Vogelgrippe-Risiko durch Rinder für Menschen noch gering |
Das US-Agrarministerium hat angeordnet, dass ab Montag (29.4.) nur noch Milchkühe mit negativem Vogelgrippe-Test von einem US-Staat zum anderen transportiert werden dürfen. / Foto: Getty Images/Bim
In einer neuen Risikoanalyse zur Vogelgrippe hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) alle Länder am Freitag aufgerufen, neue Erkenntnisse umgehend zu teilen. Sie betrachte das Risiko für die öffentliche Gesundheit, das von dem Virus H5N1 ausgeht, noch als gering.
Das H5N1-Virus, das aus Wildvogelpopulationen stammt, war in den USA überraschend bei Kühen entdeckt worden. Seit Ende März hat das US-Agrarministerium das Virus in mehr als 30 Milchviehbetrieben in rund 10 Bundesstaaten registriert, auch in der Milch selbst. Dort hatte sich auch ein Mensch bei einer Kuh angesteckt. Bei Viren besteht grundsätzlich die Gefahr, dass sie sich verändern und dann einfacher von Mensch zu Mensch übertragen. Das ist bislang mit dem H5N1-Virus nicht der Fall.
«Auf Basis der vorliegenden Informationen schätzt die WHO das Risiko für die öffentliche Gesundheit insgesamt als gering ein», teilte die WHO am Freitag mit. «Bei Menschen, die mit infizierten Vögeln oder Tieren oder mit einer durch das Virus verunreinigten Umgebung in Kontakt kommen, wird das Infektionsrisiko gering bis mäßig eingestuft.» Die Einschätzung könne sich ändern, wenn mehr Informationen vorlägen.
In den USA wurden Bestandteile des Vogelgrippevirus in Milch festgestellt. Ob die Milch eine Rolle bei der Übertragung spielte, werde untersucht, so die WHO. Sie riet erneut, nur pasteurisierte und keine Rohmilch zu konsumieren.
Angesichts von Ansteckungen bei zahlreichen Vögeln sowie mehr und mehr Säugetieren rund um den Erdball befürchten Forschende, dass sich das hochpathogene Vogelgrippevirus weiter verändert. Bei den Kühen – und in vielen anderen Fällen – geht es um die H5N1-Linie 2.3.4.4b.
«Mich überrascht es sehr, dass Kühe nun infiziert sind», sagt Professor Dr. Martin Beer vom bundesweit zuständigen Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald. Aus einem Infektionsversuch von 2006 habe das Institut damals geschlossen, dass Rinder «wohl kaum gefährdet» seien. Derzeit sei das Virus noch «maximal» an Vögel angepasst und habe ein geringes Potenzial Menschen zu infizieren, so der Institutsleiter und Vizepräsident des FLI. Bislang tue der Erreger sich etwa noch schwer damit, die angeborene Immunität des Menschen gegen das Vogelgrippevirus zu überwinden. «Doch jeder neue Säugetier-Wirt kann das Virus dem Menschen ein Stück näherbringen.»
Der Virologe Professor Dr. Martin Schwemmle vom Universitätsklinikum Freiburg ist nach eigenen Angaben ebenfalls von den Viren in Kühen überrascht. Und davon, das der Erreger anscheinend nur wenige Mutationen brauchte, um sich in Milchvieh zu vermehren. Eine Ausbreitung des Virus bei Menschen in Form einer Epidemie oder gar Pandemie hält Schwemmle derzeit jedoch auch für «eher unwahrscheinlich». Dazu habe sich das Virus noch nicht genügend an den Menschen angepasst.
Bislang wurde in den USA zwar nur ein Fall einer Übertragung von Kühen auf einen Menschen bekannt, der zudem nur eine Bindehautentzündung bekam. Doch Beer verweist auf viele nicht gemeldete Arbeiter in den USA, «vor allem auf Rinderfarmen».
Seit 2021 hat die WHO insgesamt 28 Fälle von Vogelgrippe-Infektionen bei Menschen registriert, bei rund der Hälfte handelte es sich um die sogenannte Klade 2.3.4.4b. Eine Übertragung der Vogelgrippeviren von Mensch zu Mensch sei seit 2007 nicht mehr bekannt geworden. Auch wurden laut WHO keine Veränderungen der Viren beobachtet, die eine Infektion über die oberen Atemwege des Menschen erleichtern würde. Eine Übertragung der derzeit zirkulierenden H5N1-Viren von Mensch zu Mensch sei ohne weitere genetische Veränderungen «unwahrscheinlich».