vfa und AOK fordern AMNOG-Reform |
Melanie Höhn |
20.07.2023 13:00 Uhr |
Laut vfa muss das AMNOG-Regelwerk der Nutzenbewertung und Preisverhandlung an die Weiterentwicklung in der Medizin angepasst werden. / Foto: Adobe Stock/StudioLaMagica
Der vfa forderte jüngst in einer Mitteilung, dass die Nutzenbewertungs- und Erstattungsregeln für Arzneimittel in Deutschland modernisiert werden sollten und legte ein Reformkonzept namens »AMNOG 2025« vor. Der Verband führte darin aus, dass das AMNOG-Regelwerk der Nutzenbewertung und Preisverhandlung an die Weiterentwicklung in der Medizin angepasst werden müsse. »Gen- und Zelltherapien, zielgerichtet bei kleinen, spezifischen Patientenpopulationen wirkende Arzneimittel und die mRNA-Technologie stehen für eine neue Ära der Präzisionsmedizin, bei der die klassischen Pfade der Evidenzgenerierung an Grenzen stoßen«, heißt es seitens des vfa. Für solche neuartigen Therapien brauche es ein offeneres und flexibleres AMNOG.
Hinzu komme der Anpassungsbedarf, den die Umsetzung der europäischen Health Technology Assessment (HTA)-Verordnung für das AMNOG mit sich bringe: Ab 2025 sollen neue Arzneimittel in einem Mehrstufenmodell ein europäisches klinisches Bewertungsverfahren durchlaufen. Der vfa schlägt vor, eine verpflichtende Berücksichtigung der gemeinsamen europäischen Arbeitsergebnisse im nationalen Prozess festzulegen. »Dies dient der Vermeidung von Doppelarbeit und der Stärkung der Qualität der klinischen Bewertungen«, so der Verband.
Die Idee des Verbands ist zudem, das Verhandlungsprinzip des AMNOG zu stärken. »Die Verhandlungspartner brauchen den nötigen Spielraum, um therapeutische Verbesserungen anzuerkennen und die jeweilige Marktsituation zu berücksichtigen. Systemfremde Elemente, wie sie das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) eingeführt hat, müssen wieder beseitigt werden«, wie es weiter heißt. Starre »Leitplanken« oder zusätzliche pauschale Abschläge für kombinierte Medikamente würden den Freiraum für Verhandlungen einschränken und seien ein »Fremdkörper im AMNOG«.
Mit dem GKV-FinStG seien die Preisfindungsregeln für neue Arzneimittel tiefgreifend verändert worden. »Der Gesetzgeber konstruierte ein starres Korsett von Vorgaben für die Erstattungsbetragsverhandlungen, die den Zusatznutzenbeschluss des G-BA entwerten und das Prinzip der nutzenbasierten Preisfindung untergraben. Ein im Vergleich zur Standardtherapie besseres Arzneimittel erhält so nicht mehr unbedingt einen höheren Preis«, so der vfa. Zudem gab es pauschale Preisabschläge für Kombinationstherapien. Diese strukturellen Eingriffe hätten das AMNOG-Verfahren in eine gefährliche Schieflage gebracht. Sie beeinträchtigen bereits wenige Monate nach Inkrafttreten die Verfügbarkeit neuer Therapien in Deutschland und sind das Gegenteil einer nachhaltigen Standortpolitik für forschende Pharmaunternehmen«, kritisiert der Verband.
Laut Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, müsse beim Thema AMNOG zunächst über faire Preismodelle, ethische und wirtschaftliche Grenzen von Gewinnmargen sowie die tatsächlichen Forschungs- und Entwicklungskosten gesprochen werden. »Es kann nicht sein, dass Pharmaunternehmen weiter auf Kosten der Beitragszahlenden ihre Gewinne maximieren, indem sie öffentliche Forschungsförderung nochmals in Rechnung stellen«, beanstandete sie.
Um dem Trend zur Hochpreisigkeit von Arzneimitteln zu begegnen, gibt es laut Reimann mit dem Interimspreis ab Markteintritt eine Lösung: »Dass der verhandelte Erstattungsbetrag für neue Arzneimittel künftig bereits nach sieben statt bisher zwölf Monaten nach Markteintritt gilt, reicht nicht aus. Denn Hersteller können immer noch sechs Monate lang hohe Gewinne für die von ihnen festgesetzten Preise einfahren, unabhängig davon, ob das neue Arzneimittel einen Mehrwert für die Versorgung bringt oder nicht«, sagte sie. Seit Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes im November 2022 gilt der Erstattungsbetrag rückwirkend ab dem siebten Monat nach Markteintritt. Zuvor war der Erstattungsbetrag erst zwölf Monate nach Markteintritt wirksam geworden.
Für eine faire Preisbildung bedürfe es »jedoch noch mehr, vor allem mehr Transparenz zu den tatsächlichen Kosten für Forschung und Entwicklung, aber auch zu den Gewinnmargen«. Gewinne der Pharmaindustrie würden bislang durch Unterstützung der öffentlichen Hand ermöglicht, zum Beispiel durch Forschungs- und Standortförderung sowie steuerliche Vorteile. Reimann führte den vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) herausgegebenen Arzneimittel-Kompass 2021 mit dem Schwerpunkt »Hochpreisige Arzneimittel - Herausforderung und Perspektiven« an: Hier seien bereits entsprechende Regelungsvorschläge für eine Anpassung gemacht worden. »So könnte auf alle Investitionen und Kosten der pharmazeutischen Unternehmen ein Grundgewinn in Höhe von 8 Prozent gewährt werden. Echte Therapie-Innovationen würden zudem mit einem Aufschlag von bis zu 40 Prozent auf die Kosten honoriert werden. Dies schafft einen Anreiz für die Forschung und Entwicklung und trägt entscheidend dazu bei, überzogene Höchstpreise zu stoppen«, so Reimann weiter.