Verbände fordern Änderungen |
Das Medizinforschungsgesetz ist Teil der Pharmastrategie der Bundesregierung. Damit soll der Pharmastandort Deutschland wieder attraktiver werden. / Foto: Getty Images/Andrew Brookes
Am 26. Januar legten das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und das Bundesumweltministerium den Referentenentwurf für ein Medizinforschungsgesetz (MFG) vor. Bis heute hatten Verbände im Gesundheitswesen Zeit, dazu schriftlich Stellung zu nehmen.
Mit dem geplanten Gesetz will die Bundesregierung erreichen, dass Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen und Zulassungsverfahren von Arzneimitteln und Medizinprodukten einfacher, unbürokratischer und schneller ablaufen. Dadurch soll Deutschland für Forschung und Produktion von Pharmafirmen wieder attraktiver werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll künftig die Koordinierung und das Verfahrensmanagement für Zulassungsverfahren und Anträge zu klinischen Prüfungen für alle Arzneimittel übernehmen. Ausgenommen sind Impfstoffe und Blutprodukte.
Weiterhin soll es künftig möglich sein, Verfahren in Musterverträgen zu vereinfachen und zu bündeln. Eine am Institut angesiedelte »Bundes-Ethik-Kommission« soll eingesetzt und der Pharmaforschung der Zugang zu Daten des BfArM-Forschungsdatenzentrums ermöglicht werden. Außerdem werden strahlenschutzrechtliche Anzeige- und Genehmigungsverfahren in das Genehmigungsverfahren der klinischen Prüfung integriert. Ferner sollen pharmazeutische Unternehmer die Möglichkeit erhalten, vertrauliche Erstattungsbeträge bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu vereinbaren. Die Vertraulichkeit soll bis zum Wegfall des Unterlagenschutzes gelten.
Pharmaverbände begrüßen die Pläne, halten sie aber nicht für ausreichend. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) befürwortet insbesondere die Pläne, Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Der Entwurf weise in die richtige Richtung, stelle aber nicht grundlegend die Weichen, um die Entwicklung von therapeutischen Innovationen und ihre Anwendung bei Patientinnen und Patienten perspektivisch zu fördern und zu stärken, bemängelt der Verband.
Die Spezialisierung einiger Ethikkommissionen auf bestimmte Indikationen und Fachbereiche sowie die Gründung einer Bundes-Ethik-Kommission sieht der Verband ebenfalls grundsätzlich positiv, moniert aber, dass das Auswahlverfahren und die Zuweisung der jeweils zuständigen Ethikkommission kompliziert sei. Bei der Zuweisung und Genehmigung klinischer Prüfungen würden zudem neue Entscheidungsebenen eingeführt. »Die Antrags-, Bewertungs- und Genehmigungswege werden für Außenstehende unklarer und aus Sicht der Industrie erschwert. Dies widerspricht dem Ansatz der Vereinfachung und Entbürokratisierung«, kritisiert der Verband.
Die geplante Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge befürwortet der BAH grundsätzlich. Allerdings sei der Kreis der Auskunftsberechtigten so groß, dass die Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags nicht mehr gewährleistet sei. Außerdem macht der Verband deutlich, dass vertrauliche Erstattungsbeträge nicht annähernd aufwiegen könnten, was den pharmazeutischen Unternehmen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz an »Hürden und Hemmnissen« aufgebürdet worden sei. Dabei nennt der BAH insbesondere neue »Leitplanken« sowie den Kombinationsabschlag.
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) fordert in seiner Stellungnahme ebenfalls »verlässliche Erstattungsbedingungen in Deutschland ohne Leitplanken und Kombinationsabschlag«. Die Einschränkungen, die das AMNOG durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz erfahren habe, müssten zurückgenommen werden. Generell weise der Entwurf in die richtige Richtung, reiche jedoch nicht aus, um Deutschland wieder in die internationale Spitzengruppe zurückzuführen.
Außerdem setzt sich der vfa dafür ein, die Verfahren zur Durchführung klinischer Prüfungen in Deutschland weiter zu verbessern. So müsse ein effizientes System der Ethikkommissionen geschaffen werden. Bei strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen sollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die finale Entscheidung die jeweils zuständige Bundesoberbehörde – also BfArM oder PEI – treffe. Standardvertragsklauseln sollten per Rechtsverordnung verbindlich werden, fordert der vfa.
Nach Ansicht des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) versprechen die geplanten Maßnahmen, den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland wieder der Weltspitze näher zu bringen. »Zum Einholen reicht es – zum Überholen noch nicht«, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen. Beschleunigte und vereinfachte Genehmigungs- und Anzeigeverfahren für sichere klinische Prüfungen sind aus Sicht des Verbands ein wichtiger Schritt, damit Deutschland wieder an Attraktivität als Studienstandort gewinnt, hieß es in einer Pressemitteilung.
Kritisch sieht der Verband hingegen die geplante Einrichtung einer Bundes-Ethik-Kommission, die beim BfArM angesiedelt werden soll. Es sei unklar, inwiefern eine solche Institution der im Strategiepapier der Bundesregierung angekündigten Harmonisierung aller Ethik-Kommissionen im Land dienen solle. Der BPI verlangte ebenfalls, mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführte Regelungen wieder zurückzunehmen, etwa die AMNOG-Leitplanken sowie die Einführung höherer Abschläge für Kombinationstherapien.
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVmed) fordert eine Ergänzung von Regelungen für den Bereich der Medizinprodukte. Unter anderem sollten die je nach Bundesland unterschiedlichen datenschutzrechtlichen Vorgaben vereinheitlicht werden und die einheitlichen Richtlinien zur Bewertung klinischer Prüfungen auch im Medizinprodukte-Bereich für alle Ethikkommissionen gelten. »Der Gesetzentwurf fokussiert sehr stark Arzneimittel. Klinische Studien spielen aber auch bei Medizinprodukten eine große Rolle und sollten im Gesetz berücksichtigt werden«, erläutert BVmed-Vorstandsmitglied Marc-Pierre Möll.
Die gesetzlichen Kassen kritisieren in erster Linie die geplante Einführung vertraulicher Erstattungspreise für neue Arzneimittel. Der AOK-Bundesverband warnt, dass die Versichertengemeinschaft »durch die Einführung von Geheimpreisen finanziell erheblich belastet« werde. Zudem drohe dadurch ein massiver Bürokratieaufbau bei den gesetzlichen Krankenkassen.
Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) lehnt in seiner Stellungnahme die geplante Möglichkeit zur Vereinbarung vertraulicher Erstattungsbeträge ab. Dadurch würden bewährte Instrumente der Preisregulierung in ihrer Wirkung eingeschränkt oder komplett aufgegeben, beispielsweise die Wirtschaftlichkeitsprüfung oder die Verpflichtung der Apotheken, Einsparungen durch die Abgabe von preisgünstigen Importarzneimitteln zu erzielen.
Aus Sicht der Innungskrankenkassen (IKK) würden vertrauliche Erstattungsbeträge eine massive Liquiditätsverschiebung zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die Privatwirtschaft bedeuten. Sie würden dazu führen, dass zukünftig von pharmazeutischen Unternehmen frei bestimmte Listenpreise die Basis der Handelsaufschläge der Apotheken- und Krankenhausabrechnungen bildeten, warnen die Innungskrankenkassen.