Verzicht auf Probezeit – das müssen Arbeitgeber wissen |
Jasmin Herbst |
Kanzlei Dr. Schmidt und Partner |
04.10.2023 18:00 Uhr |
Arbeit auf Probe? Auch ohne eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Probezeit können neue Apothekenfachkräfte in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses gekündigt werden. / Foto: Getty Images/bymuratdeniz
Der Bedarf an Fachkräften und Nachwuchs in den Apotheken ist groß; die Zahl der Bewerber reicht bei Weitem nicht, um die Nachfrage in den Offizinen, insbesondere auf dem Land, zu decken. Angehende Arbeitnehmer sind dadurch in einer privilegierten Position, ihre Forderungen nach bestimmten Arbeitskonditionen leichter durchzusetzen. Denn froh, überhaupt Personal zu finden, ist der Arbeitgeber meist eher bereit, Konzessionen zu machen. Mittlerweile kommt es immer häufiger vor, dass Bewerber sich nur dann für eine Stelle entscheiden, wenn im Arbeitsvertrag auf eine Probezeit verzichtet wird. Sollte der Arbeitgeber der Forderung nachkommen? Oder beschneidet er sich damit in seinen Rechten?
Zunächst gilt es zu klären, was der Begriff »Probezeit« überhaupt bedeutet. Die Begrifflichkeit der Probezeit findet sich in § 622 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dieser gesetzlichen Regelung ist es den Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich gestattet, eine Vereinbarung zu treffen, wonach in einem Zeitraum von maximal sechs Monaten eine verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen gelten soll. Problematisch dabei ist aber, dass der Begriff »Probezeit« häufig synonym zum Begriff »Wartezeit« verwendet wird, obwohl diese beiden Begrifflichkeiten strikt voneinander zu trennen sind.
Gemäß § 1 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet für den Zeitraum der ersten sechs Monate nach Begründung eines Arbeitsverhältnisses das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Dies hat zur Folge, dass es im Rahmen dieser Wartezeit dem Arbeitgeber vereinfacht möglich ist, ein Arbeitsverhältnis einseitig durch Kündigung zu beenden. Erst nach Ablauf der Wartezeit, also nach sechsmonatigem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern greift das Kündigungsschutzgesetz. Erst dann ist eine Kündigung grundsätzlich wirksam möglich, wenn ein verhaltens-, personen- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt.
Wenn der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag eine Klausel mit aufnimmt, etwa »Die Parteien verzichten auf eine Probezeit«, dann führt dies bei dem Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung im Rahmen der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses lediglich dazu, dass statt der zweiwöchigen, eine vierwöchige Kündigungsfrist einzuhalten ist. Die gesetzlich geregelte Wartezeit von sechs Monaten ermächtigt den Arbeitgeber aber auch bei vertraglich vereinbartem Probezeitverzicht dazu, das Arbeitsverhältnis außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes vereinfacht kündigen zu können.
Erst der vertragliche Verzicht der Wartezeit gemäß § 1 Absatz 1 KSchG hätte also gravierende Konsequenzen für den Arbeitgeber. Der bloße Verzicht auf die Vereinbarung einer Probezeit bedeutet hingegen lediglich, dass keine verkürzte Kündigungsfrist gilt.
Fazit: Der Verzicht auf eine Probezeit hat nicht zur Folge, dass ab Tag eins des Beschäftigungsverhältnisses der allgemeine Kündigungsschutz gemäß des KSchG greift. So hat es auch bereits das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg entschieden (Urteil vom 18. Juni, 2019, Az. 15 Sa 4/19).
Die Begrifflichkeiten der »Probezeit« und der »Wartezeit« sind strikt voneinander zu trennen.
Die Autorin Jasmin Herbst ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mediatorin bei der Kanzlei Dr. Schmidt und Partner in Koblenz.