Verschärfte Abgabe-Bedingungen bei Frauen |
Daniela Hüttemann |
04.09.2023 15:35 Uhr |
Migräne- und Epilepsie-Patientinnen, die im gebärfähigen Alter sind, müssen demnächst einen Schwangerschaftstest machen, bevor sie eine Behandlung mit Topiramat starten dürfen. / Foto: Adobe Stock/Anna Ritter
Es ist schon länger bekannt, dass die Einnahme von Topiramat (Topamax® und Generika) während der Schwangerschaft das Risiko für Fehlbildungen bei den Kindern der betroffenen Frauen erhöht. Nun hat der PRAC eine Neubewertung abgeschlossen, die auch Daten für das Risiko neurologischer Entwicklungsstörungen beinhaltete. Demnach besteht auch ein erhöhtes Risiko, insbesondere für Autismus-Spektrum-Störungen, geistige Behinderungen und ADHS. In zwei Studien war das Risiko um den Faktor 2 bis 4 erhöht. Daher sieht der PRAC Bedarf für weitere Anwendungsbeschränkungen und die Einführung eines Schwangerschafts-Verhütungs-Programms unter Topiramat-Therapie für alle gebärfähigen Mädchen und Frauen.
Die Neubewertung des PRAC bestätigt zudem, dass es zu vier bis neun Fehlbildungen pro 100 Kinder unter Topiramat-Behandlung kommen kann, gegenüber ein bis drei Fehlbildungen pro 100 Kindern bei Frauen ohne eine solche Therapie. Zudem haben 18 von 100 Kindern ein geringeres Geburtsgewicht als erwartet (versus fünf von 100 ohne Topiramat-Therapie).
Es bleibt dabei, dass Topiramat bei Schwangeren nicht zur Migräneprophylaxe oder Gewichtsreduktion eingesetzt werden darf (in einigen EU-Ländern ist Topiramat zur Gewichtsreduktion in Kombination mit Phentermin zugelassen). Patientinnen, die schwanger werden könnten, müssen eine hoch wirksame Verhütungsmethode anwenden.
Bei Epilepsie-Patientinnen sollte das Mittel während der Schwangerschaft nur noch angewendet werden, wenn keine andere geeignete Behandlung zur Verfügung steht.
Zudem wird nun ein Schwangerschafts-Verhütungs-Programm für alle Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter eingeführt. Das bedeutet, sie müssen bei der Verordnung über die Risiken von Topiramat im Fall einer Schwangerschaft informiert werden, ebenso wie über die Notwendigkeit eine Schwangerschaft während der Behandlung mit Topiramat zu vermeiden. Die Informationspflicht gilt für alle Angehörigen der Gesundheitsberufe, also auch Apothekerinnen, Apotheker und PTA.
Die Produktinformationen aller Topiramat-haltigen Arzneimittel werden nun aktualisiert, um die Risiken und die zu ergreifenden Maßnahmen noch deutlicher herauszustellen, informiert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Es werden Warnhinweise auf der äußeren Verpackung der Medikamente aufgebracht. Zudem wird es Schulungsmaterial geben und zu jeder Arzneimittelpackung eine Patientenkarte.
Für die Verordnenden gilt, dass sie alternative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen müssen und die Notwendigkeit der Topiramat-Therapie mindestens einmal jährlich neu bewerten müssen. Vor Therapiestart muss ein Schwangerschaftstest gemacht werden. Ein Rote-Hand-Brief soll demnächst folgen.