Von Wikingerbabys und Gebärmutterpolitik |
Jennifer Evans |
20.05.2025 07:00 Uhr |
Schwangerschaft und Wikingerzeit: Eine Studie kritisiert die Trivialisierung von Frauenkörpern in archäologischen Forschungen. / © Adobe Stock/VJ Dunraven
Obwohl Schwangerschaft in menschlichen Gesellschaften eine zentrale Rolle spielt, wird dieser Aspekt in der archäologischen Forschung meist vernachlässigt, wie eine aktuelle Studie kritisiert. Schwangerschaft wird den Studienautorinnen und -autoren zufolge in vielen historischen und kulturellen Konstellationen als triviale, biologische Selbstverständlichkeit abgetan. Dabei sei sie tief in Fragen von Verwandtschaft, Geschlecht, sozialer Zugehörigkeit und dem Beginn der eigenen Persönlichkeit eingebettet.
Das Team an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fordert nun, Schwangerschaft nicht weiterhin als persönliches Frauenthema, sondern als ontologisch und politisch bedeutende Erfahrung zu betrachten, die durchaus neue Perspektiven in der Archäologie eröffnen kann. Um diese Körpererfahrung jedoch aus einer Marginalisierung herauszuholen, schlagen sie neben einer neuen Denkweise auch eine neue Sprache vor.
Belege aus der Wikingerzeit zwischen etwa 800 bis 1050 nach Christus zum Beispiel deuten laut der Untersuchung darauf hin, dass Schwangerschaft nicht unbedingt mit Passivität oder Privatheit verbunden war. Vielmehr waren auch schwangere Körper Teil gesellschaftlicher Konflikte, symbolischer Handlungen oder politischer Bedeutung.
So existierten im wikingerzeitlichen Skandinavien beispielsweise Darstellungen von schwangeren Frauen, die Schwerter schwangen oder Kampfhelme trugen. Zusammen mit neueren Studien über Wikingerfrauen, die als Kriegerinnen begraben seien, gelte es, Geschlechterrollen in den oft als männlich wahrgenommenen Wikingergesellschaften zu überdenken.
Gleichzeitig verweisen die Forschenden auf die überraschend geringe Anzahl von Mutter-Kind-Bestattungen, zumal die Sterblichkeitsrate von Müttern und Kindern in vorindustriellen Gesellschaften sehr hoch war. Sie vermuten, dass diese seinerzeit nicht als symbiotische Einheit galten. Zugleich gehen sie davon aus, dass solche Gesellschaften die Körper bewusst und systematisch unsichtbar machten.
Das übergeordnete Ziel der Studie ist es, Körperpolitik als Thema in der Archäologie zu etablieren. Die Autorinnen und Autoren argumentieren, dass sich durch Analysen in diesem Bereich vermutlich tiefere Erkenntnisse in soziale Machtverhältnisse, Identitätskonzepte oder politische Ordnungen vergangener Gesellschaften gewinnen lassen. Die Politik habe schließlich nicht nur auf dem Schlachtfeld stattgefunden, heißt es.