Vfa sorgt sich um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit |
Melanie Höhn |
27.11.2023 14:35 Uhr |
Für die pharmazeutische Industrie sei beispielsweise eine Vereinfachung im Bereich der klinischen Studien dringend notwendig, ebenso wie der Datenzugang und die Nutzbarkeit von anonymisierten Gesundheitsdaten in Deutschland, heißt es im »Economic Policy Brief« des vfa. / Foto: IMAGO/sepp spiegl
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds am 15. November hat weitreichende Folgen für etliche Bereiche und schränkt die Bundesregierung in ihren Handlungsmöglichkeiten ein. Auch die deutsche Chemieindustrie sorgt sich nun um den Produktionsstandort Deutschland. In einem »Economic Policy Brief« hat sich heute auch der vfa dazu geäußert.
Die Autoren um Professor Ferdinand Fichtner von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin schreiben darin, dass das Urteil nicht nur auf den Klima und Transformationsfonds (KTF) zutreffe: »Es dürfte auch für die Sondervermögen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und die Sondervermögen auf Ebene der Länder gelten«, heißt es in dem Bericht.
Die Herausforderungen in der Haushaltsaufstellung seien groß, zumal die Haushaltsaufstellung für das kommende Jahr weit fortgeschritten war. »Die Aushandlungsprozesse zu den einzelnen Elementen waren intensiv – beispielsweise in der Debatte um die Kindergrundsicherung oder das Wachstumschancengesetz«, erklären die Autoren. Dementsprechend schwierig werde es, im Rahmen der neuen finanzpolitischen Grenzen Prioritäten zu setzen. Ob neue und wenn ja, welche finanzpolitischen Spielräume kurzfristig geschaffen werden könnten, werde sich in den kommenden Wochen herausstellen müssen.
»Unabhängig von diesen Prozessen hätten globale Kürzungen im Ausgabenverhalten des Staats unmittelbare konjunkturelle Konsequenzen«, argumentieren sie. Eine von ihnen ausgearbeitete Simulation zeige, dass die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts für das kommende Jahr um 0,9 Prozentpunkte geringer ausfallen werde, »mit deutlich sichtbaren Folgen für Beschäftigung, Löhne, Investitionstätigkeit und die unternehmerischen Aktivitäten im Land. Damit würde Deutschland nach dem Stagnationsjahr 2023 erneut praktisch kein nennenswertes gesamtwirtschaftliches Wachstum aufweisen und so gegenüber anderen Volkswirtschaften weiter an Boden verlieren«, befürchten die Verfasser des Berichts und schreiben weiter: »Dies muss nicht hingenommen werden. Wenn finanzielle Spielräume enger werden, ist es umso wichtiger, Maßnahmen gezielter auszurichten und die Chancen zu nutzen, die auch mit geringeren finanziellen Mitteln möglich sind. Dazu zählt auch, die Rahmenbedingungen für innovationsstarke Branchen mit globalem Wachstumspotenzial zu verbessern«.
Gerade für Unternehmen aus der Pharma- und Life-Sciences-Branche gebe es zahlreiche bürokratische Prozesse, die dazu führen würden, dass der Innovationsstandort international an Wettbewerbsfähigkeit verliere. Ähnliches gelte für die Bereitstellung und Nutzung von Daten und der Verfügbarkeit digitaler Technologien. »Für die pharmazeutische Industrie ist beispielsweise eine Vereinfachung im Bereich der klinischen Studien dringend notwendig, ebenso wie der Datenzugang und die Nutzbarkeit von anonymisierten Gesundheitsdaten in Deutschland. Zuletzt ist auch die Offenheit der Märkte für Innovationen ein wichtiges Kriterium für die Ansiedlung von Hightech-Branchen«, so die Autoren.
Häufig werde zudem vergessen, dass Investitionen in Deutschland in erheblichem Umfang ohne öffentliche Förderung realisiert würden. »Diesen Bereichen kommt in der jetzigen Phase eine Schlüsselrolle zu. Deshalb sollten diese Wirtschaftsbereiche jetzt entsprechend unterstützt werden«, fordern die Verfasser des Policy Briefs. Ebenso dürfe nicht die Fehlannahme Raum gewinnen, die Herausforderungen der Demografie, der Energiewende, der Digitalisierung und der geopolitischen Herausforderungen könnten ohne einen grundlegenden Umbau der Infrastruktur und einer Modernisierung des Kapitalstocks gestemmt werden. Hierzu müsse die notwendige finanzpolitische Flexibilität geschaffen werden.