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Krisensituationen

Vollblut rettet Leben – ist aber in Deutschland verboten

Blutspenden und -transfusionen sind unverzichtbar und lebensrettend. In militärischen Einsätzen, bei Terroranschlägen oder Naturkatastrophen wird der Bedarf enorm steigen, doch es mangelt schon jetzt an Spendern.
Brigitte M. Gensthaler
12.09.2025  14:00 Uhr

»Unser Ziel ist es, die Versorgung von Schwerverletzten und Patienten auch in der Krise mit hoher Qualität sicherzustellen«, sagte Oberfeldarzt Dr. Diana Sauer, Direktorin der Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämotherapie am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI). Anlässlich ihrer Jahrestagung wies die Fachgesellschaft auf die große Bedeutung der Blutversorgung im Krisenfall hin und rief dringend zum regelmäßigen Blutspenden auf.

Der hämorrhagische Schock durch massiven Blutverlust gehöre zu den häufigsten Todesursachen bei Menschen mit potenziell überlebbaren Verletzungen in militärischen Konflikten oder bei zivilen Großschadenslagen, informierte die Ärztin. »Bei penetrierenden Verletzungen, beispielsweise durch Splitter, spitze Gegenstände oder Waffen, haben wir einen erhöhten Bedarf an Blutprodukten. Gerade in solchen Fällen ist eine schnelle Gabe entscheidend. Verzögert sich die Transfusion, steigt das Risiko zu versterben mit jeder Minute um 2 bis 3 Prozent.«

Die Versorgung von Polytraumata habe sich entscheidend verändert. »Eine frühe Gabe von Vollblut – wie es direkt aus der Vene gespendet wird – wirkt bei schweren Blutungen besser als Infusionslösungen oder eine spätere Therapie mit einzelnen Blutbestandteilen«, erklärte Sauer. »Vollblut rettet Leben.« In Deutschland sei es aber nicht zugelassen. Hier müssen Blutspenden in Einzelbestandteile wie Blutkörperchen, -plättchen oder -plasma aufgeteilt werden.

Die Bundeswehr dürfe Vollblut als Ultima ratio aufgrund einer Verfahrensanweisung im Ausland bei militärischen Einsätzen nutzen – aber nicht im Inland bei Katastropheneinsätzen. Die Bundeswehr sei mit Behörden im Gespräch, um eine Zulassung zu bekommen.

Warum regelmäßiges Blutspenden so wichtig ist

Die Oberfeldärztin warb fürs Blutspenden. »Jede Person, die Blut spendet, trägt zur Sicherheit der Versorgung bei – nicht nur, aber insbesondere in Krisensituationen

Besonders wertvoll seien regelmäßig Spendende, da deren Blutgruppe und das Nichtvorliegen von durch Blut übertragbaren Infektionserregern bekannt sind. Das sei ein entscheidender Vorteil, wenn in Krisenlagen die Diagnostik eingeschränkt oder eine »Warmblutspende«, also von frischem Vollblut, nötig sei. 

Kritisch seien Engpässe vor allem bei »universal verträglichen« Blutprodukten, die alle Patienten unabhängig von ihrer eigenen Blutgruppe empfangen können. Dazu gehören Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0; bei Blutplasma-Transfusionen gilt dies für die Blutgruppe AB. Für Patienten im hämorrhagischen Schock sei Vollblut das Mittel der Wahl. Vollblut der Gruppe 0, das möglichst wenig Anti-A- und Anti-B-Antikörper (Isoagglutinine) im Plasma enthält, ist ebenfalls universal einsetzbar.

»Etwa 40 Prozent der Menschen haben Blutgruppe 0; davon sind je nach Cut-off-Wert 70 bis 75 Prozent sogenannte low titer, das heißt, dass die Isoagglutinin-Titer Anti-A und Anti-B unterhalb eines festgelegten Grenzwerts, oft 1:256, liegen«, präzisierte die Ärztin. Diese Isoagglutinine würden im Plasma verbleiben und nicht herausgefiltert, da es auch in großen Kollektiven keine Berichte über klinisch relevante Hämolysereaktionen nach der initialen Transfusion gebe.

Herausforderungen im Krisenfall

Sauer skizzierte besondere Herausforderungen der Blutversorgung bei Naturkatastrophen, Terroranschlägen oder in militärischen Konflikten – wenn der Bedarf rapide ansteigt. Zerstörte oder blockierte Transportwege, IT- und Kommunikationssysteme, Mangel an medizinischem Personal und Spendern sowie eine beschädigte Infrastruktur, etwa bei Krankenhäusern, Blutspende-Einrichtungen oder -Lagerstätten, könnten die Lage erheblich verschärfen. 

Zu bedenken seien auch Lieferengpässe bei essenziellen Materialien wie Blutbeutelsystemen oder Laborausstattung. »Corona hat uns gezeigt, dass Lieferketten schnell an ihre Grenzen stoßen«, so Sauer. Man müsse über die Herstellung und Vorhaltung von Materialien in Europa nachdenken.

Um den Herausforderungen zu begegnen, müssten nationale und internationale Krisenpläne erstellt werden. Dies könne nur als gesamtstaatlicher Ansatz unter Einbeziehung aller Beteiligten gelingen. Es gehe unter anderem darum, wie Menschen kurzfristig für eine Blutspende mobilisiert und die Spenden gelagert werden, wie Materialbevorratung sichergestellt werden und Blutprodukte unbürokratisch über Grenzen hinweg verteilt werden können. »Auf NATO-Ebene befassen wir uns stark mit der Interoperabilität.«

Triage auch bei Blut

Dennoch ist und bleibt Blut ein rares Gut. »In akuten Krisen melden sich erfahrungsgemäß viele Leute zum Blutspenden, weil die Motivation hoch ist«, sagte die Ärztin. Je nachdem, wie lange die Krise dauert, werde es irgendwann eine Mangel-Ressourcenverteilung geben müssen. Der Standardbedarf an Blut für planbare Operationen müsse eingeschränkt werden.

In einem längeren militärischen Konflikt komme es zu einer Dauer-Unterversorgung, sagte sie mit Blick auf die Ukraine. »Da muss man triagieren.« Gemeint ist die Entscheidung, wer überlebenswichtige Geräte oder Produkte erhält, wenn nicht genügend für alle vorhanden ist. Man müsse dann überlegen, wie man möglichst viele Patienten möglichst gut versorgen könne, fasste Sauer zusammen.

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