Verbände stimmen Noventi-Finanzspritze zu |
Brigitte M. Gensthaler |
22.03.2023 22:25 Uhr |
Erleichterung nach der Abstimmung der LAV-Mitglieder (von links): Noventi-Finanzchef Frank Steimel, LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth, LAV-Präsidentin Tatjana Zambo und Noventi-Chef Mark Böhm. Der Konzern bekommt nun finanzielle Hilfe aus dem Apothekerlager. / Foto: LAV Baden-Württemberg
Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am heutigen 22. März in Stuttgart erläuterte die LAV-Präsidentin Tatjana Zambo die Hintergründe und Vorgeschichte. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Maßnahme hätten Vorstand und Beirat des LAV einstimmig beschlossen, die Mitglieder über das Darlehen entscheiden zu lassen. Der LAV ist neben dem Bayerischen Apothekerverband, dem FSA und der B.A.G. Grundstück-Verwaltungsgesellschaft Mitgesellschafter der B.A.G., der das Grundstück mit Immobilie am Tomannweg 6 in München gehört. Um das Darlehen aufzubringen, wird das Objekt mit 16 Millionen Euro beliehen; weitere 4 Millionen steuert die B.A.G. aus Rücklagen bei.
Der FSA wiederum gibt diesen zur Eigenkapitalfinanzierung erforderlichen Betrag an die Noventi SE, die damit einen Teil ihres »Resilienzprogramms Fokus 2025« umsetzt. Diesem Vorgehen stimmten die Mitglieder in Stuttgart mit breiter Mehrheit (78 Ja-, 15 Nein-Stimmen und eine Enthaltung) zu.
Das Sanierungsgutachten »Fokus 25« beinhaltet massive Umstrukturierungs- und Sparmaßnahmen im angeschlagenen Noventi-Konzern. Zudem wurde ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf von 70 Millionen Euro bis Ende 2025 festgestellt; davon werden 50 Millionen Euro über ein Bankdarlehen und 20 Millionen Euro als Eigenkapitalanlage vom FSA aufgebracht. Der LAV habe das Gutachten von einem externen Berater bewerten lassen, so Zambo. Nach dessen Einschätzung könne der angestrebte Sanierungserfolg »mit überwiegender Wahrscheinlichkeit« erzielt werden.
In intensiven Diskussionen habe der Verbandsvorstand einstimmig entschieden, »dieses Kreditengagement uneingeschränkt einzugehen«, berichtete Zambo. 85 Prozent der LAV-Mitglieder seien Kunden bei der Noventi. »Wir dürfen nicht riskieren, dass das Abrechnungsgeschäft irgendwie in Gefahr gerät.« Die Noventi werde in kürzester Zeit wieder liquide sein, ist die Vorsitzende sicher. »Dem LAV Baden-Württemberg wird kein Schaden entstehen.«
Die LAV-Chefin zeigte großes Verständnis für die zahlreichen kritischen Fragen und Kommentare der Mitglieder, denen sich in der eineinhalbstündigen Diskussion auch die FSA-Vorsitzenden Jürgen Frasch und Andreas Buck sowie die Noventi-Vorstände Mark Böhm (Vertriebsdirektor) und Frank Steimel (Finanzvorstand) stellten . Viele Mitglieder fragten, wie das Dilemma in der Vergangenheit entstehen konnte, warum der FSA nicht früher eingeschritten sei, ob die Noventi das Darlehen überhaupt zurückzahlen könne und wie ein »Plan B« aussehe. Dabei kamen immer wieder Ärger und Frust über die früheren Strategien des Konzerns und die miserable Kundenkommunikation hoch.
Die Noventi-Manager waren sichtlich um Transparenz und Offenheit bemüht und sprachen Missstände direkt an. Das Unternehmen habe »zu viel zu schnell und alles gleichzeitig begonnen und seine Kernkompetenz darüber vernachlässigt«, rügte Böhm. Mit der Umstrukturierung nach den klaren Maßgaben des Fokus-2025-Programms sei das Fortkommen gesichert: »Wir können das zurückzahlen. Bereits die ersten Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, waren erfolgreicher als im Maßnahmenplan gefordert.« Die Rückzahlung des Darlehens soll in fünf Jahren erfolgen, erklärte Böhm gegenüber der PZ.
Laut Steimel ist die Mehrjahresplanung so aufgestellt, dass »die Noventi am Schluss Geld verdient«, um rekapitalisierungsfähig zu sein. Der Konzern werde sich auf seine Kernleistungen konzentrieren. Der Finanzchef versicherte: »Die Noventi steht absolut stabil da. Wir haben den vollen Rückhalt aller Banken. Die Rezeptabrechnung ist safe und läuft ganz normal wie immer.«
Frasch und Buck wehrten sich gegen Vorwürfe, dass der FSA der Verschwendung von Apothekergeldern nicht früher Einhalt geboten habe. Der FSA habe die finanzielle Schieflage kritisiert und versucht, »die Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken«. Doch es sei gelogen und vertuscht worden: »Wir hatten keine Chance.« Anhand der vorgelegten Unterlagen habe der Verband nicht erkennen können, dass »massiv Geld verbrannt wurde«. Die Aufarbeitung dieser Vorgänge laufe.
Beide FSA-Vorstände stellten sich energisch hinter das Darlehen. Frasch: »Wir wollen keinen Plan B, keinen Fremdinvestor und kein Fremdkapital in der Noventi.« Der FSA wolle Kapital von »family and friends« ins Unternehmen holen.
Nach dem zustimmenden Mitgliedervotum war Zambo sehr erleichtert. »Ich bin fest überzeugt, dass wir hier die richtige Entscheidung treffen, dass die Verbände und Noventi wieder näher zusammenrücken und die Interessen der Vor-Ort-Apotheke stark vertreten. Wir haben Vertrauen gefasst zu den jetzt handelnden Personen.«
Vorstand und Beirat des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) hatten die Entscheidung für das Darlehen ohne Mitgliederentscheid im Dezember 2022 getroffen. Dies sei auf jeden Fall konform mit der Verbandssatzung, wonach gemäß § 16 (3) dem Beirat die Erörterung und Beschlussfassung in Fragen von wesentlicher Bedeutung obliegt, versicherte ein BAV-Sprecher gegenüber der PZ.
Zuvor habe sich der BAV ein genaues Bild von der Situation der Noventi gemacht, die in einem transparenten Austausch ein solides Konzept vorgelegt habe, das auch die Banken überzeugt habe. »Der BAV ist überzeugt, dass die Stabilität von Noventi als Abrechnungszentrum essenziell für die Apotheken ist.« Somit werde der Verband seiner satzungsmäßigen Aufgabe gerecht, nämlich der wirtschaftlichen Interessensvertretung seiner Mitglieder, resümierte der Verbandssprecher.