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Aus Theorie wird Praxis
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Vom Hörsaal in die virtuelle Apotheke

An der Universität Greifswald können Pharmaziestudierende in die Rolle eines Offizin-Apothekers schlüpfen – zumindest virtuell. Sie führen Beratungsgespräche, prüfen Rezepte, halten Rücksprache mit Ärzten und entscheiden, ob die Abgabe eines Arzneimittels infrage kommt. Besonders in der aktuellen Situation zahlt sich das digitale Lehrformat aus.
AutorKontaktCarolin Lang
Datum 08.03.2021  07:00 Uhr

Seit dem Sommersemester 2020 steht für Pharmaziestudierende des siebten Semesters in Greifswald neben Vorlesung und Labor die Abgabe von Arzneimitteln in einer virtuellen Apotheke auf dem Lehrplan. Denn in der Klinischen Pharmazie setzt Professor Dr. Christoph Ritter dort auf das sogenannte »Blended-Learning«, wie er in einem Gespräch mit der PZ berichtet. Hierbei wechseln sich Präsenzveranstaltungen der Klinischen Pharmazie mit digitalen Lerneinheiten ab. Das neuartige Lernformat solle diejenigen Kompetenzen stärken, die die Studierenden später in der Beratungssituation in der öffentlichen Apotheke benötigen. »Dazu gehören neben der bloßen Kenntnis der Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels ebenso die kritische Bewertung desselben im therapeutischen Kontext, die Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Kundenberatung«, so Ritter.

Das verwendete Apotheken-Simulationsprogramm »My Dispense« bringt die Studierenden dabei virtuell in die Räume einer öffentlichen Apotheke, in der sie einem fiktiven Patienten entgegentreten. Dieser äußert je nach Übungseinheit entweder einen Wunsch im OTC-Bereich, schildert ein Symptom oder reicht ein Rezept ein. Wie im richtigen Apothekenalltag gilt es bei einem konkreten Präparatewunsch, diesen kritisch zu hinterfragen beziehungsweise das Rezept zunächst auf Formalien zu prüfen. Anschließend müssen die Studierenden den korrekten Lagerort wie den Tresor oder den Kühlschrank für das jeweilige Arzneimittel wählen und es heraussuchen. Während der simulierten Beratung können und sollen sie auf externe Literaturquellen zugreifen oder bei Unklarheiten den verschreibenden Arzt konsultieren. Im Dialog mit den Patienten können sie vorformulierte Fragen stellen, die beispielsweise den Zweck eines Arzneimittels, das Alter, Gewicht oder eine möglicherweise bestehende Schwangerschaft betreffen. Hält der Studierende eine Abgabe für sinnvoll, soll er den Patienten im letzten Schritt per Texteingabe über die korrekte Dosierung und Einnahme aufklären und ihm gegebenenfalls weitere Hinweise mitgeben. Mit der Entscheidung für oder gegen die Abgabe des Arzneimittels ist die jeweilige Übungseinheit beendet.

Die Themen der Übungseinheiten wählt Ritter immer flankierend zum aktuellen Vorlesungsthema. So können die Studierenden das theoretische Wissen direkt praktisch anwenden. Der Schwierigkeitsgrad nimmt dabei Stück für Stück zu.

Beim letzten Schritt einer jeden Übung müssen die Studierenden wählen: Wollen sie das Arzneimittel dem Kunden aushändigen oder nicht? / Foto: Professor Dr. Christoph Ritter
Die Studierenden suchen die abzugebenden Arzneimittel aus verschiedenen Lagerorten der virtuellen Apotheke: Lagerregale (1), Kühlschrank (2) Tresor (3). Bei der Aktivierung des jeweiligen Lagerorts öffnen sich Regalansichten, in denen Produktabbildungen der Arzneimittel zu finden sind. Wird ein Arzneimittel aus dem Tresor gewählt, muss die Abgabe im Betäubungsmittelregister dokumentiert werden, das durch die entsprechende Schaltfläche (4) aktiviert wird. / Foto: Professor Dr. Christoph Ritter

Mehr Praxisnähe

»Ein riesiger Vorteil der virtuellen Apotheke ist, dass die Studierenden die Möglichkeit haben, sich in einem geschützten Raum auszuprobieren und die Abläufe in einer Apotheke kennenzulernen. Sie können die Szenarien so oft sie wollen durchspielen, sich so verbessern und eine Routine entwickeln«, meint Ritter. »Zudem ist es eine gute Vorbereitung auf das Praktische Jahr (PJ). Das schätzen die angehenden Apotheker besonders.« Ein weiterer Vorteil: Direkt nach Abschluss der Übung erfährt der Nutzer, ob er bei der Arzneimittelabgabe die richtige Wahl getroffen hat, bekommt eine Musterlösung und erhält somit ein unmittelbares Feedback auf die erbrachte Leistung.

Die Studierenden des siebten Fachsemesters können zu jeder Zeit standortunabhängig auf das Programm zugreifen und es zum Üben nutzen. Das sei momentan besonders vorteilhaft, denn Pandemie-bedingt könnten Präsenzveranstaltungen nicht stattfinden, meint Ritter. Der konkrete Nutzen des Lehrkonzeptes für die Studierenden soll künftig genauer evaluiert werden.

Digital geht viral

Ursprünglich wurde das Apotheken-Simulationsprogramm My Dispense an der Monash-University in Melbourne, Australien, entwickelt. Seit dem Jahr 2017 arbeitet Ritter mit seiner Arbeitsgruppe daran, das Programm an deutsche Rahmenbedingungen anzupassen und Übungen zu generieren. Seit dem letzten Sommersemester ist es fester Bestandteil des Curriculums in Greifswald. Nach Angaben von Ritter nutzen auch andere Universitäten wie Würzburg das angepasste Programm bereits aktiv. Laut Ritter wollen sich die Standorte in Zukunft untereinander vernetzen, um generierte Übungen miteinander austauschen zu können.

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