Wann absetzen? |
Brigitte M. Gensthaler |
27.02.2024 18:00 Uhr |
Patienten mit Alzheimer-Demenz bekommen oft viele Medikamente. Nutzen und Risiken von Antidementiva und Antipsychotika sollten regelmäßig kontrolliert werden. / Foto: Adobe Stock/bilderstoeckchen
Vier synthetische Antidementiva sind bei der Alzheimer-Krankheit zugelassen: die Acetylcholinesterase-Inhibitoren Donepezil, Rivastigmin und Galantamin sowie der Glutamat-Antagonist Memantin. Laut Studien können sie Gedächtnis, Verhaltensstörungen und Stimmung verbessern und eine Heimunterbringung durchschnittlich um etwa zwei Jahre hinauszögern.
»Es sollte aber nicht automatisch eine Dauertherapie sein«, mahnte Professor Dr. Martina Hahn, Philipps-Universität Marburg, bei der digitalen Hermann-Hager-Fortbildungstagung der Apothekerkammer Brandenburg am vergangenen Wochenende. Die Apothekerin, die in psychiatrischen Kliniken arbeitet, sprach sich für regelmäßige Auslassversuche aus. »Man muss das Risiko-Nutzen-Verhältnis sehr sorgfältig abwägen.«
Sie plädierte für ein Absetzen der Antidementiva, wenn Nebenwirkungen wie Erschöpfung, Gewichtsabnahme, Magen-Darm-Beschwerden oder Schwindel den Patienten stark beeinträchtigen. »Wir machen auch Absetzversuche, um zu sehen, ob die Medikation überhaupt noch wirkt.« Dies sei auch zu erwägen, wenn Patienten das Stadium der schweren Demenz erreichen, bettlägerig werden oder nicht mehr kommunizieren können. »Unterm Strich geht es immer um die Lebensqualität und die Versorgungssituation.« Das Absetzen soll aber nicht eigenmächtig erfolgen, sondern immer ärztlich kontrolliert.
Sind irreversible Verschlechterungen während der Absetzphase zu befürchten? Hahn verneinte dies in der Diskussion. Mit Acetylcholinesterase-Inhibitoren greife man in das Botenstoffgleichgewicht ein und könne dies nach der Therapiepause wieder tun.
Viele Demenzpatienten entwickeln belastende Verhaltensauffälligkeiten. Antipsychotika können zeitlich begrenzt hilfreich sein. »Wichtig sind regelmäßige Absetzversuche im Abstand von wenigen Wochen«, so Hahn.
Bei starker Erregtheit mit Verwirrung und Unruhe können niederpotente Antipsychotika ohne ausgeprägte anticholinerge Effekte, zum Beispiel Melperon oder Pipamperon, eingesetzt werden. Bei Agitiertheit und Aggression schlägt die S3-Leitlinie »Demenzen« Risperidon als erste und Haloperidol als zweite Wahl vor; als drittes folgt Citalopram. Quetiapin ist nicht zugelassen bei Demenzpatienten, wird aber wegen beruhigender und angstlösender Effekte off Label gegeben. »Das ist ein Allroundtalent in der Psychiatrie.«
Apotheker sollten auf Nebenwirkungen und Interaktionen achten. Wichtig im Alltag: Die genannten Arzneistoffe können die Orthostase stören; daher sollten Patienten immer langsam aufstehen. »Lieber erst ein paar Minuten auf der Bettkante sitzen.«