotheke für die Etikettierung, denn bekanntlich dürfen Apotheken Cannabisblüten nicht in der Originalverpackung, sondern nur in geprüften Primärpackmitteln an den Patienten abgeben. Sonst besteht vor allem die Gefahr, dass die Originalbehältnisse missbraucht werden für den illegalen Drogenhandel.
Entscheidend ist für Spading und Clausen die Frage: Erreiche ich den verordnenden Arzt bei Rückfragen? Falls nicht, kann beziehungsweise muss die Apotheke sogar die Abgabe verweigern. Es gebe seriöse und unseriöse Anbieter im Markt. »Da erreiche ich dann manchmal nur eine Hotline und bekomme gesagt, ich solle die Sorte in die ändern, die ich eben bekomme, ohne mit dem Arzt verbunden zu werden – das lehne ich ganz klar ab.« Clausen hofft auf eine stärkere Regulierung der Telemedizin-Anbieter.
Spading berichtete über einen Selbstversuch auf einer bekannten Plattform. Es habe keine zehn Minuten gedauert, bis sie sich durch Symptom-Fragebogen zur Eigendiagnose durchgeklickt hatte, kurz über die Suchtgefahr aufgeklärt wurde und sich eine Sorte aus dem Katalog ausgesucht hatte. Sie musste lediglich ihren Hausarzt angeben und den Personalausweis scannen. »Dann ging es super schnell, bis das Rezept ausgestellt war – ohne Arztgespräch, das hätte 39 Euro extra gekostet.«
Bei aller Kritik an den telemedizinischen Cannabisverordnern: Ein hoher medizinischer Bedarf sei offenbar da. Die Apotheke sei dann oft der erste Anlaufpunkt, berichtete Clausen – nicht nur für die Patienten (wie bekomme ich ein Rezept?), sondern auch für Ärzte, die fragen, wie, was und in welcher Dosierung sie verordnen können. Für diese bietet die Kassenärztliche Bundesvereinigung Informationen.
Zur Recherche empfahl Clausen Fachportale, über die man in der Regel per DocCheck-Passwort Zugang erhalte, zum Beispiel vom Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA), der Deutschen Medizinalcannabis-Gesellschaft (DMCG), dem Bund Deutscher Cannabis-Patienten (BDCan) und der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM). Zudem empfahl er die Informationen der Hersteller und spezialisierten Importeure und Großhändler. Umfangreiche Informationen, allerdings ungeprüft, über Kultivare samt ihrer Genetik und ihre Geschmäcke gebe es unter flowzz.com. Direkt auf der Landing-Page gibt es eine Übersicht über medizinische Cannabisblüten aus der Apotheke. Die Seite ist unter Anwendern bekannt und beliebt. »Hier müssen Sie jedoch die Validität überprüfen und mit Fachmedien abgleichen«, warnte der Apotheker.
»Sie als Apotheker und Apothekerin wählen meist das richtige Präparat aus, das der Arzt dann verordnet – wo können wir das sonst?«, meinte Clausen. »Man muss sich einarbeiten und viel Aufklärungsarbeit leisten, aber das macht auch Spaß und motiviert, wenn man Patienten so eng begleiten kann.«