Verfassungsbeschwerde ab 1. April zulässig |
Cornelia Dölger |
28.03.2024 11:00 Uhr |
Wenn die Beschwerde eingereicht ist, prüft das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ihre Zulässigkeit und nimmt sie entweder an oder weist sie ab. Mit einer Ablehnung rechnet das klagende Unternehmen nicht. / Foto: IMAGO/U. J. Alexander
Seit Inkrafttreten des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) im Juli vergangenen Jahres sind Apotheken bei apothekenüblichen Hilfsmitteln offiziell von der Präqualifizierungspflicht befreit. Doch was unter »apothekenüblich« zu verstehen ist, mussten Apotheken- sowie Kassenseite zunächst klären.
Die Details standen am 19. Januar 2024, nun mussten noch die jeweiligen Gremien von Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband der Vereinbarung formal zustimmen, was am 19. Februar 2024 passierte. Damit war die sogenannte »Vereinbarung über die Festlegung apothekenüblicher Hilfsmittel gemäß § 126 Absatz 1b SGB V« abgesegnet und das Ende der für Apotheken überaus lästigen Pflicht, für die Abgabe von gängigen Hilfsmitteln wie Spritzen, Inkontinenzprodukten oder Gehhilfen vorab ein bürokratisches Verfahren zu durchlaufen, Geschichte. Die Neuregelung tritt am 1. April in Kraft.
Mit dieser Neuregelung ist das Sanitätshaus Stolle nicht einverstanden und sieht sich in seinen Grundrechten verletzt. Bereits Ende vergangenen Jahres bemängelte das Unternehmen die »durch das ALBVVG (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz) eingeführte einseitige Befreiung der Apotheken von der Präqualifizierung« und kündigte Verfassungsbeschwerde an.
Diese wird in wenigen Tagen zulässig, wie ein Justitiar des Unternehmens auf PZ-Anfrage bestätigte. Mit dem Inkrafttreten am 1. April werde der Sanitätsfachhandel »gegenwärtig« durch das angegriffene Gesetz in seinen Grundrechten verletzt, heißt es zudem erklärend auf der Unternehmenswebsite. »Vorher hätte das Bundesverfassungsgericht keine andere Möglichkeit, als eine Verfassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.«
Als Grund für den Schritt nennt das Unternehmen, dass der Gesetzgeber die Präqualifizierungspflicht eingeführt habe, um eine einheitliche Versorgungssicherheit der Versicherten zu gewährleisten. Dazu müssten aber ausnahmslos alle beteiligten Leistungserbringer ihre entsprechende Eignung rechtlich nachweisen. »Da dies nun für bestimmte Hilfsmittel bei Apotheken nicht mehr der Fall sein soll, sehen wir eine erhebliche Gefahr für die Versorgungsqualität der Versicherten.«
Die Präqualifizierung müsse für alle Leistungserbringer gleich sein. Dass zwei Leistungserbringer durch die Neuregelung unterschiedliche Marktzugangsvoraussetzungen hätten, berühre insbesondere den sogenannten Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG). »Dieser besagt im Kern, dass es dem Gesetzgeber verwehrt ist, Ungleiches gleich, vor allem aber Gleiches ungleich zu behandeln.« Mit dem Wegfall der Präqualifizierungspflicht für Apotheken sei aber genau dies der Fall.
Dass der GKV-Spitzenverband unlängst mehrere Versorgungbereiche in bestimmte Produktgruppen untergliedert hat, ändere im Übrigen nichts an der Auffassung des Unternehmens, dass eine Ungleichbehandlung vorliege; immerhin müssten sich andere Leistungserbringer – außer Apotheken – nach wie vor präqualifizieren.
Wenn die Beschwerde eingereicht ist, prüft das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ihre Zulässigkeit und nimmt sie entweder an oder weist sie ab. Im Fall einer Annahme werde geprüft, ob der Sanitätshandel tatsächlich, wie von ihm angeführt, in seinen Grundrechten verletzt sei, erklärte der Justitiar des Unternehmens. Mit einer Ablehnung rechne das Unternehmen nicht, wie er der PZ mitteilte.
Ist die Verfassungsbeschwerde erfolgreich, wird das damit als verfassungswidrig definierte Gesetz »beseitigt«, heißt es auf der Unternehmenswebsite. »Die Nichtigkeit wirkt auch in die Vergangenheit zurück und stellt das Gesetz rechtlich so, als ob es nie erlassen worden wäre.«