| Paulina Kamm |
| 25.11.2025 15:32 Uhr |
Auf Gewalt gegen Frauen wollen die Vereinten Nationen mit den Aktionstagen »Orange the World« aufmerksam machen. / © Imago/Yay Images
Laut UN Women, der UN-Organisation für Gleichstellung von Frauen, macht die Kampagne »Orange The World« seit 1991 auf Gewalt aufmerksam: vom Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen am heutigen 25. November bis einschließlich 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte. In ganz Deutschland finden Aktionen und Veranstaltungen statt, um auf das gesamtgesellschaftliche Problem hinzuweisen. Häuser werden orange beleuchtet, Politikerinnen und Politiker tragen »Stopp Gewalt«-Pins und auch der Deutsche Fußball Bund (DFB) sowie einige Sportvereine unterstützen die Aktion.
Der Marburger Bund zeigt klare Kante: »Gewalt gegen Frauen ist kein Randphänomen, sondern ein gesellschaftlicher Notfall«, so die Vorsitzende Susanne Johna. Sie passiere täglich, überall und hinterlasse sowohl seelische als auch körperliche Spuren. »Ärztinnen und Ärzte sehen diese Folgen in einer Eindringlichkeit, die keine Statistik vollständig erfassen kann«, so Johna.
Das Bundeskriminalamt (BKA) habe es sich zum Hauptziel gemacht, »eine zuverlässige und aussagekräftige Datenbasis über polizeilich registrierte geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen bereitzustellen«. Ziel sei, sowohl in der Gewaltprävention, als auch in der Kriminalitätsbekämpfung einen Beitrag zu leisten. In nahezu allen Bereichen der Gewalt gegen Frauen sieht das BKA einen Anstieg der Taten im Vergleich zum Vorjahr. Stimmen aus Politik und Forschung warnen vor Dunkelziffern – also Fällen, die nicht zur Anzeige gebracht werden.
Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität wurden im Jahr 2024 insgesamt 558 frauenfeindliche Straftaten polizeilich registriert. Das entspricht einem Anstieg von 73,3 Prozent im Vergleich zu 2023. Bei Sexualstraftaten wurden 53.451 weibliche Opfer in die Kriminalstatistik aufgenommen – eine Zunahme um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
187.128 Frauen seien Opfer häuslicher Gewalt geworden – 3,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Es konnten 593 weibliche Opfer des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung polizeilich dokumentiert werden, ein Anstieg um 0,3 Prozent. Von Gewalt im Netz waren 18.224 Frauen betroffen, sechs Prozent mehr als im Jahr 2023.
Lediglich die Anzahl der Tötungsdelikte an Frauen im Kontext von Partnerschaftsgewalt fiel um 9,4 Prozent. »Ein möglicher Erklärungsansatz für die Ursache dieser Gewalt liegt in einer ablehnenden Haltung gegenüber der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter«, erklärt das BKA. Gleichberechtigung und die Emanzipation von Frauen werden laut BKA teilweise als Bedrohung traditioneller Rollenbilder und als Gefahr für die »natürliche Ordnung« verstanden.
Der Verein Frauenhauskoordinierung e.V. kategorisiert »diejenigen Tötungsdelikte, bei denen Frauen aufgrund ihrer Stellung als Frau in der Gesellschaft getötet werden, nicht etwa zufällig oder aufgrund individueller Umstände« als Femizide. Eine einheitliche Definition des Femizid-Begriffs gebe es allerdings nicht. »Die Benennung als Femizid oder Feminizid trägt dazu bei, die Taten stärker sichtbar zu machen und zu verdeutlichen, dass diese Form von Gewalt gesellschaftlich und strukturell tief verwurzelt ist«, bestärkt der Verein.
Auch in der Strafverfolgung spiele eine bundesweit einheitliche Begriffsdefinition eine Rolle. Aktuell können laut BKA Tötungsdelikte an Frauen »nicht als ›Femizide‹ im Sinne des allgemeinen Verständnisses ›Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist‹ interpretiert werden«, so das BKA. »Eine trennscharfe Abbildung und Benennung von Femiziden ist daher auf Basis der vorliegenden kriminalstatistischen Daten nicht möglich.«
Bund und Länder haben sich laut BKA dafür ausgesprochen, eine bundeseinheitliche polizeiliche Definition zu Femiziden zu erarbeiten. Trotz mangelnder Begriffsdefinition lassen sich dennoch Erkenntnisse aus der Polizeistatistik ableiten: »Die ›Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung‹ zeigt etwa, dass der Anteil weiblicher Opfer innerhalb von (Ex-) Partnerschaften bei über 80 Prozent liegt«, so das BKA.
Ärztliches Personal ist laut der Vorsitzenden des Marburger Bunds oft die erste Anlaufstelle für die hilfesuchenden Frauen. Ärztinnen und Ärzte seien Bezeugende, wie aus verbaler Gewalt und frauenfeindlicher Hetze körperliche Gewalt entstehe. Johna fordert neben mehr Schutz, mehr Prävention und niedrigschwelliger Zugänge zu medizinischer, psychosozialer und rechtlicher Unterstützung auch eine gesellschaftliche Wandlung: »Wir brauchen eine Gesellschaft, die Gewalt in jeder Form ächtet und in der Täter konsequent zur Rechenschaft gezogen werden.«
Die ABDA startete bereits im Jahr 2020 eine Kooperation mit dem Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen«. Apotheken können unter www.hilfetelefon.de/materialien-bestellen kostenfrei Infomaterialien bestellen. Die mehrsprachigen Flyer können beispielsweise in der Offizin ausgelegt werden. Empfehlungen und Anregungen finden Apothekenteams unter www.hilfetelefon.de/materialien.