Von anderen Apotheken lernen |
Daniela Hüttemann |
29.09.2022 18:00 Uhr |
Sich die Zeit für ein ausführliches Patientengespräch zu nehmen, wird nun bei der erweiterten Medikationsberatung endlich bezahlt. Viele Apotheken können es aber zurzeit aufgrund der Personalnot noch nicht anbieten, wie sie gerne würden. / Foto: ABDA
Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat ein Experten-Netzwerk aus Offizinapothekerinnen und -apothekern initiiert. Aus jedem Bundesland ist mindestens eine Person vertreten, die bereits sehr aktiv eine oder mehrere der fünf honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen anbietet, darunter Inhaber und Angestellte aus Dorf-, Kleinstadt-, Stadtteil- und Cityapotheken.
Ziel ist es, sich untereinander auszutauschen, Feedback an die ABDA zu geben und andere Apotheken zu motivieren, hier ebenfalls aktiver zu werden. Bereits das erste virtuelle Treffen diese Woche zeigte, dass es viele kleine Tipps und Tricks gibt, aber auch ähnliche Hürden bei der Implementierung. »Wir können hier voneinander lernen«, erklärte Dr. Nina Griese-Mammen, Abteilungsleiterin Wissenschaftliche Evaluation bei der ABDA. Wie lässt sich das bestehende Material verbessern? Was lässt sich vereinfachen? Wo besteht noch Unterstützungsbedarf?
Grundsätzlich begrüßten alle Teilnehmenden, dass die Krankenkassen nun die Kosten für die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation übernehmen. Viele sind in diesem Bereich bereits seit Jahren aktiv und mussten die entsprechende Leistung den Patienten in Rechnung stellen, was sich manchmal als limitierender Faktor herausstellte. Wünschenswert sei eine Klärung, damit die Kosten auch übernommen werden, wenn Apotheken mit Heimversorgung diese Leistung für Heimbewohner erbringen.
Der größte einschränkende Faktor ist überall die grassierende Personalnot. Viele würden vor allem gern noch mehr Medikationsberatungen durchführen. Ein Apothekeninhaber berichtete, aus Personalmangel noch nicht dazu gekommen zu sein, obwohl seine Mitarbeiterinnen »bereits mit den Hufen scharren«.
Während bei einigen die Nachfrage der Patienten bereits groß ist und sogar Ärzte ihnen Patienten zur Medikationsanalyse schicken, wünschen sich andere mehr Bewerbung in großen Medien sowie Material für die Bewerbung auf der eigenen Homepage und den zugehörigen Social-Media-Kanälen.
Kritik gab es an den formellen Vorgaben, vor allem zur Blutdruckmessung und Inhalativa-Schulung. Den Zeit- und Bürokratieaufwand für diese einfachen Leistungen sehen viele als unverhältnismäßig an. Genau dies ist aber auch Ziel des Netzwerks, also Schwachstellen in der praktischen Durchführung zu benennen und Vereinfachungen zu finden sowie Arbeits- und Infomaterialien zu verbessern und zu ergänzen. Zum Beispiel fehle es noch an einem Feld für die Erfassung der Krankenkassendaten des Versicherten.
Ein weiterer Vorschlag war, den Erhalt der Dienstleistung vom Patienten einfach auf dem Abrechnungsbeleg quittieren zu lassen, wie bei Hilfsmitteln auch. Auch der IT-Support der Software-Anbieter und Rechenzentren müsse noch besser werden. Optimal wäre es, wenn die Apotheken für die pharmazeutischen Dienstleistungen die Versichertenkarten einlesen könnten, wie es auch Arztpraxen jedes Quartal tun, schlug eine Teilnehmerin vor. Gewünscht war auch der Zugang zur elektronischen Patientenakte.
Dorothee Michel, Inhaberin der Markt-Apotheke Eidelstedt in Hamburg, bietet bereits seit etwa zehn Jahren Medikationsanalysen an und beschäftigt sich im Rahmen einer Promotion auch wissenschaftlich damit. Sie habe seit Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen schon viele Medikationsberatungen durchgeführt und abgerechnet. Auch sie wünscht sich, dass bei der Dokumentation Papier reduziert werden kann.
Sie rät anderen Apotheken, einfach anzufangen und sich nicht von vermeintlich komplizierten Medikationen abschrecken zu lassen. »Man lernt mit jedem Fall dazu. Am wichtigsten ist ein offenes Ohr für die Probleme und Wünsche der Patienten«, betont die Hamburger Pharmazeutin. »Nur weil uns eine bestimmte Interaktion auf dem Papier stört, heißt das nicht, dass es für den Patienten wirklich wichtig ist.«
Man dürfe auch nicht den Anspruch haben, mit einer Analyse gleich alle Probleme zu beheben, vor allem wenn »mehrere große Baustellen« bei der Medikation gefunden werden. »Wenn Sie hier zu viele Änderungen vorschlagen, machen Arzt und Patient das oft nicht mit«, so ihre Erfahrung. Besser mit dem für den Patienten gravierendsten Problem starten und die Beratung regelmäßig anbieten.
Magdalena Dolp, angestellt in der Elisabethen-Apotheke in Leutkirch im Allgäu, bietet als ATHINA-Apothekerin bereits seit etwa sechs Jahren Medikationsanalysen an. Auch sie freut sich über die Kostenübernahme, denn manchmal sei es in der Vergangenheit daran gescheitert.
Bevor sie das Angebot als pharmazeutische Dienstleistung aber stärker beworben hat, hatte sie mit den Ärzten in der Umgebung Kontakt aufgenommen. Zunächst mit dem Sprecher des hiesigen Ärzte-Netzwerks, um zu verstehen, welche Bedenken die Mediziner mit dem neuen Angebot aus der Apotheke haben. Diese konnte die Apothekerin dann erfolgreich ausräumen, als sie bei einem Treffen der Ärzteschaft erklärte, was genau (und was nicht) die pharmazeutische AMTS-Prüfung umfasst.
»Einige Ärzte wussten einfach nicht, welches Fachwissen wir haben, was genau wir da machen und wie es sie auch entlasten kann«, so ihr Fazit. »Danach konnten wir in die Vollen gehen.« Dolp gab ein Interview in der Lokalpresse, was nicht nur neue Patienten auch von außerhalb der Kleinstadt gebracht, sondern auch andere Kollegen motiviert habe, loszulegen.
Zum Welttag der Patientensicherheit am 17. September hielt Dolp einen Patientenvortrag unter dem Motto »Arzneimittel-Wechselwirkungen? Nicht bei mir!«, der sehr gut besucht gewesen sei (auch von Ärzten). Die Apotheke bewirbt die Medikationsberatung zudem im Schaufenster und auf der Website; jeder im HV ist geschult, in Frage kommende Patienten anzusprechen.
»Am wichtigsten ist jedoch die Weiterempfehlung von Patient zu Patient«, berichtete Dolp. Mittlerweile sei die Nachfrage so groß, dass sie dank Rückendeckung von Chefin und dem gesamten Team jeden Tag zwei Medikationsberatungen durchführen könne. »Wir lernen jeden Tag dazu, auch wie wir das besser strukturieren können«, so Dolp.
Ein schöner Nebeneffekt: »Wir bekommen nun öfter Rückmeldungen von den Ärzten, wenn wir Fragen zur Verordnung haben. Einige rufen auch bei uns an, wenn sie Fragen zu Wechselwirkungen haben, zum Beispiel wenn sie Paxlovid™ einsetzen wollen. Wir konnten damit unser Berufsbild gegenüber den Ärzten stärken.«