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Alzheimer-Forschung

Unerwartet hohe p-Tau217-Werte bei Neugeborenen

Ein Protein, das als ein Auslöser für die Pathologie bei Alzheimer gilt, ist in überraschend hohen Konzentrationen bei gesunden Neugeborenen gefunden worden. Das stellt medizinische Hypothesen auf den Kopf und bietet neue Ansätze für Therapien.
AutorKontaktChristina Hohmann-Jeddi
Datum 11.07.2025  13:00 Uhr

Aktuelle Forschungsergebnisse könnten das Verständnis sowohl der Gehirnentwicklung als auch der Alzheimer-Krankheit verändern. Phosphoryliertes Tau-Protein 217 (p-Tau217) gilt als Marker für neurodegenerative Prozesse – und zwar so eindeutig, dass der erste zugelassene Bluttest auf Alzheimer in den USA diesen Wert misst (zusammen mit β-Amyloid 1-42). Doch die Studie zeigt, dass p-Tau217 in den Gehirnen gesunder Säuglinge in weitaus größeren Mengen vorkommt als bei Alzheimer-Patienten. Das Protein scheint im kindlichen Gehirn also nicht schädlich zu sein, sondern sogar wichtig für eine gesunde Entwicklung.

Über die Entdeckung berichtet eine US-amerikanisch-schwedische Arbeitsgruppe um Fernando Gonzalez-Ortiz von der Universität Göteborg im Fachjournal »Brain Communications«. Um die Bedeutung zu verstehen, hilft ein Blick auf die normale Funktion und die Biochemie von Tau. Es wird vor allem in Nervenzellen gebildet und stabilisiert dort die Mikrotubuli, wichtige Strukturen des Zytoskeletts. Tau ist somit für den axonalen Transport von Stoffen, Axon-Wachstum und Struktur der Zelle bedeutend – zentrale Grundlagen für Denken, Lernen und Erinnern.

Dabei ist Tau nicht gleich Tau. Aus dem MAPT-Gen (Microtubule-Associated Protein Tau) entstehen durch alternatives Splicing der Boten-RNA sechs verschiedene Isoformen von Tau mit unterschiedlichen Eigenschaften. Diese haben entweder drei oder vier Bindestellen für Mikrotubuli (3R oder 4R) sowie keine, eine oder zwei Regionen mit unbekannter Funktion am N-Terminus (N0, N1 oder N2). Die Isoformen werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten gebildet und besitzen verschiedene Eigenschaften. So binden 4R-Tau-Proteine stärker an Mikrotubuli als 3R-Tau.

Das Besondere an Tau: Das Protein hat einen hohen Anteil an basischen Aminosäuren, ist dadurch hydrophil und nimmt keine kompakte sekundäre Struktur ein. Es gilt als nativ ungefaltet.

Phosphorylierung reguliert die Tau-Funktionen

Zusätzlich können die verschiedenen Isoformen an mehreren und an unterschiedlichen Stellen phosphoryliert sein, was wiederum ihre Eigenschaften verändert und Funktionen reguliert. Die größte Isoform 4RN2 enthält 85 potenzielle Positionen für Phosphatgruppen. Je nach Position der Phosphatgruppen werden die Tau-Moleküle benannt. So ist p-Tau217 an der Aminosäure Threonin an Position 217 des Proteins phosphoryliert.

Läuft bei der Phosphorylierung etwas schief, können Krankheiten entstehen. So gilt eine erhöhte Phosphorylierung als ein Kennzeichen der Alzheimer-Pathologie. Durch die Hyperphosphorylierung neigen die Moleküle zur Aggregation, lagern sich zusammen und bilden Tau-Fibrillen. Tau fehlt dann zur Stabilisierung des Zytoskeletts, der axonale Transport wird zerstört und die Nervenzellen gehen schließlich zugrunde. Neben Alzheimer kommt eine solche Tau-Pathologie auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Pick oder corticobasaler Degeneration vor.

Unterschiedliche p-Tau217-Konzentrationen

Um die Rolle des p-Tau217 genauer zu untersuchen, analysierte das Forschungsteam aus Göteborg Blutproben von mehr als 400 Menschen mit unterschiedlichen Eigenschaften, darunter Frühgeborene, reif geborene Babys, Jugendliche, gesunde Erwachsene und Alzheimer-Patienten. Die Ergebnisse überraschten: Frühgeborene wiesen die höchsten p-Tau217-Werte im Serum auf, gefolgt von reif geborenen Säuglingen. Je früher das Kind zur Welt kam, desto höher war die Konzentration, wobei zu betonen ist, dass die Kinder gesund waren.

In den ersten Lebensmonaten sanken die Werte rapide ab, blieben bei Jugendlichen und gesunden Erwachsenen niedrig und stiegen erst im höheren Alter bei Alzheimer-Patienten wieder an. Sie blieben dabei aber deutlich unter den Werten von Neugeborenen.

Duale Rolle des p-Tau217

Die Forschenden folgern aus den Daten, dass Hyperphosphorylierung nicht immer zum Verklumpen des Proteins führt, sondern vielmehr eine Doppelrolle hat. Sie bestätigen frühere Ergebnisse, dass p-Tau217 für die frühe Hirnentwicklung und den Aufbau neuronaler Netze wichtig ist.

Die Studie wirft Fragen auf: Warum verträgt das Gehirn von Neugeborenen so große Mengen dieser Isoform, während sie im Alter die Zellen schädigt? Wie wird die Phosphorylierung in den verschiedenen Lebensphasen reguliert? »Die hohen p-Tau217-Blutspiegel bei der Geburt und ihr anschließender Abfall könnten auf spezielle Regulationsmechanismen hinweisen, die in der frühen Lebensphase eine Aggregation von Tau verhindern«, schreibt das Team. Weitere Studien seien nötig, um die Mechanismen der Tau-Phosphorylierung bei Neugeborenen und bei Alzheimer-Patienten zu untersuchen.

Die neuen Erkenntnisse widersprechen der bisherigen Annahme, dass sich p-Tau217 nur dann bildet, wenn sich zuvor β-Amyloid im Gehirn abgelagert hat. Neugeborene zeigen keinerlei Amyloid-Ablagerungen und trotzdem extrem hohe p-Tau217-Werte. Das spreche dafür, »dass während der Entwicklung andere, physiologische Prozesse die Tau-Phosphorylierung steuern als bei neurodegenerativen Erkrankungen«, schreiben die Autoren.

Zu beachten sei dabei, dass im Gehirn von Feten und Neugeborenen unterschiedliche Isoformen gebildet werden als bei Erwachsenen: Es entsteht hauptsächlich 3R-Tau ohne N-terminale Inserts – also die kürzeste Isoform. Adultes Tau stellt dagegen eine Mischung aus allen sechs Isoformen dar. Es sei unklar, welchen Anteil das fetale Tau-Protein im Vergleich zu den adulten Tau-Isoformen an den hohen p-Tau217-Werten von Neugeborenen hat, schreiben die Forschenden. Die verwendeten Tests können zwischen den Isoformen nicht unterscheiden.

Die natürlichen Schutzmechanismen von Neugeborenen besser zu verstehen, könnte helfen, neue Therapieansätze zu entwickeln – etwa die Tau-Phosphorylierung gezielt zu steuern, die Entfernung von überschüssigem Tau zu verbessern und krankhafte Tau-Ablagerungen zu verhindern.

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