Viele Arzneimittel greifen die Haut an |
Hautveränderungen können viele Ursachen haben. Eine davon ist eine Arzneimittelunverträglichkeit oder -allergie. / Foto: Getty Images/AzmanL
Hinter so manchen Hautproblemen steckt eine Arzneimittelnebenwirkung. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Der US-amerikanische Dermatologe Prince Albert Morrow verfasste zu dem Thema bereits 1887 das Buch »Drug eruptions«.
Die Herausforderung besteht darin, arzneimittelinduzierte Hautveränderungen auch als solche zu erkennen. Kutane unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) können verschiedene Dermatosen imitieren und als Trigger bestehende Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis verschlimmern. Die genaue Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung ist unklar. Schätzungen sind schon deshalb schwierig, weil viele Patienten mit einer banalen und zeitlich limitierten Hautveränderung keinen Arzt aufsuchen. Zudem ist die Abgrenzung zu Hautkrankheiten nicht immer einfach und bei allergisch bedingten Hautveränderungen wird an ein Arzneimittel als Auslöser unter Umständen gar nicht gedacht.
Es gibt Untersuchungen im stationären Umfeld. Demzufolge sind 2 bis 5 Prozent der hospitalisierten Patienten, die Arzneimittel erhalten, von kutanen Nebenwirkungen betroffen. Am häufigsten sind exanthematische (makulopapulöse) Reaktionen, also großflächiger Hautausschlag mit fleckig-knotigen Effloreszenzen (75 Prozent), und Urtikaria (Nesselsucht) mit oder ohne Angioödem (30 Prozent) (1). Penicillin, Sulfonamide und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) weisen die höchste Rate an kutanen Nebenwirkungen auf (2).
Weiterhin ist bekannt, dass allergische Reaktionen auf Medikamente bei Frauen häufiger auftreten als bei Männern.
Genetische Faktoren können Unterschiede im Arzneimittelstoffwechsel bewirken, die Menschen für kutane UAW prädisponieren. Multimorbide Patienten und Senioren, deren Eliminationsorgane oft nicht mehr so gut funktionieren, erleiden ebenfalls öfter Hautveränderungen infolge der Therapie (3, 4).
Bei Kindern, deren Eltern eine echte Arzneimittelallergie haben, besteht ein bis zu 15-fach erhöhtes Risiko für allergische Reaktionen auf dieselben Arzneimittel. In der Pädiatrie können kutane UAW die Auswahl an Medikamenten einschränken, die das Kind in Zukunft erhalten kann (5).
Den UAW können zwei verschiedene Mechanismen zugrunde liegen.
Typ I der allergischen Reaktionen ist Immunglobulin-E-(IgE-)abhängig und kann zu Anaphylaxie, Angioödem und Urtikaria führen. Zytotoxisch bedingte Typ-II-Reaktionen können sich zum Beispiel als Purpura (Kapillarblutungen in Haut- oder Schleimhautschichten) manifestieren. Typ-III-Reaktionen sind Immunkomplexreaktionen, bei denen Immunkomplexe aus Antigenen und Antikörpern entstehen und sich in den Gefäßwänden verschiedener Organe ablagern. Sie manifestieren sich häufig als Vaskulitis. Bei Typ IV handelt es sich um eine Reaktion vom verzögerten Typ, die sich als Kontaktdermatitis oder fotoallergische Reaktion äußern kann.
Für Arzneimittel kann ein bestimmter Typ der Immunreaktion charakteristisch sein. Beispielsweise ist Insulin häufig mit Typ-I-Reaktionen verbunden, während Penicilline, Cephalosporine und Sulfonamide eher Typ-II-Reaktionen verursachen. Chinine und Salicylate können Typ-III-Reaktionen hervorrufen und lokal anzuwendende Mittel wie Neomycin verursachen eher Typ-IV-Reaktionen (7).
Einige Medikamente stehen mit charakteristischen Hautveränderungen im Zusammenhang. Diese sind meistens durch den Wirkmechanismus erklärbar und seltener immunologisch bedingt.
Ein Beispiel sind Glucocorticoide, die die Proliferation von Epidermiszellen hemmen. In der Folge kann die Haut dünner werden. Eine typische kutane Nebenwirkung hat ebenso Amiodaron. Bei UV-Exposition können infolge einer Fotosensibilisierung dunkle Pigmentierungen entstehen (8).
Exantheme mit klein- oder großfleckigem Ausschlag gehören zu den häufigsten kutanen Nebenwirkungen. / Foto: Getty Images/Iuliia Burmistrova
Charakteristische Hautveränderungen sind besonders typisch bei »targeted therapies«, also zielgerichteten Therapien. Ein Beispiel sind die kutanen Nebenwirkungen unter Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die bei fortgeschrittenen bösartigen Erkrankungen zum Einsatz kommen. Eine unspezifische Immunaktivierung kann zu immunbedingten unerwünschten Ereignissen führen, wobei die Haut und ihre Anhangsgebilde häufige Angriffspunkte sind. Es können Entzündungsreaktionen, makulopapulöser Ausschlag, Pruritus oder psoriasiforme und lichenoide Ausschläge entstehen. In den meisten Fällen ist es möglich, die Therapie -fortzusetzen. Die kutanen Nebenwirkungen werden mit topischen und gegebenenfalls auch systemischen Glucocorticoiden behandelt (9–11).
Arzneimittelexantheme weisen ein breites Spektrum an morphologischen Merkmalen auf. Die Symptome fallen meistens mild aus und die Nebenwirkung klingt in der Regel ohne Behandlung ab.
Exanthematische Reaktionen können immunologisch oder nicht-immunologisch bedingt sein. Der Ausbruch erfolgt innerhalb von zwei Wochen nach Einnahme eines neuen Arzneimittels oder innerhalb weniger Tage, wenn es auf die erneute Einnahme des Mittels zurückzuführen ist. Juckreiz ist das häufigste Symptom (7).
Die Mehrzahl der Patienten bildet ein generalisiertes makulopapulöses Exanthem aus. Diese häufigste arzneimittelinduzierte Hautreaktion tritt als kleinfleckiger oder großfleckiger Ausschlag auf und erinnert an Röteln oder Masern (Tabelle 1). Meistens beginnen die Hautveränderungen am Rumpf und gehen auf die Peripherie über, wobei das Gesicht ausgespart sein kann. An den Extremitäten können sich Quaddeln bilden und gelegentlich entwickeln Patienten leichtes Fieber. Arzneimittelexantheme treten häufig nach Einnahme von Aminopenicillinen auf (12, 13).
Art der kutanen Nebenwirkung | Symptome/Beschreibung | Beispiele für auslösende Arzneistoffe |
---|---|---|
Fotosensibilisierung | erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut | Tetracycline (insbesondere Doxycyclin), Hydrochlorothiazid, Amiodaron |
makulöses oder makulopapulöses Exanthem | klein- oder großfleckiges Exanthem, das dem Ausschlag bei Röteln oder Masern ähneln kann | Antibiotika, Antiepileptika, Allopurinol, Nevirapin, Sulfamethoxazol, NSAR |
fixes Arzneimittelexanthem | Exanthem bildet sich bei erneuter Exposition genau an denselben Hautstellen wieder | Tetracycline, Gyrasehemmstoffe, Dapson, NSAR |
Soforttyp-Reaktionen wie Urtikaria | Juckreiz infolge einer allergischen Überempfindlichkeit | Penicilline, Analgetika, Röntgenkontrastmittel, Anästhetika, Muskelrelaxanzien, Lokalanästhetika, Volumenersatzmittel |
Stevens-Johnson-Syndrom und toxische epidermale Nekrolyse (SJS/TEN) | epidermale Blasen und Nekrosen, die zur Abschälung der Epidermis und Mucosa führen | Allopurinol, Carbamazepin, Cotrimoxazol, Phenylbutazon, Phenytoin, Piroxicam, Sulfonamide |
Hypersensitivitätssyndrom (DRESS-Syndrom, Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptoms) | hypererge Reaktion mit generalisiertem Exanthem, Fieber, Eosinophilie, Lymphozytose und Beteiligung innerer Organe (Hepatitis, Nephritis, Pneumonie, Perikarditis, Myokarditis) | Antikonvulsiva, Sulfonamide, Aminopenicilline, NSAR, Allopurinol |
akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP) | schweres, potenziell lebensbedrohliches Arzneimittelexanthem | Antiinfektiva wie Aminopenicilline und Makrolide |
Fixe Arzneimittelexantheme (FAE) können unter anderem durch Analgetika (NSAR wie Ibuprofen und Naproxen, Etoricoxib oder Paracetamol), Antibiotika wie Ciprofloxacin, Clarithromycin, Cotrimoxazol und Doxycyclin, durch Fluconazol oder Phosphodiesterase-5-Hemmer ausgelöst werden.
Es handelt sich gewöhnlich um einzelne oder mehrere gut abgrenzbare Flecken oder Plaques auf der Haut oder den Schleimhäuten, die in der Mitte bullös (blasig) sein können. Ein Rezidiv bildet sich nach erneuter Verabreichung des auslösenden Medikaments an derselben Stelle erneut. Das FAE entwickelt sich innerhalb von wenigen Stunden nach Einnahme des Medikaments.
Die meisten Läsionen sind asymptomatisch, etwa ein Viertel der Patienten entwickelt lokale Symptome wie Brennen oder Jucken. Die Hautveränderungen treten an den oberen und unteren Extremitäten, Rumpf, Kopf, Lippen und Schleimhäuten einschließlich Mundhöhle und Genitalien auf. Wenn die Exantheme abheilen, bleibt eine länger anhaltende postinflammatorische Hyperpigmentierung zurück (6, 12, 14, 15).
Urtikaria ist – nach den Exanthemen – die zweithäufigste Form der kutanen UAW. Die medikamenteninduzierte Urtikaria (drug-induced urticaria, DIU) äußert sich mit Quaddeln, Juckreiz, Brennen, Rötung, Schwellung und mitunter einem Angioödem.
Bei einem Angioödem sind die Gefäße durchlässiger und es sammelt sich Wasser in der Haut oder Schleimhaut an. Starke plötzliche Schwellungen sind die Folge. Angioödeme sind eine typische Nebenwirkung von ACE-Hemmern, da die Arzneistoffe den Abbau von Bradykinin, einem starken Vasodilatator, beeinträchtigen.
Urtikaria-Symptome entwickeln sich einige Stunden nach der Einnahme des verursachenden Arzneimittels und klingen normalerweise innerhalb eines Tages wieder ab (Tabelle 2). Angioödeme können bis zu 72 Stunden fortbestehen, bis sie vollständig abgeklungen sind (16). Als Auslöser ist an einige Antibiotika (Cephalosporine, Penicilline, Tetracycline, Aminoglykoside, Sulfonamide), Analgetika (NSAR, Opioide), Röntgenkontrastmittel, ACE-Hemmer, Hydralazin, Antimykotika (Ketoconazol, Fluconazol), Steroide, Polypeptidhormone (Insulin, Corticotropin, Vasopressin) sowie Anästhetika (lokal und allgemein) zu denken.
Reaktion | Latenzzeit zwischen Anwendung und Hautreaktion |
---|---|
Urtikaria, Asthma, Anaphylaxie | bis 1 Stunde, selten bis 6 Stunden |
fixes Arzneimittelexanthem | bis 48 Stunden, selten länger |
makulopapulöses Arzneimittelexanthem | 4 bis 14 Tage (bei Wiederholungsreaktionen meist schneller) |
AGEP | 1 bis 12 Tage (bei Antibiotika eher 1 bis 2 Tage, bei anderen Arzneimitteln 7 bis 12 Tage) |
SJS/TEN | 4 bis 28 Tage (bei Allopurinol manchmal länger) |
DRESS | 2 bis 8 Wochen |
Es können sowohl allergische (immunologisch vermittelte) als auch pseudoallergische (nicht-immunologisch vermittelte) Mechanismen zugrunde liegen. In der Praxis kann das schwer zu unterscheiden sein. Die durch IgE-Antikörper vermittelte Typ-I-Überempfindlichkeitsreaktion löst eine akute generalisierte Urtikaria aus. Ein Beispiel ist die allergische Reaktion auf Beta-Lactam-Antibiotika.
Ein Angioödem ist die Maximalform der Urtikaria und kann lebensbedrohlich verlaufen, wenn die oberen Atemwege zuschwellen. / Foto: Getty Images/SaevichMikalai
Allerdings sind IgE-Antikörper nicht immer notwendig, um die Freisetzung von Mediatoren aus Mastzellen zu aktivieren und eine akute Urtikaria auszulösen. Einige Medikamente wie Opiate oder Codein wirken direkt auf Mastzellen. Prototypen für nicht-allergische Reaktionen sind Hautreaktionen nach NSAR. Diese nicht-steroidalen Analgetika hemmen den COX-1-Signalweg, was zu einer erhöhten Produktion von Leukotrienen führt. Diese sind an allergischen und entzündlichen Reaktionen des Körpers beteiligt und können Urtikaria und Ödeme hervorrufen oder verstärken (NSAR-Intoleranz, Analgetika-induzierte Urtikaria, AIU).
Topische Antibiotika, Desinfektionsmittel oder Lokalanästhetika können ebenfalls eine Urtikaria verursachen, die manchmal zu einer generalisierten Urtikaria und sehr selten zu anaphylaktoiden Reaktionen führt (17–21).
Schwere kutane Nebenwirkungen sind glücklicherweise selten. Das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxische epidermale Nekrolyse (TEN, früher als Lyell-Syndrom bekannt) sind Varianten derselben Erkrankung, wobei die TEN die Maximalform des SJS darstellt. Beide Formen unterscheiden sich anhand des Ausmaßes der Hautschädigung:
SJS/TEN tritt jährlich bei zwei bis sieben Personen pro eine Million auf. Menschen mit einer entsprechenden genetischen Veranlagung erkranken häufiger. So besteht zum Beispiel eine Assoziation zwischen einem durch Allopurinol ausgelösten SJS/TEN und dem Allel HLA-B*5801. Weiterhin stellt eine HIV-Infektion einen Risikofaktor dar. Bei der akuten und potenziell tödlich verlaufenden Hautreaktion löst sich die Epidermis der Haut und meist auch der Schleimhäute ab; die meisten Patienten entwickeln begleitende systemische Symptome.
Die Erkrankung entwickelt sich innerhalb weniger Tage bis acht Wochen nach Einnahme eines neuen Arzneimittels (Tabellen 1 und 2). Sie beginnt mit unspezifischen Beschwerden wie Fieber und Unwohlsein, Symptomen der oberen Atemwege wie Husten, Schnupfen, schmerzenden Augen und Myalgie. Im Lauf der nächsten drei bis vier Tage entwickelt sich ein blasenbildender Ausschlag. Schleimhautulzerationen und -erosionen können Lippen, Mund, Rachen, Speiseröhre und Magen-Darm-Trakt, Augen, Genitalien und die oberen Atemwege betreffen. Leber, Nieren, Lunge, Knochenmark und Gelenke können ebenfalls Schaden nehmen. Komplikationen sind sekundäre Infektionen und Sepsis.
In mehr als 80 Prozent der Fälle sind Medikamente ursächlich. Zu den potenziell auslösenden Mitteln zählen Antiepileptika (wie Lamotrigin, Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital), Allopurinol, insbesondere in Dosen über 100 mg pro Tag, Sulfasalazin, Antibiotika (Cotrimoxazol, Penicilline, Cephalosporine, Chinolone, Minocyclin), Paracetamol, Nevirapin, NSAR (hauptsächlich vom Oxicam-Typ) sowie Kontrastmittel.
Die genaue Entstehung von SJS/TEN ist noch nicht entschlüsselt. Vermutlich löst das Arzneimittel eine T-Zell-vermittelte zytotoxische Reaktion in Keratinozyten aus. Zytotoxische T-Zellen und natürliche Killerzellen schütten Granulysin aus, das die Hautzellen stark schädigt.
Die Behandlung erfolgt multidisziplinär im Krankenhaus. Die oberste Priorität ist, so schnell wie möglich das auslösende Medikament zu finden und abzusetzen. Es ist unklar, ob systemische Glucocorticoide von Nutzen sind, sie werden jedoch häufig in hohen Dosen für die ersten drei bis fünf Tage nach der Aufnahme verschrieben. Zu den anderen eingesetzten Medikamenten gehören Ciclosporin, Tumornekrosefaktor-α-Inhibitoren, N-Acetylcystein und intravenöse Immunglobuline. Die Wirksamkeit ist auch hier umstritten.
Die häufigsten Langzeitkomplikationen sind Augenschäden (einschließlich Blindheit), Hautkomplikationen (Pigmentveränderungen und Narbenbildung) und Nierenfunktionsstörungen. Personen, die SJS/TEN überlebt haben, müssen das verursachende Arzneimittel oder strukturell verwandte Arzneimittel lebenslang meiden, da die schwere Hautschädigung erneut auftreten kann (22–25).
Foto: Getty Images/Boy_Anupong
Bei der Alopecia medicamentosa verlieren Patienten drei bis sechs Monate nach der Einnahme eines Arzneimittels vermehrt Haare. Nach dem Absetzen ist der Haarausfall meistens reversibel. Als Auslöser kommen unter anderem Azathioprin, Methotrexat, einige Analgetika, ACE-Hemmer, Colchicin, Retinoide, Lipidsenker und Heparine infrage.
Am meisten gefürchtet ist Haarausfall vermutlich als Nebenwirkung von Zytostatika. Die Chemotherapie-induzierte Alopezie setzt wenige Wochen nach Behandlungsbeginn ein. Neben den Haaren auf dem Kopf kann auch die Behaarung an anderen Körperstellen wie Gesicht oder Schambereich betroffen sein. Eine Möglichkeit, dem Haarverlust vorzubeugen, ist die Kopfhautkühlung. Eine systematische Bewertung der Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Kopfhautkühlung bei Brustkrebspatientinnen aus China zeigte 2018, dass die Kühlung den Haarverlust erheblich verringern konnte. Bei dem Verfahren können Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Schwindel, Hautausschlag oder Übelkeit auftreten.
Als Ursache eines medikamenteninduzierten Haarausfalls könnten monoklonale Antikörper bislang unterschätzt werden. In einer Untersuchung aus den USA machten monoklonale Antikörper sechs der zehn häufigsten Medikamente aus, die mit Alopecia areata in Zusammenhang standen. An der Spitze stand Pertuzumab; es folgten Trastuzumab, Infliximab, Dupilumab, Adalimumab und Etanercept. Drei der zehn weiteren häufigsten Auslöser waren Zytostatika (Docetaxel, Carboplatin und Cyclophosphamid).
Literatur: 31–35
Kutane UAW können chronisch verlaufen und als dermatologische Erkrankungen erscheinen. Die Herausforderung besteht darin, die medikamentöse Ätiologie von einer »klassischen« Dermatose abzugrenzen (26).
Ein Beispiel für eine arzneimittelinduzierte Hauterkrankung ist die Weißfleckenkrankheit Vitiligo. Sie wird insbesondere mit einer Anti-TNFα-Therapie in Zusammenhang gebracht. Anhand von Daten aus der koreanischen National-Health-Insurance-Claims-Datenbank von 2007 bis 2016 zeigten Forscher aus Südkorea, dass die Therapie das Risiko für Vitiligo erhöhen kann. Besonders hoch war es für jüngere Patienten und mit Etanercept behandelte Personen.
Die Forscher nahmen als eine mögliche Ursache an, dass eine langfristige TNF-Hemmung zu einem Ungleichgewicht im Zytokinhaushalt führt. Da das komplexe Zusammenspiel verschiedener Zytokine an der Pathogenese einer Vitiligo beteiligt ist, könnte die Hemmung eines Zytokins das Gleichgewicht stören und möglicherweise die Depigmentierung auslösen (27).
Eine Vitiligo als Arzneimittelfolge: Besonders die Therapie mit TNF-α-Inhibitoren wird damit in Zusammenhang gebracht. / Foto: Getty Images/kali9
Unter einer Therapie mit Dupilumab sind kutane Nebenwirkungen ebenfalls nicht selten. Eingesetzt wird der monoklonale Antikörper bei der atopischen Dermatitis, bei schwerem Asthma und einigen weiteren Indikationen. Als unerwünschte Wirkungen wurden Gesichtsröte, Psoriasis, Alopecia areata, Schälung der Haut, Parapsoriasis und Vitiligo gemeldet, wie eine retrospektive Analyse von 916 Patientenakten der Universitätshautklinik in Neapel zeigte (28, 29).
Checkpoint-Inhibitoren können gelegentlich die Autoimmunkrankheit bullöses Pemphigoid auslösen, bei der die Haut prall gefüllte Blasen bildet. Die genauen Zusammenhänge und die Pathogenese sind noch nicht erforscht (30).
Weiterhin kann Lupus erythematodes medikamentös induziert werden. Es handelt sich um eine Typ-III-Reaktion, die unter anderem durch α-Methyldopa, Infliximab, Etanercept, Isoniazid oder Phenytoin ausgelöst werden kann. Symptome sind Fieber, allgemeine Schwäche, Lymphknotenentzündung und Rötungen an Wangen und Nase (»Schmetterlingserythem«) (24).
Foto: Getty Images/Steven Puetzer
Nicht jeder verträgt Wundschnellverbände. Verantwortlich für die Kontaktallergie, die sich mit Symptomen wie Rötung, Juckreiz, schmerzender und rissiger Haut sowie Quaddeln äußern kann, sind meistens Klebstoffe.
Zinkoxid-Kautschuk ist als Klebemasse verbreitet und hat eine hohe Klebekraft, was das Abnehmen des Pflasters jedoch schmerzhaft machen kann. Der verwendete Kautschuk kann natürlicher oder synthetischer Herkunft sein. Produkte mit natürlichem Kautschuk (Latex) können Allergene enthalten, auf die einige Menschen reagieren. In der Klebemasse enthaltene Harze und Weichmacher wie Wollwachs sind weitere mögliche Ursache für Unverträglichkeitsreaktionen, ebenso Dispersionsmittel oder Rückstände.
In den als hypoallergen bezeichneten Wundschnellverbänden wird als Klebemasse häufig Polyacrylat verwendet. Die Klebekraft ist geringer als bei Kautschuk und die Pflaster lassen sich leichter wieder von der Haut ablösen. Pflaster mit Silikonklebemasse gelten als besonders hautschonend. Wer jeglichen Kontakt mit Klebematerialien vermeiden will, kann auch eine Wundkompresse auflegen und diese mit einem Verband fixieren. Eine weitere Alternative sind Sprühpflaster. Hier bildet ein Polymer nach Verdampfen des Lösungsmittels einen schützenden Film über der Wunde.
Ein Epikutantest beim Arzt kann Gewissheit verschaffen, auf welches Material genau die Betroffenen reagieren. Der Test ist vor allem für Menschen empfehlenswert, die ein System zur kontinuierlichen Glucosemessung nutzen oder als Träger einer Insulinpumpe dauerhaft auf Pflaster angewiesen sind.
Literatur: 36–38
Bei einer kutanen Nebenwirkung ist die erste Aufgabe, das auslösende Arzneimittel ausfindig zu machen. Bei der Suche hilft der zeitliche Zusammenhang. Ferner ist zu berücksichtigen, ob eingenommene Medikamente für entsprechende Nebenwirkungen bekannt sind und ob Familienangehörige des Patienten bereits mit ähnlichen Symptomen auf ein Mittel reagiert haben.
Wurde das Arzneimittel gefunden, kann der Patient es bestenfalls nach Rücksprache mit dem Arzt absetzen. Als Ersatz kann ein Mittel aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder ein Vertreter derselben Gruppe, bei dem die Nebenwirkung nicht so stark ausgeprägt ist, infrage kommen. Hier ist eine Nutzen-Risiko-Abschätzung nötig.
Da die meisten kutanen UAW eher mild verlaufen und spontan abheilen, reicht es in der Regel aus, die Symptome zu behandeln. Bei leichten Beschwerden kann das Apothekenteam kühlende Umschläge, juckreizstillende Externa oder Antihistaminika zum Einnehmen empfehlen. In schwereren Fällen sind topische Glucocorticoide (wie Betamethason-Creme) kurzfristig sicher und können die Symptome lindern. Selten ist eine orale oder intravenöse Therapie mit Glucocorticoiden erforderlich. Darüber entscheidet dann der Arzt (4, 7).
Am besten ist es, wenn Patienten eine erneute Exposition gegenüber dem verantwortlichen Medikament vermeiden. Manche Menschen tolerieren allerdings die erneute Anwendung auch. Das kann daran liegen, dass das Medikament für die Symptome gar nicht verantwortlich gewesen oder die Arzneimittelempfindlichkeit im Lauf der Zeit zurückgegangen ist. Möglicherweise beruhte die Hautreaktion auch auf einer Grunderkrankung, die nun abgeklungen ist.
Grundsätzlich können auch Hilfsstoffe Allergien oder Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen. Patienten mit bekannten Allergien sollten daher bei jedem neuen Arzneimittel die Liste der sonstigen Bestandteile prüfen oder das Apothekenteam nach der Zusammensetzung fragen. Bei plötzlichen Hautveränderungen sollten Apotheker die Pharmakotherapie überprüfen und dabei besonders auf Arzneimittel achten, die für kutane Nebenwirkungen bekannt sind und die erst kürzlich neu dazukamen (4).
Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach der Approbation absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.