US-Zölle: Die Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung |
US-Präsident Donald Trump kündigt Zölle in Höhe von 20 Prozent auf EU-Produkte an. / © Andrew Leyden/ IMAGO/NurPhoto
Obwohl Medikamente von den neuen US-Zollpaket ausgenommen sind, sei es nicht ausgeschlossen, dass Zölle auf Pharmazeutika in einer weiteren Runde kommen könnten, sagte Claus Michelsen vom Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) der dpa.
Die Zölle betreffen allerdings Vorprodukte wie sterile Schläuche, die in der Arzneiproduktion gebraucht würden. Im Ernstfall eines Handelskriegs könnten sich Vorprodukte stark verteuern oder zeitweise ganz fehlen, hatte Michelsen bereits vor Wochen gewarnt. »Damit würde die Arzneiproduktion in Deutschland unter Druck geraten mit Folgen für die Medikamentenversorgung und die Beschäftigten in der Pharmaproduktion.«
Verbände und Pharmaunternehmen haben sich zu den angekündigten Zöllen der USA geäußert. Die Geschäftsführerin des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) Hessen, Sula Lockl, warnt vor den Folgen: »Wenn hier durch die Handelspolitik der USA Planungsunsicherheit entsteht, macht sich das mittel- bis langfristig bei Innovationen, Produkteinführungen und Investitionen bemerkbar. Auch Versorgungsengpässe können die Folge sein.«
Die ABDA fürchtet, dass sich US-Zölle negativ auf die Arzneiversorgung in Deutschland auswirken könnten. »Für die deutsche und europäische Pharmaindustrie ist die USA ein wichtiger Absatzmarkt. Wenn der durch erhöhte Zölle behindert wird, kann das dazu führen, dass die Produktion in Deutschland durch mangelnde Wirtschaftlichkeit eingeschränkt wird«, sagte Thomas Preis, ABDA-Präsident, der Funke-Mediengruppe. Die Lieferketten seien schon seit Jahren instabil, kontinuierlich fehlten rund 500 Arzneimittel.
Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland, fordert, die Arzneimittelversorgung resilienter aufzustellen und »gegen eine zunehmend erratische US-Handelspolitik zu desensibilisieren«. Ein neues gesundheitspolitisches Mindset sei notwendig, um Arzneimittelproduktionen nach Europa zu holen und Abhängigkeiten zu reduzieren. »Will Europa in stabilere und resilientere Arzneimittelversorgung investieren oder die Milliarden in einen sinnlosen Handelskrieg mit den USA investieren?«, fragt die Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland.
Auch Produkte aus der Schweiz sollen laut Trump künftig mit einem Zollsatz von 31 Prozent belegt werden. Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will die neue US-Zollpolitik und ihre möglichen Auswirkungen bewerten. »Wir setzen uns für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Trump-Administration und dem US-Kongress ein, um sicherzustellen, dass die Entwicklung der nächsten Generation von Medikamenten und ein angemessener Zugang für Patienten gefördert werden«, erklärt das Unternehmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat auf einer Pressekonferenz in Berlin eine starke Binnenmarktreform gefordert, um die EU unabhängiger von den USA zu machen. Die Europäische Union solle geschlossen und entschlossen auf die Zölle reagieren, sagte Habeck. Er fügte hinzu, dass sich »neue Allianzmöglichkeiten« ergeben könnten. Als mögliche Beispiele nannte er Kanada und Mexiko, die ebenfalls vom Handelskrieg mit den USA betroffen sind.
Die EU bereitet Gegenmaßnahmen vor, will aber gesprächsbereit bleiben. »Wir finalisieren bereits das erste Maßnahmenpaket als Reaktion auf die Stahlzölle und bereiten nun weitere Maßnahmen vor, um unsere Interessen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern«, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Rande eines Gipfeltreffens mit Staats- und Regierungschefs zentralasiatischer Staaten in Usbekistan. Gleichzeitig betonte die Spitzenpolitikerin, es sei noch nicht zu spät für Verhandlungen und appellierte an die US-Seite, sich auf Gespräche einzulassen. Ziel müsse es sein, Handelshemmnisse abzubauen und nicht, sie zu erhöhen.
Mit dem besonders von den Zöllen betroffenen Automobil- und Pharmasektor kündigte von der Leyen schnelle Gespräche über mögliche Unterstützung an. Für die deutsche Pharmabranche sind die USA das wichtigste Exportland. 2024 gingen laut VFA Waren im Wert von 27 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel (23,6 Prozent) der deutschen Pharmaexporte in die USA. Umgekehrt habe Deutschland Pharmazeutika im Wert von 12,2 Milliarden Euro (17 Prozent) aus den USA importiert sowie gut zwölf Prozent der Vorprodukte, etwa Grundstoffe und Chemikalien.