Voxelotor hemmt Hämoglobin-Polymerisation |
Kerstin A. Gräfe |
27.05.2022 07:00 Uhr |
Die Zulassung basiert auf den Daten der Phase-III-Studie HOPE mit 274 Patienten mit Sichelzellanämie. Die Probanden erhielten einmal täglich entweder 1500 mg Voxelotor, 900 mg Voxelotor oder Placebo. Primärer Endpunkt war ein Anstieg des Hämoglobinwerts um mindestens 1 g/dl innerhalb von 24 Wochen.
Diesen erreichten 51 Prozent der Patienten mit der höheren Voxelotor-Dosierung gegenüber 7 Prozent der Patienten aus der Placebogruppe. Der beobachtete Hb-Anstieg begann in Woche 2 und blieb bis einschließlich Woche 72 erhalten. Zudem kam es bei den Studienteilnehmern, die mit Oxbryta behandelt wurden, zahlenmäßig zu weniger vasookklusiven Krisen. Der Unterschied war allerdings nicht statistisch signifikant; die Studie war aber auch nicht darauf ausgelegt, einen Unterschied nachzuweisen.
Als häufigste Nebenwirkungen traten Kopfschmerzen, Diarrhö, Bauchschmerzen, Übelkeit sowie Müdigkeit und Fieber auf.
Bei der Behandlung der Sichelzellkrankheit tut sich etwas. Nachdem bereits Ende 2020 mit Crizanlizumab eine Sprunginnovation in dieser Indikation auf den Markt kam, folgt mit Voxelotor nun die nächste. Sie wartet mit einem neuen Wirkmechanismus auf: Der Hämoglobinmodulator Voxelotor erhöht die Affinität von Hämoglobin zu Sauerstoff, was letztlich die Sichelbildung der Erythrozyten verhindert. Dies rechtfertigt die Einstufung als Sprunginnovation.
Das Wirkkonzept bringt es jedoch auch mit sich, dass Voxelotor die Fähigkeit von Hämoglobin, Sauerstoff im Körper freizusetzen, verringern könnte. In der Zulassungsstudie erkannte man keine eindeutige Erhöhung von Erythropoeitin, die auf eine Abnahme des verfügbaren Sauerstoffgehalts im Blut hindeuten würde. Dennoch sollte man die Möglichkeit dieser Wirkung im Hinterkopf behalten. Sie würde sich schließlich voraussichtlich negativ auf die Lebensqualität auswirken.
Positiv ist dagegen hervorzuheben, dass Voxelotor zur Behandlung hämolytischer Anämie infolge der Sichelzellkrankheit gedacht ist. Für dieses Symptom der Erkrankung besteht noch ein ungedeckter medizinischer Bedarf. In der Zulassungsstudie konnte gezeigt werden, dass Voxelotor die Anämie bessert, indem es die Hämoglobinwerte erhöht und den Abbau von roten Blutkörperchen reduziert. Bei Crizanlizumab und auch bei Hydroxycarbamid steht dagegen die Prävention vasooklusiver Krisen im Vordergrund.
Von Vorteil ist, dass Voxelotor ebenso wie Hydroxycarbamid oral verfügbar ist und die beiden Arzneistoffe auch kombiniert werden können. Im Fall einer Monotherapie könnte auch ein Blick auf die Nierenfunktion des Patienten wichtig werden. Da bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion unter Hydroxycarbamid die Dosis anzupassen ist, kann Voxelotor bei dieser Patientengruppe möglicherweise die bessere und sicherere Behandlung sein.
Summa summarum darf man Voxelotor vorläufig als Sprunginnovation sehen, die das Potenzial hat, vielen Betroffenen zu helfen.
Sven Siebenand, Chefredakteur