Von wegen Rechtsförmlichkeit |
Alexander Müller |
22.07.2024 09:00 Uhr |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) konnte sein Apotheken-Reformgesetz noch nicht durchs Kabinett bringen. / Foto: picture alliance / Flashpic
Lauterbach war sich sehr sicher, dass die Pläne für seine umstrittene Apothekenreform am 17. Juli durchs Kabinett gehen würden. Bei einem Apothekenbesuch Anfang des Monats kündigte er an: »Wir sind auf der Endstrecke. Die Ressort-Abstimmungen funktionieren ausgezeichnet. Das ist ja im Gesundheitsbereich sowieso ein Kennzeichen der Ampel, dass wir da gut vorankommen.«
Doch dann stand das Gesetz am vergangenen Mittwoch doch nicht auf der Tagesordnung. Zentrales Thema war die Haushaltsreform. Lauterbach schaffte es immerhin noch, kurzfristig vier andere Gesetze auf die Agenda zu schieben. Nur das Apothekenreformgesetz nicht. Lauterbach sagte zur Erklärung, die Rechtsförmlichkeitsprüfung sei noch nicht abgeschlossen.
Das klingt nach einer reinen Formalität. Und tatsächlich muss das Bundesjustizministerium (BMJ) jedes Gesetzesvorhaben auf seine Rechtsförmlichkeit abklopfen. Es geht etwa um die Gliederung, klare Bezüge der Anlagen sowie stimmige Verweisungen oder eine vernünftige Regelung zum Inkrafttreten.
Doch das ist eben nicht alles. Das BMJ prüft auch die rechtssystemischen Fragen: Welche Bezüge zu höherrangigem Recht (Verfassung, EU-Recht, Völkerrecht) gibt es? Existieren grundsätzliche Widersprüche zur bestehenden Rechtsordnung? Ist der Abstraktionsgrad der Regelungen so gewählt, dass sie künftigen Entwicklungen der betroffenen Rechtsmaterie standhalten?
All das steht beim ApoRG noch aus. Denn nach Informationen der PZ hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Kabinettsvorlage erst wenige Tage vor der Sitzung in die Abstimmung gegeben. Trotz dieser sehr kurzen Frist sollte das Gesetz unbedingt noch auf die Tagesordnung. Doch am Tag vor der Sitzung wurde entschieden, das Vorhaben zu streichen. Jetzt soll es erst bei der Sitzung am 21. August besprochen werden.
Hat das Justizressort sogar bereits verfassungsrechtliche Bedenken oder sonstige Einwände geäußert? Gegenüber der PZ teilte das Haus von Justizminister Marco Buschmann (FDP) mit: »Das BMJ prüft auf der Grundlage der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien die ihm im Rahmen der Rechtsprüfung vorgelegten Entwürfe aller Ressorts in rechtssystematischer und rechtsförmlicher Hinsicht. Die Ressortabstimmung ist ein interner Prozess der Bundesregierung, weswegen hierzu grundsätzlich keine weiteren Auskünfte gegeben werden können.« Was etwaige Bedenken angeht, regt das BMJ an, Fragen zum Inhalt und zum zeitlichen Ablauf an das federführende BMG zu richten.
Offenbar wollte Lauterbach mal wieder mit dem Kopf durch die Wand – so wie er es schon bei seinem Krankenhausreformgesetz gemacht hatte. Das gerade auf Länderebene hoch umstrittene Vorhaben hat der Gesundheitsminister Mitte Mai durchs Kabinett geboxt, dabei ist die Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien bis heute nicht abgeschlossen.
Offiziell heißt es aus den anderen Ministerien stets, die Zusammenarbeit mit Lauterbach laufe gut. Doch hinter vorgehaltener Hand werden seine Alleingänge und mangelhafte Abstimmung als nervig empfunden. Es sei »interessant«, wie schnell der Gesundheitsminister die Ressortabstimmung bisweilen eigenmächtig für beendet erkläre.
Der »Spiegel« hat Lauterbach am Wochenende online ein längeres Stück gewidmet: »Der Mann, der alles besser weiß« zeigt den Minister als jemanden, der nur bei anderen stets die größtmögliche Aufmerksamkeit suche, sei es bei der Corona-Pandemie, dem boulevardtauglichen Thema Cannabis-Legalisierung oder zuletzt sogar bei seinen Stadionbesuchen während der Fußball-Europameisterschaft, die er in den sozialen Medien ausgiebig dokumentierte.
Doch im »komplizierten Teil seiner Amtszeit« schwinde die Beliebtheit Lauterbachs, so der Spiegel. Für sein Gesundes-Herz-Gesetz wurde er sogar von den Krankenkassen heftig angegriffen. Erneut: einfache Lösung, große Aufmerksamkeit. »Lauterbachs Problem ist die Art und Weise, in der er seine Politik durchdrückt. Dass er oft nicht zu überzeugen versucht, sondern losrennt, ohne wichtige Akteure einzubinden, ihnen zumindest das Gefühl zu geben, sie würden gehört. Das lässt den Widerstand dann umso härter ausfallen«, konstatiert der »Spiegel«. Eine Diagnose, die in der Apothekerschaft vermutlich hohe Zustimmung findet.