Vorsichtige Eltern ein Grund? |
»Natürlich passieren Unfälle auf Spielplätzen«, sagt der Kinderarzt Maske. »Aber die schwersten Unfälle passieren im häuslichen Umfeld.« Also dort, wo Kinder vermeintlich in Sicherheit sind. Sie stürzten zum Beispiel vom Hochbett oder einer versehentlich stehengelassenen Leiter, sagt Maske. Dazu kämen Verbrennungen oder Vergiftungen mit Putzmitteln.
Laut der Langzeitstudie »KIGGS« zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (Erhebungswelle 2009 bis 2012) passieren 34,8 Prozent der Unfälle zuhause oder im privaten Umfeld, 24,2 Prozent in der Schule oder in anderen Betreuungseinrichtungen und 17,4 Prozent auf dem Spielplatz oder beim Sport.
Manchmal können sogar die Eltern selbst eine Gefahrenquelle auf dem Spielplatz sein. Zum Beispiel dann, wenn sie kleine Kinder auf ein Klettergerüst heben, dass diese aufgrund ihres Alters sonst nicht hätten erklimmen können. Oder wenn sie ihre Kinder beim Rutschen auf den Schoß nehmen. Das könne das Risiko von Beinbrüchen erhöhen, schrieben Forscher der Universität von Iowa 2018 nach Auswertung von knapp 12 700 dokumentierten Rutsch-Unfällen. Zu den Brüchen kommt es demnach, wenn die Kinder mit ihrem Bein an der Rutsche hängen bleiben, der Schwung des Erwachsenen sie aber weiterschiebt.
Die gesetzliche Unfallversicherung erfasst alle Unfälle, die Kindern und Jugendlichen in Kita und Schule sowie Studierenden zustoßen. Rund eine Million meldepflichtige Unfälle waren es demnach im vergangenen Jahr. Beim Großteil sei es bei leichten Verletzungen geblieben, sagt Sprecherin Elke Biesel. Aber auch in Bildungseinrichtungen und auf den Wegen dorthin gebe es schwere und tödliche Unfälle.
Ein wichtiger Baustein für mehr Sicherheit ist aus ihrer Sicht, den Kindern Risikokompetenz beizubringen: »Damit Kinder lernen, sich sicher zu verhalten, müssen sie lernen, mit Risiken umzugehen. Ohne Risiko keine Sicherheit.« Dies müsse aber pädagogisch angeleitet sein und dürfe nicht dazu führen, dass Verletzungen in Kauf genommen würden.
Doch welche Folgen hat es für Kinder, wenn Eltern sie ständig umsorgen und behüten? »Das macht Kinder ängstlich und unsicher«, sagt Kinderhilfswerk-Expertin Neumann. Außerdem könne es dazu führen, dass Kinder sich komplett auf ihre Eltern verließen. »Sie passen dann selbst nicht so gut auf und finden zum Beispiel nicht den Weg allein nach Hause.«
Kinderarzt Maske hat aber auch eine gute Nachricht: Übervorsichtige Eltern erlebt er in eher gebildeten Haushalten. »Das sind Eltern, die zu viel im Internet oder Büchern lesen.« Eltern, die sich dann von Schreckensnachrichten über verunglückte Kinder und verschiedenster Ratgeber-Literatur verunsichern lassen. »Die kriegen in der Regel die Kurve«, weiß Maske aus Erfahrung. Zum Beispiel dann, wenn sich herausstellt, dass ihre Kinder motorisch gefördert werden müssen.