Verhandlungen in Genf gescheitert |
Lukas Brockfeld |
15.08.2025 14:56 Uhr |
Plastikmüll an einem Strand im Senegal. / © Imago images / imagebroker
Plastik ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Schätzungen zufolge werden pro Jahr weltweit mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert – Tendenz stark steigend. Das hat gravierende Folgen für die Menschen und die Umwelt. Plastikmüll findet sich inzwischen fast überall, selbst auf dem Grund des Mariannengrabens wurde schon eine Kunststofftüte gefunden.
Auch für die Gesundheit könnte der allgegenwärtige Kunststoff eine Bedrohung sein. In den Körpern der Menschen lagert sich immer mehr Mikroplastik ab. Dieses entsteht etwa durch Reifenabrieb oder Abbau von Plastikmüll. Menschen nehmen die Teilchen vor allem über die Nahrung, Wasser und die Atemluft auf. Auch die in vielen Plastikprodukten enthaltenen Chemikalien können Mensch und Tier krank machen.
Die konkreten Auswirkungen der Plastikablagerungen sind umstritten und werden intensiv erforscht. Die winzigen Partikel werden allerdings oft mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz in Verbindung gebracht. Außerdem wird bereits an Methoden gearbeitet, die Plastikpartikel wieder aus dem Körper zu entfernen. Im Juli konnte ein internationales Forschungsteam melden, dass es ihm gelungen war, Mikroplastik mit einer therapeutischen Blutwäsche aus dem Blut zu filtern.
Idealerweise gelangen Plastikpartikel gar nicht erst in den menschlichen Organismus. In der Politik gibt es daher seit Langem Bemühungen, das Entstehen von neuem Plastikmüll zu begrenzen. In den vergangenen Wochen verhandelten die Vereinten Nationen in Genf über ein internationales Plastikabkommen. Doch obwohl drei Jahre an dem Vertragstext gearbeitet wurde, konnten sich die 170 Länder nicht auf einen Vertragstext einigen. Am Freitag wurde das vorläufige Scheitern des Abkommens bekannt.
Das Abkommen wäre das erste rechtsverbindliche internationale Abkommen dieser Art geworden und sollte Regeln für die Produktion, das Design und die Entsorgung von Plastikprodukten etablieren.
Doch die Ideen für die Gestaltung des Abkommens gingen deutlich auseinander. Einige Länder, darunter auch die Staaten der Europäischen Union, wollen den gesamten Lebenszyklus von Plastikprodukten, von der Produktion bis zum Recycling, regulieren. Auch eine Begrenzung der globalen Kunststoffproduktion war zwischenzeitlich im Gespräch.
Eine solche Begrenzung wurde aber vor allem von den ölproduzierenden Staaten wie den USA, Russland und Saudi-Arabien abgelehnt. Die Petrochemie ist in diesen Ländern ein wichtiger Wirtschaftszweig, der kein Interesse an einer Begrenzung der Plastikproduktion hat. Die Ölstaaten wollten das Abkommen daher auf Regeln für die Entsorgung von Plastik beschränken. Da die UN-Verhandlungen auf dem Einstimmigkeitsprinzip beruhten, konnten sie den Abschluss des Abkommens blockieren.
Die Bundesregierung reagiert ernüchtert auf das Scheitern der Verhandlungen. »Genf hat nicht das Abkommen gebracht, das wir brauchen, um Plastikverschmutzung weltweit einzudämmen. Das ist enttäuschend. Ich hätte mir mehr gewünscht, und mehr wäre möglich gewesen. Die unterschiedlichen Interessen liegen aber noch immer weit auseinander. Das erschwert die nötige Einigung«, erklärt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, der die deutsche Delegation bei den Verhandlungen leitete.
Alle Staaten hätten hart an einer Einigung gearbeitet. »Augenscheinlich braucht es mehr Zeit, um zum Ziel zu gelangen. Daher lohnt es sich, weiter zu verhandeln. Deutschland und seine Partner in der EU werden weiterhin alles dafür tun und Brücken bauen, damit wir in einer finalen Runde wirklich zum Abschluss kommen«, so Flasbarth.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist enttäuscht. »Ohne ein ambitioniertes Plastikabkommen geht die Vermüllung unseres Planeten nun weiter. Die Öl-, Gas- und Chemieindustrielobbyisten haben in Überzahl in der Schweiz gewonnen – auf Kosten von uns allen«, sagt BUND-Geschäftsführerin Verena Graichen.
Die Naturschützer warnen vor den Folgen: »Bis 2060 müssen wir mit einer Verdreifachung der Plastikproduktion rechnen. Auch 2060 wird weniger als ein Fünftel des Materials recycelt werden können. Die über 4200 problematischen Zusatzstoffe, die in Plastik stecken, werden weiter unsere Gesundheit bedrohen und können Krebs erzeugen oder die Fruchtbarkeit einschränken«, so Graichen.