Verfassungsbeschwerde gegen Preisregulierung gescheitert |
Ev Tebroke |
17.07.2025 14:00 Uhr |
Die Pharmabranche war mit ihren verfassungsrechtlichen Klagen gegen die ihnen auferlegten Sparmaßnahmen zur Stabilisierung der Kassenfinanzen nicht erfolgreich / © Imago/U. J. Alexander
Um ein 17-Milliarden-Euro-Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abzuwenden, waren 2022 zahlreiche Finanzreformen in der GKV auf den Weg gebracht worden. Unter anderem wurde mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) auch die Preisbildung von Arzneimitteln reformiert.
Die Pharmabranche kritisierte die Maßnahmen heftig. Dabei ging es sowohl um den für ein Jahr um 5 Prozent erhöhten Herstellerabschlag. Die Unternehmen mussten den Kassen somit 12 Prozent Preisnachlass auf jedes patentgeschützte Arzneimittel gewähren. Auch sträubt sich die Branche gegen das erneut bis 2026 verlängerte Preismoratorium. Diese Preisregulierung besteht nunmehr seit 2010. Vor allem aber kritisiert die Branche Änderungen am Preisbildungsverfahren nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), mit dem die Regierung Arzneimittelkosten reduzieren wollte. So wurden Preise für bestimmte Arzneimittel begrenzt oder gesenkt. Auch ist etwa auf Kombipräparate ein Preisabschlag von 20 Prozent vorgesehen.
Zwei Pharmaunternehmen klagten unter anderem gegen diese aus ihrer Sicht unzulässigen Eingriffe in die Marktfreiheit beim Bundesverfassungsgericht. Die Preisregulierungen behinderten Innovationen und könnten die Entwicklung neuer Medikamente weniger attraktiv machen, so der Vorwurf. Zudem sehen sie sich mit dem Gesetz in ihren Grundrechtenverletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Einwände zurückgewiesen.
»Die Verfassungsbeschwerden blieben ohne Erfolg«, teilte das Gericht mit. Sie seien teilweise unzulässig, da zum einen die Wahrung der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerden nicht ausreichend dargelegt sei. Denn: Das Bundesverfassungsgericht darf nur angerufen werden, wenn alle anderen zumutbaren Rechtsbehelfe im fachgerichtlichen Instanzenzug erfolglos geblieben sind – sozusagen als »letztes Mittel«. Das sah das Gericht hier nicht gegeben. Zum anderen sei keine ausreichend substantiierte Grundrechtsverletzung aufgezeigt, heißt es.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerden zulässigerweise gegen den Herstellerabschlag und die Verlängerung des Preismoratoriums richteten, seien sie unbegründet. »Die bewirkten Grundrechtseingriffe sind gerechtfertigt. Insbesondere sind sie angemessen, da das gesetzgeberisch angestrebte Gemeinwohlziel – die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung – in der vorzunehmenden Interessenabwägung jeweils überwiegt«, so die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts.
Von der Pharmabranche kommt Gegenwind. Der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) hält das Ergebnis für ungerechtfertigt: »Wir sehen die Grundrechte der pharmazeutischen Unternehmer weiterhin als verletzt an«, so vfa-Präsident Han Steutel. Wenn jeglicher Eingriff in die Grundrechte der Leistungserbringer aus Gründen einer möglichst kostenminimalen Finanzierung des Gesundheitswesens gerechtfertigt sein solle, seien Innovationen und die Versorgungssicherheit langfristig in Gefahr.
»Wir brauchen Vertrauen und Planungssicherheit, um auch weiterhin hierzulande zu investieren und zwar gerade angesichts internationaler Unsicherheiten«, so Steutel. Jetzt sei es an der Politik, die Weichen vorausschauend zu stellen und einer Zukunftsbranche auch weiterhin Perspektiven in Deutschland zu eröffnen.
Der Branchenverband Pharma Deutschland sieht mit der Entscheidung den Pharmastandort Deutschland geschwächt. »Das Urteil bekräftigt einen gesetzgeberischen Kurs der Vergangenheit, der die Innovationskraft und Investitionsbereitschaft der pharmazeutischen Industrie in Deutschland massiv schwächt«, erklärt Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland.
Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes würden die grundrechtliche Dimension der dauerhaften Eingriffe in die unternehmerische Freiheit und die Folgen für die Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten gravierend unterschätzt. »Überhöhte Preisregulierung gefährdet die Entwicklung von und den Zugang zu neuen, lebenswichtigen Therapien – und auch die Grundversorgung in unserem Land«, so Brakmann.
Kritik kommt auch von den Arzneimittel-Importeuren. Aus Sicht des gleichnamigen Verbandes hat sich das Verfassungsgericht mit der Thematik »leider inhaltlich unzureichend und nicht sachgerecht auseinandergesetzt. Schon in seinen Leitsätzen zeigt das Gericht ein eigenwilliges Verständnis der GKV-Finanzen sowie eine einseitige Betrachtung der Zusammenhänge zwischen stabilen GKV-Finanzen, politischer Regulatorik und pharmazeutischen Märkten«, teilte der Verband mit.
Das Gericht betone, dass gegenüber finanzwirksamen Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit, die der Stabilität des GKV-Systems dienen, insbesondere dann nur ein verminderter Vertrauensschutz bestehe, wenn der Gesetzgeber diejenigen belastet, die aus seiner Sicht für die Kostensteigerungen besonders verantwortlich sind. Hier versäume das Gericht zu prüfen, wie es überhaupt zu Kostensteigerungen kommt und wer dafür verantwortlich ist.
Die Arzneimittel-Ausgaben bewegten sich seit Jahren mehr oder weniger im Rahmen der allgemeinen Preissteigerung und seien bei Weitem nicht der größte Kostenblock der GKV. Die sogenannten und viel zitierten Treiber der finanziellen Belastung der GKV seien daher im Wesentlichen die stetig gestiegenen Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen und die mangelhafte Deckung von Kosten wie etwa der Leistungen für Bürgergeldempfänger. All dies sei, wie gesetzlich vorgeschrieben, eigentlich aus Steuergeldern gegenzufinanzieren. Diese »unzulässige Belastung der GKV« dürfe nicht der Versichertengemeinschaft bestehend aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern aber auch nicht den Leistungserbringern - sei es der Herstellerrabatt oder auch Apothekenabschlag - in Rechnung gestellt werden.
Auch die Apotheken hatte im Zuge des GKV-FinStG Mehrkosten in Form eines auf zwei Jahre erhöhten Apothekenanschlags zu leisten. Dieser Rabatt, den sie den Kassen auf Rx-Medikamente gewähren müssen, erhöhte sich um 23 Cent auf 2 Euro.