Wahlpflichtpraktikum in China |
15 Pharmaziestudenten aus Marburg machten in China einzigartige Erfahrungen. / Foto: Fotolia/natanaelginting
Im August 2019 hatten wieder einige Studenten der Philipps-Universität Marburg die Möglichkeit, ihr Wahlpflichtpraktikum an einer chinesischen Universität zu absolvieren. Dank einer Kooperation mit dem Tongji Medical College an der Huazhong University of Science and Technology (kurz: HUST) in Wuhan, durften in diesem Sommer 15 Studenten an diesem Erlebnis teilnehmen und die Kultur Chinas näher kennenlernen.
Etwa ein Jahr vor Reiseantritt befassten wir uns mit der Bewerbung um die einzelnen Arbeitsgemeinschaften an der Universität in Wuhan. Frühzeitig mussten wir uns um die Flüge und vor allem die Visa kümmern. Doch auch ein ausreichender Impfschutz und eine Auslandskrankenversicherung durften nicht fehlen. Die meisten Impfungen wurden glücklicherweise von den Krankenkassen übernommen. Wegen der von der deutschen Küche abweichenden Essgewohnheiten und aggressiven Stechmücken erwies sich die eigene Reiseapotheke als äußerst hilfreich.
Vorab bekamen wir die Einteilung in unsere Arbeitsgruppen und konnten uns so ein genaueres Bild von unseren Aufgaben machen. Das Praktikum vor Ort teilt sich in zwei Teile, das zweiwöchige Laborpraktikum in Wuhan und eine einwöchige Pflanzenexkursion im Lushan- Gebirge.
In Wuhan angekommen, wurden wir herzlich empfangen und zunächst in unser Hotel begleitet. Am nächsten Morgen, dem ersten Praktikumstag, trafen wir dann erstmals auf unsere Arbeitsgruppen. Jedem Studierenden wurde ein Betreuer der jeweiligen Arbeitsgruppe zugeteilt, der uns vom Hotel abholte und zur Universität in die Labore begleitete.
Die Betreuer waren meist Master-Studenten oder Doktoranden und erklärten uns die Schwerpunkte in der Arbeitsgruppe. Die jeweiligen Aufgaben, die wir bekamen, waren abhängig von diesen Schwerpunkten. Einige von uns konnten selbstständig an Versuchen mitarbeiten oder sogar ein eigenes Projekt durchführen, während andere sich eher mit Literaturrecherche beschäftigten. Obwohl die Kulturen so unterschiedlich sind, kann man gerade im naturwissenschaftlichen Bereich viele Arbeitsweisen und Methoden wie zum Beispiel die Dünnschichtchromatographie(DC), die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und ähnliches wiederfinden, die bereits durch die Laborarbeit an unserer heimischen Universität bekannt waren.
Der größte Unterschied, den wir alle zu der Laborarbeit in China feststellen konnten, betrifft die Sicherheit. In Deutschland gibt es regelmäßig ausführliche Sicherheitsbelehrungen, in denen auf Gefahren im Labor im Umgang mit Chemikalien hingewiesen wird. Das Tragen von Laborkitteln und Schutzbrillen ist hier selbstverständlich – anders in China, wo die Labormitarbeiter in ihren normalen Klamotten, kurzen Hosen und Sandalen die Versuche durchführen. Außerdem wurde in vielen Laboren gegessen, getrunken und in der Pause wurde ein kleiner Mittagsschlaf auf der Laborbank gemacht, was in unseren bisherigen Praktika in Deutschland völlig undenkbar gewesen wäre und mit Laborausschluss geendet hätte.
In einigen Laboren der HUST fiel uns auch auf, dass an Ausrüstung und Chemikalien gespart wird. Benutzte Lösungsmittel wurden zur erneuten Benutzung wieder in die Vorratsbehälter gegossen und Einmalhandschuhe wurden nach Lösungsmittelkontakt nicht sofort verworfen und gewechselt. Auch der generelle Umgang mit Chemikalien wich deutlich von dem ab, was wir gewohnt sind. Abzüge, die gefährliche Dämpfe aus der Raumluft entfernen sollen, kamen selten zum Einsatz und viele Vorratsgefäße standen geöffnet im Labor herum, sodass viele Dämpfe eingeatmet wurden.
In China hatten wir oft Kommunikationsprobleme mit den Einheimischen, weil viele Leute dort kein Englisch sprechen. Mit unseren Betreuern und den Arbeitsgruppen konnten wir uns aber sehr gut verständigen und bekamen sehr gute Unterstützung. Gleich am ersten Tag kamen die ersten Studenten mit ein paar handgeschriebenen Sätzen auf Chinesisch in die Mensa mit gängigen und wichtigen Sätzen wie »bitte nicht scharf«, denn Chinesen essen sehr gerne scharfe Gerichte. Wenn man also nach China reisen möchte, ist ein Reiseführer mit Sprachtipps oder einer Übersetzungs-App sehr empfehlenswert.
Insgesamt waren wir zwei Wochen an der Universität in Wuhan. An den Abenden bot sich die Gelegenheit, die Stadt zu erkunden und an den Wochenenden gab es viele Möglichkeiten, China zu entdecken. So konnte man zum Beispiel viele sehenswerte Orte relativ schnell mit dem High-Speed-Train erreichen, wie zum Beispiel Shanghai oder Xian. Aber auch Wuhan an sich bot viele interessante Orte. Dort hat uns der idyllische Eastlake am besten gefallen und der Yellow Crane Tower ist einen Besuch definitiv wert.
Nach Abschluss des Praktikums ging es für eine Woche in das Lushan-Gebirge, welches zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Dort lernten wir eine ganz andere Seite von China kennen und begaben uns zudem auf eine Arzneipflanzenexkursion. Wir schlossen uns einer Gruppe von circa 100 Studenten der HUST an, die dort übten, Pflanzen richtig zu identifiziert, zu sammelt und zu präpariert.
Einen Abend haben wir mit den chinesischen Studenten verbracht, die die Pflanzen für ihr Herbarium vorbereiteten. Hier wurden uns die Geräte zum Pressen und die verschiedenen Arten des Trocknens vorgestellt. Jeden Abend fand auch nochmal Biologieunterricht für die Studenten statt, um sie auf ihre mündliche Prüfung vorzubereiten.
Für das Präparieren der Pflanzen brauchen die chinesischen Studierenden kleine Holzpaletten, die sie mit einer Schnur zusammenbinden, um die Pflanze zwischen dickem Papier zu pressen. Um die Pflanzen sammeln zu können, haben die Studenten Koffer mit den nötigen Werkzeugen, beispielsweise Spatel für die Wurzeln, Handschuhe für giftige Pflanzenteile, aber auch Beutel und Etiketten. Es war sehr interessant, sich mit den Studenten vor Ort auszutauschen. Sie haben uns ihre universitären Schwerpunkte erklärt und ziemlich schnell wurde uns klar, dass ihr Studium sehr praxisbezogen ist. Selbstverständlich spielt Wissen über Traditionelle Chinesische Medizin ebenfalls eine große Rolle, die in Deutschland eher nebensächlich ist.
Vom leitenden Professor des Aufenthalts im Lushan Gebirge lernten wir einige Arzneipflanzen der chinesischen Medizin kennen. Eine der Pflanzen war Osmanthus fragrans (Thun.) Lour., eine Oleaceae. Der drei bis sieben Meter hohe Baum trägt sehr viele Blüten und Früchte, welche Flavonoide und ätherisches Öl enthalten. Die Wirkung ist aphrodisierend, in einigen traditionellen chinesischen Nachspeisen finden die Blüten jedoch vor allem wegen ihres guten Geschmacks Verwendung.
An einem anderen Tag durften wir nach einer Wanderung den für Lushan bekannten grünen Tee probieren. Es wurden drei verschiedene Tees serviert, die alle von der gleichen Pflanze stammen, aber zu unterschiedlichen Zeiten geerntet wurden. Interessant war, dass uns meist der zweite Aufguss besser geschmeckt hat.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir sehr viel über die Kultur Chinas gelernt haben. Da einige pharmazeutische Unternehmen in viele Länder expandieren, ist es wichtig, mehr über die Kultur und die Arbeitsweisen dort zu erfahren.