Vorerst keine US-Zulassung für MDMA |
Laura Rudolph |
13.08.2024 14:00 Uhr |
MDMA, auch bekannt als »Ecstasy«, hat therapeutisches Potenzial: Es löst Ängste, fördert Vertrauen und hilft Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung auf diese Weise, mit einem Therapeuten über das Erlebte zu sprechen. Eine Zulassung wird es so bald aber noch nicht geben. / Foto: Getty Images/Nadija Pavlovic
Mehr als eine Partydroge: MDMA (Methylendioxy-N-methylamphetamin), auch bekannt als »Ecstasy«, hat sich in zwei Phase-III-Studien als wirksam zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erwiesen, wenn es im Rahmen einer Psychotherapie verabreicht wird. Das Amphetaminderivat erhöht die Serotonin- und Dopaminspiegel über verschiedene Mechanismen, löst dadurch Ängste und fördert das Vertrauen der Patienten, sodass es diesen leichter fällt, über traumatische Erlebnisse zu sprechen.
Eine Markteinführung von therapeutischem MDMA wird es in naher Zukunft aber wohl nicht geben. Die eingereichten Phase-III-Daten genügten der FDA nicht, um MDMA-haltige Kapseln zur Psychedelika-gestützten Psychotherapie bei PTBS zuzulassen. Einen ersten Antrag des Pharmaunternehmens Lykos Therapeutics lehnte die Behörde ab, wie Lykos kürzlich mitteilte.
Die FDA fordert demnach eine weitere Phase-III-Studie, die die Sicherheit und Wirksamkeit von MDMA bestätigt. Damit folgt sie dem Rat eines Expertengremiums, das sich im Juni unter Verweis auf methodische Mängel der eingereichten Studien gegen eine entsprechende Zulassung ausgesprochen hatte.
Ein wichtiger Kritikpunkt ist die fehlende Doppelverblindung. »Eine besondere Herausforderung von Psychedelika-unterstützter Psychotherapie mit MDMA besteht darin, dass die Wirkung auf das Bewusstsein, soweit wir wissen, entscheidend für den therapeutischen Erfolg ist. Bisher gibt es kein Placebo, das diese bewusstseinsverändernde Wirkung überzeugend nachahmen könnte, was eine Verblindung in Studien derzeit unmöglich macht«, erklärt Professor Dr. Gregor Hasler, Ordinarius für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Freiburg. Aus seiner Sicht sei es aber nicht ethisch, die Therapie aus diesem Grund grundsätzlich abzulehnen.
Eine ungenügende Verblindung käme in vielen Studien vor und sei »nicht der entscheidende Punkt«, findet auch Professor Dr. Matthias Liechti, Chefarzt der klinischen Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsspitals in Basel. Die Kritik der FDA sei übertrieben. Sein Vorschlag: »Studien mit tiefen MDMA-Dosen als Kontrollgruppe wären hier ein Lösungsansatz.«
Die fehlende Doppelverblindung ist jedoch längst nicht die einzige Kritik, die die FDA an den Zulassungsstudien übt. Weiterhin bemängelt sie unter anderem folgende Aspekte:
Zum letzten Punkt merkt Liechti an: »Zu sagen, MDMA löse schöne Gefühle aus und sei damit gefährlich, scheint mir nicht zielführend. Da spielen nun auch die Angst vor Drogenproblemen und die Moral hinein und das Opioidproblem in den USA.« Aus seiner Sicht sei die Suchtgefahr »klar geringer als der potenzielle Nutzen«.
Die Renaissance des therapeutischen Einsatzes der Psychedelika währt nun schon einige Jahre. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien zur Wirksamkeit und auch schon erste Zulassungen, beispielsweise in Australien. Sehr aktiv auf diesem Gebiet ist die Forschungsorganisation Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), deren kommerzieller Ableger Lykos Therapeutics ist.
Allerdings ist der abgelehnte Zulassungsantrag nicht der einzige Rückschlag, den die MAPS und Lykos Therapeutics derzeit verkraften müssen. Kurz nachdem die FDA die Zulassung versagte, zog das Fachjournal »Psychopharmacology« drei Publikationen zu MDMA-Studien zurück, an denen viele Autoren beteiligt waren, die zu MAPS oder Lykos Therapeutics gehören. Es handelte sich dabei um eine gepoolte Analyse der Langzeitergebnisse von sechs Phase-II-Studien, einen Artikel, der das Design und die Gründe für die anschließenden Phase-II-Studien darlegte, sowie eine Studie, die untersuchte, wie sich das Absetzen bestimmter Psychopharmaka auf das Ansprechen der MDMA-unterstützten Psychotherapie auswirkt.
Der Grund dafür ist eine ethische Verletzung des Studienprotokolls, über die das Journal nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Das geht aus einem Artikel der US-Nachrichtenseite »STAT« hervor. Demnach war an einer der Phase-II-Studien, die in Kanada durchgeführt wurde, ein unlizenzierter Therapeut beteiligt, der später von einer Studienteilnehmerin wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt wurde.
Zwar hätten die Forschenden diesen Vorfall gemeldet – unter anderem der FDA, Health Canada und der unabhängigen Ethikkommission – nicht jedoch dem Journal selbst. Auch seien die Studiendaten, die sich auf die entsprechende Patientin bezogen, nicht aus der Analyse entfernt worden. Der Vorfall könnte die Ergebnisse jedoch beeinflusst haben. Kurzerhand nahm »Psychopharmacology« die Publikationen zurück.
Weiterhin werden in dem STAT-Artikel ehemalige Mitarbeitende von Lykos Therapeutics zitiert, die die Atmosphäre im Unternehmen als »sektenähnlich« bezeichnen und von einem übermäßigen Hype um MDMA berichten, der Zweifel an der Objektivität der Forschenden säe. Beispielsweise hätten sich Führungskräfte Studiendaten angesehen, während die Forschung noch lief.
Ob etwas an den Gerüchten dran ist oder nicht: Das Unternehmen hat nun die Gelegenheit, eine weitere Phase-III-Studie durchzuführen, um zu belegen, dass sich PTBS mit MDMA in Kombination mit einer Psychotherapie wirksam und sicher behandeln lässt. Das kann allerdings noch Jahre dauern – und verzögert damit eine mögliche Markteinführung. Auch eine EU-Zulassung rückt damit in weitere Ferne, denn es ist eher nicht davon auszugehen, dass das Unternehmen einen Antrag in Europa stellt, bevor es die Kritikpunkte der FDA ausgeräumt hat.
Für andere Pharmaunternehmen, die ebenfalls an der Behandlung psychischer Erkrankungen mit Psychedelika forschen, könnte die FDA-Ablehnung wegweisende Erkenntnisse liefern. »Die Entscheidung der FDA bestärkt stark die Ansicht, dass die Psychedelika-unterstützte Psychotherapie die Kosten und die Komplexität von Studien erhöht«, äußert sich Professor Dr. Nolan Williams von der Stanford University in einem »News«-Artikel auf der Seite des Fachmagazins »Science«. Die Vermischung aus Pharmako- und Psychotherapie verkompliziere die Zulassungsregularien.
Einige Unternehmen haben bereits begonnen, psychedelische Substanzen zu testen, ohne sie mit Psychotherapie zu kombinieren. Dies könnte den Zulassungsprozess vereinfachen, da der Fokus allein auf der Wirkung des Arzneistoffs liegt und nicht auf der komplexen Interaktion mit psychotherapeutischen Ansätzen. Beispielsweise analysieren das Pharmaunternehmen Compass Pathways und die gemeinnützige Forschungsorganisation Usona Institute derzeit Psilocybin zur Behandlung von Depressionen in Phase-III-Studien.