Versorgung nur über Notdienstklappe |
Lukas Brockfeld |
17.04.2024 12:04 Uhr |
Auf einer Pressekonferenz am Montag erklärte der ThAV-Vorsitzende Stefan Fink die schwierige Lage der Apotheken und kündigte Proteste an. / Foto: LAKT / Jacob Schröter
In Thüringen können die Patientinnen und Patienten die Apotheken am Mittwochnachmittag nur über die Notdienstklappe erreichen. Die Arzneimittelversorgung bleibt nach Angaben des Thüringer Apothekerverbands (ThAV) gewährleistet, jedoch müssen Kunden mit Warteschlangen und Verzögerungen rechnen.
Die deutliche Mehrheit der Apotheken in Thüringen wird laut dem ThAV an der Protestaktion teilnehmen und zusätzlich ihre Schaufenster rot beziehungsweise schwarz dekorieren oder auch das Apotheken-A abhängen. Die Schaufensteraktion soll noch bis zum 21. April fortgeführt werden. Klappendienst wird es aber nur am Mittwochnachmittag geben.
Die Apotheken protestieren mit der Aktion gegen die zunehmend wegbrechende Arzneimittelversorgung in der Fläche bedingt durch die rasant steigende Anzahl von Apothekenschließungen. Der Apothekerverband erklärte, dass sich die Bundesregierung seit Jahren aus Kostengründen weigere, das staatlich fixierte Apothekenhonorar der Ausgabenentwicklung anzupassen.
In dieser schon schwierigen Lage habe die Bundesregierung 2023 den Kassenabschlag erhöht und dadurch die wirtschaftliche Situation der Apotheken noch einmal signifikant verschärft.
Nach Angaben des ThAV stehen in Thüringen derzeit 43 Prozent oder 211 der 491 noch existierenden Apotheken vor dem wirtschaftlichen Aus. 10 Prozent schrieben 2023 bereits rote Zahlen. Der Verband rechnet damit, dass dieser Anteil 2024 auf 13 Prozent ansteigen wird. »Diese 64 Apotheken sind unverschuldet so gut wie insolvent«, betont Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes.
Er ergänzt: »Wir erleben gerade die größte Schließungswelle öffentlicher Apotheken in der Geschichte der Bundesrepublik, weil die Bundesregierung sich seit Jahren ihrer Verantwortung konsequent entzieht.« Thüringen habe in den letzten 15 Monaten 16 Apotheken verloren. Bundesweit mussten 2023 fast 500 Apotheken schließen – so viele, wie es in Thüringen aktuell noch gibt.
Aufgrund dieser Zahl fand am Montag in Erfurt eine gemeinsame Pressekonferenz statt, auf der neben Stefan Fink auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und Ronald Schreiber (Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen) sprachen. »500 Apotheken vor Ort haben wir für die Versorgung verloren. Ich möchte uns also zu dem Gedankenexperiment einladen: Was wäre, wenn Thüringen keine Apotheken mehr hätte?«, fragte Overwiening die anwesenden Journalisten.
Die ABDA-Präsidentin kritisierte die Bundesregierung deutlich: »Gesundheitsminister Karl Lauterbach weiß von dieser bedrohlichen Entwicklung, unternimmt aber rein gar nichts, um die Apotheken zu stabilisieren. Wir haben ihm Lösungsvorschläge vorgelegt. Auf keine dieser Ideen hat der Minister konstruktiv reagiert.«
Daher wurden am Montag auch bundesweite Protestaktionen angekündigt. Im Rahmen der Dachkampagne »Gesundheit sichern. Die Apotheke« sollen Patientinnen und Patienten auf die schwierige Lage der Offizinen aufmerksam gemacht werden. Außerdem ist eine bundesweite Umfrage geplant, in der sich die Bürgerinnen und Bürger zur Situation der Arzneimittelversorgung äußern können.
Im Rahmen der Aktion »Wir sehen rot« sollen die Apothekenteams vom 22. bis zum 27. April rote Kleidung tragen. Dafür erhalten alle Apotheken als Beilage in der Pharmazeutischen Zeitung vom 18. April ein Plakat zum Aushang und Textilaufkleber mit der Aufschrift »Wir sehen rot«.
»Die Bundesregierung muss verstehen, dass die Arzneimittelversorgung zukünftig nicht mehr selbstverständlich für die Patienten verfügbar sein wird, wenn man den Apotheken ihre Existenzgrundlage nimmt«, fasst Stefan Fink das Ziel der Aktion in Thüringen zusammen.
Zur Lösung der Problemlage fordert der Thüringer Apothekerverband eine Soforthilfe für die Vor-Ort-Apotheken, um die Arzneimittelversorgung der Bürger aufrechterhalten zu können. Perspektivisch brauche es, wie in anderen Heilberufen üblich, eine jährliche Anpassung des Apothekenhonorars, die auch Ausgabenentwicklung und Inflation berücksichtigt.