US-Apothekerverband wirbt für Fehlermeldesystem – und mehr Personal |
In den USA ist das Abfüllen von Tabletten aus Bulkware für einzelne Patienten üblich. / Foto: Adobe Stock/Stuart
Nachdem in mehreren Apotheken in den USA Fehler bei der Medikamentenabgabe bekannt wurden, sieht sich die Branche im Zielfeuer von kritischer Medienberichterstattung. Nun hat sich Michael D. Hogue, Vizepräsident des US-Apothekerverbands (American Pharmacists Association, APhA), in einem offenen Brief an die Apothekerschaft gewandt. Er fordert darin ein anonymes Fehlermeldesystem sowie eine flächendeckende Strategie, um die Arbeit in Gesundheitsberufen zu erleichtern. Ein großes Problem sei die personelle Unterbesetzung in Apotheken.
Mehrere Medien hätten über Dispensierfehler in Apotheken berichtet, führt Hogue aus. (Anmerkung der Redaktion: In den USA werden viele Tabletten aus Bulkware patientenindividuell in die typischen orange-farbenen Pillendöschen abgefüllt, statt Packungen abzugeben, wie in Deutschland üblich). Diese Fehler seien zweifelsohne tragisch, allerdings passierten sie Menschen vor allem dann, wenn diese zu wenig Rückhalt und Unterstützung in den Systemen fänden – das amerikanische Gesundheitssystem sei ein passendes Beispiel für einen solchen Mangel.
Abhilfe schaffen könnten hier anonyme Fehlermeldesysteme. Sogenannte Patientensicherheits-Organisationen (PSO) seien ein unabhängiger Mechanismus für Fehlerberichterstattung sowie die Reduzierung von Fehlern im gesamten Gesundheitswesen. Sie unterstützen Gesundheitsdienstleister dabei, etwa Behandlungsfehler zu vermeiden und die Sicherheit der Patienten zu erhöhen. Fehler können vertraulich gemeldet werden. Sie werden von den PSO erfasst und ausgewertet. Anschließen geben die PSO Handlungsempfehlungen aus.
Jede große Apothekenkette in den USA arbeite bereits mit einem PSO zusammen, so Hogue, ebenso wie andere Gesundheitsakteure oder Hersteller. Es sei an der Zeit, dass diese anonyme Fehlerkultur flächendeckend auch in den lokalen Einzel-Apotheken etabliert werde. Nur so könnten echte Veränderungen stattfinden. »Wir alle wollen das gleiche Ergebnis: das richtige Medikament, den richtigen Patienten, die richtige Dosis – jedes Mal«, so Hogue.
Ehrlich anzusprechen sei ein altbekanntes Problem in den US-amerikanischen Apotheken, erklärte Hogue weiter – der Personalmangel. Hier helfe eine negative Berichterstattung nicht weiter – im Gegenteil: Sie vertiefe das Problem noch, dass das Arbeitsumfeld in den meisten Apotheken ohnehin als nicht ideal wahrgenommen werde. Zudem mangele es an technischem Support, was die Lage weiter verschärfe.
Die APhA sei sich des Problems bewusst und arbeite an Lösungen. Etwa habe die verbandseigene Task Force für Arbeitsplatz- und Wohlbefindensfragen bereits entsprechende Empfehlungen herausgegeben. In vielen inhabergeführten Apotheken im Land seien Schichten verkürzt und verstärkt technologische Lösungen etabliert worden, etwa um Telefonzeiten zu reduzieren. Zudem würden viele Apothekenteams inzwischen besser bezahlt.
Die APhA habe sich auf die Fahnen geschrieben, vor allem gegen zu geringes Apothekenhonorar und Nicht-Vergütung bestimmter Apothekendienstleistungen zu kämpfen. Dazu arbeite man eng mit der National Association of Boards of Pharmacy, der US-Apothekenaufsicht auf Bundesebene, zusammen.
Es gelte, sich für neue Regelungen stark zu machen, um eine gerechte Fehlerkultur sowie effiziente technische Unterstützung für die Apotheken zu etablieren. Apotheken müssten mehr Zeit für die unmittelbare Patientenversorgung bekommen, betonte Hogue. Denn auf der Patientensicherheit liege das Hauptaugenmerk des Berufsstands.
Mit dem CIRS-Netzwerk gibt es auch in Deutschland die Möglichkeit, Fehler anonym zu melden, um diese zu diskutieren und Strategien zu entwickeln, die gleichen Fehler in Zukunft zu vermeiden. CIRS steht für »Critical Incident Reporting System«. CIRS medical stammt aus dem ärztlichen Bereich. Zumindest in Krankenhäuser können sich die Apotheker beteiligen. Beim CIRS-NRW-Netzwerk sind auch die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe beteiligt.
»Alle eingehenden Berichte werden durch die Bundesärztekammer, mit der die Projektpartner aus NRW zusammenarbeiten, geprüft und gegebenenfalls anonymisiert«, erläuterten die CIRS-Partner diese Woche anlässlich des Tags der Patientensicherheit am 17. September. »Im Anschluss analysiert ein multiprofessionelles Experten-Team jeden Fall und veröffentlicht einen Bericht. Nachfolgend können die Berichte genutzt und das gemeinsame Lernen über die Plattform forciert werden. Hierbei sind weitere Lösungsvorschläge und Kommentare jederzeit erwünscht.«
Es gibt auch Handlungsempfehlungen und Impulse für das eigene Arbeitsumfeld. Ziel ist es, konstruktiv statt strafend mit Fehlern umzugehen, also aus Fehlern zu lernen, damit sie nicht noch einmal passieren. Die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe bieten zudem seit vergangenem Jahr eine entsprechende Fortbildung im »Room of Horrors« an. Hier werden typische Fehler, die in einer öffentlichen Apotheke passieren können, simuliert. Die Teilnehmenden gehen zunächst allein durch den Raum und versuchen, alle Fehler aufzuspüren, die anschließend in der Gruppe besprochen werden. Das Uniklinikum Münster bietet interne Schulungen mit einem ähnlichen Konzept an, eine mit Fehlern bespickte mobile Stationsapotheke.
Und die Medizinische Hochschule Hannover hat gerade ein nach eigenen Angaben »deutschlandweit einzigartiges Pilotprojekt« gestartet, bei dem die Patienten, ihre Angehörige oder auch Besucher Sicherheitsbedenken, vermutete Fehler und Vorfälle im Krankenhaus vertraulich melden können.